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Eine Corona-Ampel auch für die Hochschulen

Immer mehr Unis versprechen Präsenzseminare ab Herbst. Dafür brauchen sie einen Infektions-Stufenplan. Berlin arbeitet schon dran.

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Artikelbild: Eine Corona-Ampel auch für die Hochschulen

GENAU EINE WOCHE hat es gedauert, dann musste die University of North Carolina in Chapel Hill ihren gerade erst wiedereröffneten Präsenzbetrieb schon wieder einstellen. Mindestens 177 Studierende und weitere Mitarbeiter seien innerhalb weniger Tage positiv getestet worden, teilte die Unileitung mit.

Auch in Deutschland lassen die jüngsten Corona-Statistiken aufhorchen: In keiner Altersgruppe nahmen die gemeldeten Infektionen


zuletzt rapider zu als bei den 10- bis 29-Jährigen, allein in den vergangenen fünf Wochen um über 300 Prozent und damit anderthalbmal so schnell wie in der Gesamtbevölkerung.

Gleichzeitig sehnen sich auch hierzulande viele Studierende und Lehrende nach Gelegenheiten zum persönlichen Austausch, nicht nur dem intellektuellen, sondern auch dem sozialen. Noch ein reines Digitalsemester? Kaum einer möchte sich das vorstellen.

Denn eines hat die Krise deutlicher gemacht denn je: Hochschulen erfüllen wie Schulen eine doppelte Funktion. Sie sind Orte der Bildung und sie sind Orte der gesellschaftlichen Begegnung.

Präsenz für junge und internationale Studierende

Doch was folgt daraus fürs Wintersemester? Keiner weiß es. Klar, die Hochschulleitungen planen, von einem „Hybridsemester“ ist vielerorts die Rede – mit kleinen Präsenzseminaren vor allem für jüngere und internationale Studierende, mit praktischen Übungen und parallel dazu großen Online-Vorlesungen.

Manche Hochschulen sind etwas mutiger, was die Vielfalt und Größe der angedachten Präsenzveranstaltungen angeht; andere wollen vor allem Begegnungsflächen für die Studierenden untereinander schaffen.

Alle Planungen stehen indes unter demselben Vorbehalt: insofern es das Infektionsgeschehen zulässt. Ein Satz, der vielen aus den Politikerstatements zum Schulbetrieb bekannt vorkommen dürfte.

Doch haben mehrere Kultusminister diese sehr allgemeine Formel inzwischen durch Stufenpläne präzisiert, um den Schulen mehr Planungssicherheit zu geben. Und um sie gleichzeitig aus den immer gleichen Debatten um vermeintlich nötige Schließungen herauszuhalten, sobald – wie zurzeit – die Infektionszahlen klettern.

Die Pläne beschreiben genau, wie viel Präsenzunterricht unter welchen Hygienebedingungen möglich ist, und sie definieren Schwellenwerte, wann ins nächste Szenario (Hybrid- oder Fernunterricht) gewechselt werden muss. Und tatsächlich: Seit diese Pläne existieren, ist ein Stück Willkür aus der Corona-Schuldebatte verschwunden, auch die Rufe nach präventiven Totalschließungen verhallen.

Die Corona-Entscheidungen müssen transparenter werden

Eine solche Erdung würde auch der Diskussion an den Hochschulen gut tun. Im Moment hängt es fast überall vom Mut (oder je nach Perspektive: dem Leichtsinn) der Hochschulleitungen und den Stimmungslagen in den Landeswissenschaftsministerien ab, welche Versprechungen fürs Wintersemester gemacht werden.

Doch die entscheidende Frage ist auch an den Hochschulen: Was passiert, wenn die Infektionszahlen weiter stiegen? Was, wenn an einer Hochschule selbst Corona-Fälle auftreten? Werden dann sofort alle gemachten Versprechungen in Frage gestellt? Kurzum: Die behördlichen Entscheidungen müssen dringend transparenter und für die Betroffenen erwartbarer werden – nur wie?

Berlins Wissenschaftsstaatssekretär arbeitet schon dran

Diese Frage hat sich offenbar auch Berlins Wissenschaftsstaatsekretär Steffen Krach (SPD) gestellt und die Ausarbeitung eines Corona-Stufenplans für die Hochschulen beschlossen. Noch lägen nur erste Entwürfe vor, heißt es aus der Berliner Verwaltung, doch soll in dem Plan verbindlich und analog zur Corona-Ampel des Landes Berlin beschrieben werden, was die Hochschulen unter welchen Corona-Bedingungen an Präsenz dürfen – und ab wann sie wieder in den reinen Digitalbetrieb müssten.

Ansonsten hält sich Krach bislang bedeckt, er weiß: Wenn der Plan fertig ist, muss er für Hochschulen und Gesundheitsbehörden verbindlich sein und auch in der befürchteten zweiten Welle funktionieren.

Corona-Stufenpläne können den Hochschulen Planungssicherheit und zugleich Spielraum geben. Die Wissenschaftsminister sollten ihnen beides gönnen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda Will`s Wissen" im Tagesspiegel.


Abbildung: Pixabay.

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