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"Wir können auch anders"

Der Kopenhagener Lehrer Jacob Chammon kam vor zwölf Jahren nach Berlin, um an der Deutsch-Skandinavischen Schule zu unterrichten. Heute leitet er die Telekom-Stiftung und ist eine der spannendsten Stimmen in der deutschen Bildungsdebatte. Ein Podcast über notwendige Transformationen, typisch deutsche Hürden und ganz viel Optimismus.

Foto Jacob Chammon: Deutsche Telekom Stiftung.

MANCHMAL, SAGT JACOB CHAMMON, sei seine Herkunft ein echter Vorteil. So nach der Art: "Ach, der nette Däne", der ein bisschen komisch rede und ungewöhnliche Sachen sage. 

 

Und zu sagen hat Chammon, seit August neuer Geschäftsführer der Telekom-Stiftung, viel. Bildung, Digitalisierung, Teilhabe und Bildungschancen für alle, das sind seine Themen. Innerhalb weniger Jahre ist der Mann, der vor einem guten Jahrzehnt noch Lehrer in Kopenhagen war, damit zu einer nicht mehr wegzudenkenden Stimme im deutschen Bildungsdiskurs geworden. Eine Stimme, die zur Transformation mahnt und gleichzeitig Lust auf sie machen will.

 

Patrick Honecker und Jan-Martin Wiarda haben ihn für einen neuen "Gipfel der Bildung" getroffen. Im Podcast-Gespräch erzählt Chammon, was ihn vor zwölf Jahren nach Süden trieb. Wobei er sagt: "Eigentlich bin ich nach Berlin gezogen und nicht nach Deutschland." Er sei immer noch fasziniert von dieser Großstadt mit ihren dreieinhalb Millionen Einwohnern, wo zwar vieles nicht funktioniere, aber eine menschliche Nähe herrsche, die er sonst nirgendwo erlebt habe. 

 

So sehr er wegen der Stadt hergezogen ist, so wenig wegen der Bildung, räumt der Lehrer für Deutsch, Dänisch, Geschichte und Musik ein. Und deshalb sei er erstmal konsterniert gewesen, als er das deutsche Bildungssystem von innen kennenlernte – an der Deutsch-Skandinavischen Gemeinschaftsschule in Berlin, wo er anfing und innerhalb weniger Jahre zum Schulleiter aufstieg. Nach den monatlichen Schulleiterbesprechungen im Bezirk hätten er und eine andere internationale Kollegin immer erstmal ins KaDeWe gehen müssen, zum Champagnertrinken und zur Verarbeitung. So machtlos hätten sie sich gefühlt. "Aber lustigerweise war das immer für mich so eine Motivation zu zeigen, wir können auch anders." 

 

2015 war er der erste Schulleiter, der in Berlin ein offenes WLAN an einer Grundschule installierte, Demonstrationen bis hinein in sein Büro damit auslöste – und eine Debatte und, wie Chammon sagt, "gute Gespräche". Wenn man ihn fragt, warum sich Deutschland mit Veränderungen jeglicher Art schwertut, sagt er, in Deutschland würden nicht das Problem und seine Lösungen in den Vordergrund gestellt. "Wir springen nicht über unsere eigenen Schatten, um das Problem zu lösen. Unser ganzes System ist ausgerichtet darauf, dass wir uns nicht anklagbar machen", es gehe um "Rechtssicherheit".

 

Chammon sagt "wir", wenn er die Deutschen meint, und er sagt "wir", wenn er von Dänemark spricht – was zeigt, wie er sich auch gedanklich zwischen den beiden Systemen bewegt. Deutschlands großer Unterschied zu Dänemark sei, sagt er, dass ein kleines Land sich nicht auf eine solche Kraft und Breite seiner Wirtschaft und seines Mittelstandes stützen könne. Weshalb es "immer innovativ vorangehen und dann auch vielleicht damit Fehler machen" müsse.

 

Ein trotz allem optimistisches Podcast-Gespräch über die Zukunftskompetenzen, die Schüler brauchen, über die Geschichte und die Wandelbarkeit des Föderalismus, neue Prüfungsformate in Zeiten der KI – und die Lehrerbildung.

 

Chammon sieht ein Zeitfenster für die Transformation der deutschen Schulen, das gerade offen sei, die "große Chance" der "geballten Schwarmintelligenz". Es ist dieser Optimismus, der Chammon aus dem Schulleiterjob heraus in die deutsche Stiftungsszene katapultiert hat, erst als geschäftsführender Vorstand des Forums Bildung Digitalisierung und schließlich zur Telekom-Stiftung. Er sagt: "Wenn der Riese sich bewegt, dann wird auch zugehört oder da auch wird mitgetanzt."



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