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Abschied vom Lehrstuhl?

Vor einigen Tagen hatte ich an dieser Stelle eine Lobeshymne auf die strukturierte Promotion verfasst. Der Kernsatz: Mehr Karrierechancen für Nachwuchsforscher in und nach der Postdoc-Phase sind schön und wichtig. Genauso wichtig: Wir brauchen insgesamt weniger Doktoranden, und wir brauchen noch mehr strukturierte Promotionsprogramme.

Daraufhin gab es Widerspruch von Klaus Diepold, nachzulesen bei den Kommentaren unter dem Blogeintrag. Meine Forderung nach weniger Doktoranden passe nicht zusammen mit der Tendenz an den Unis, immer mehr Studierende bei immer besseren Betreuungsverhältnissen haben zu wollen: „Wer leistet die Betreuung, wenn es weniger DoktorandInnen geben soll?“

Ich halte den Einwand für so bedeutend, dass ich Herrn Diepold nur zurufen kann: Ja, Sie haben Recht. Und genau das ist das Problem!

Ich will das erläutern. In der Tat leisten die Doktoranden einen großen Teil an der Lehre, an der Betreuung der Studenten – einen so großen Anteil, das ihr eigenes Weiterkommen oft an zweiter Stelle kommt. Systemimmanent kann man daher nur sagen: Ja, stimmt, weniger Doktoranden geht nicht, funktioniert nicht. Dann – ich übertreibe der Anschaulichkeit wegen – bräche das ganze System zusammen.

Also: Herr Diepold hat Recht, und genau das ist das Problem. Wenn ich weniger Doktoranden forderte und davon sogar noch mehr in strukturierten Programmen, mache ich das mit einem Hintergedanken. Indem wir den Schwerpunkt in der Doktorandenausbildung auf die Betreuung der Dokoranden selbst und nicht der Studierenden durch die Doktoranden legen, indem wir uns vor allem um die Qualität der Promotionen kümmern, entziehen wir zugleich dem immer noch weit verbreiteten faktischen Lehrstuhlsystem die Grundlage. Gut so!

Wir diskutieren über neue Karrierewege, über neue Dauerpositionen neben und auf dem Weg zur Professur, und gleichzeitig wissen wir, dass diese neuen Positionen sicherlich nicht mit ein paar (hundert) Millionen im Jahr durch ein wie auch immer geartetes Bundesprogramm zu finanzieren sein werden. Wer wirklich Veränderung will, steuert um. Weg von wenigen Professuren mit einem Wasserkopf an abhängigen Mitarbeiterstellen hin zu mehr auf Dauer angelegten Positionen, zu mehr Professuren unterschiedlicher (Karriere-)Stufen und Dotierung, aber immer weitgehend frei von Apparaten.


Ich weiß schon, jedes Fach und jeder Standort tickt anders. Insofern können nicht überall die gleichen Regeln gelten. Doch denkt man diese Vision einmal zu Ende, hätten die Doktoranden die Freiheit, die sie brauchen. Sie stünden dem Arbeitsmarkt, akademisch oder nicht, schneller zur Verfügung, und die Entscheidung über den Verbleib im „System Wissenschaft“ fiele wohl eindeutiger und früher. Und was die Professoren betrifft: Wäre es wirklich so schlimm, nicht mehr für einen ganzen Stab an Leuten verantwortlich zu sein, für all die damit einhergehende Bürokratie und den Papierkrieg? Würde nicht zugleich das näherrücken, was wir uns doch eigentlich alle wünschen: eine Gemeinschaft von Forschern auf Augenhöhe – eine Gemeinschaft, die ihre Hierarchie nicht vor allem über Lehrstuhlgröße und Seniorität definiert?


Es ist bald Weihnachten, und da darf man ja mal träumen. Noch schöner wäre es, wenn man bald nicht mehr träumen müsste, um sich eine solche Universität vorzustellen.

PS: Ich bin ab Samstag für eine Woche in Urlaub, also nicht wundern, falls ich hier in nächster Zeit ein wenig stiller bin.

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