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Wir brauchen nicht einfach mehr Lehrer. Wir brauchen mehr Lehrer, die mit Vielfalt umgehen können

Am Mittwoch durfte ich eine spannende Diskussion moderieren. Das "Haus der kleinen Forscher" und die "Telekom-Stiftung" hatten eingeladen, es ging um die Frage, wie sich die Qualität der frühkindlichen Bildung entwickelt hat in den vergangenen Jahren angesichts des massiven Ausbaus von Kitaplätzen. Hans-Günther Roßbach, Leiter des Nationalen Bildungspanels und Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe, sagte gleich zu Beginn einen bemerkenswerten Satz. Nein, die Qualität sei nicht gewachsen, aber sie sei auch nicht gesunken. "Und das ist in sich schon ein großer Erfolg." Noch bemerkenswerter war die Erklärung, die Roßbach hinterherschob: Ob eine Kita es schaffe, einer Gruppe von Kleinkindern Anregungen zur geistigen und sozialen Entwicklung zu liefern, liege gerade mal zu "20 oder 30 Prozent an strukturellen Faktoren", also an Ausstattung und Betreuungsschlüssel. Für die restlichen 70 bis 80 Prozent verantwortlich: vor allem die Qualität der Ausbildung bei den Erzieherinnen und Erziehern.


Klar könnten Politiker Wissenschaftlersätze wie diese oberflächlich betrachtet als Rechtfertigung missbrauchen, wenn sie Forderungen, das Kitapersonal weiter aufzustocken, aus finanziellen Gründen ablehnen. Allerdings würden sie sich damit auf gefährliches – und kaum preiswerteres – Terrain begeben: Roßbachs Argument verfängt nur, wenn gleichzeitig kräftig in Aus- und Weiterbildung investiert wird.


Neu ist diese Erkenntnis im Übrigen nicht. Beispiel Schule: Dass kleinere Klassengrößen automatisch zu einem besseren Unterricht führen, wird zwar auch immer wieder gern gerade von Lehrergewerkschaftlern behauptet, ist aber längst durch zahlreiche Studien widerlegt worden. Gerade erst wieder hat der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" auf dieselbe Logik zurückgegriffen. Angesichts der Flüchtlingsströme seien 25.000 zusätzliche Lehrer nötig. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sekundierte laut "Tagesspiegel", es wäre ein schwerer Fehler, wenn bei der Aufnahme der Zuwanderer einfache Klassen vergrößert würden und sich die Qualität des Unterrichts für alle Kinder verschlechtere.


Meines Erachtens ist das Problem der fehlenden Lehrer (wie übrigen auch der fehlenden Erzieher) untergeordnet – zumal es sich auf die Schnelle kaum wird lösen lassen. Schon jetzt müssen sich die Kultusministerien der Länder eingestehen, dass der Markt an qualifizierten Pädagogen leer gefegt ist. Klar kann man – in engen Grenzen – Pensionäre und Freiwillige aktivieren, aber dann sind wir auch schon wieder bei der eigentlichen Herausforderung: der Qualifikation der Lehrenden. Selbst erfahrene Lehrer sind auf die Vielfalt, die ihnen da in den Klassenräumen begegnet, nicht ausreichend durch ihr Studium vorbereitet. Die Unzulänglichkeiten des Lehrerstudiums und die Überforderung vieler Lehrkräfte sind schon vor der aktuellen Flüchtlingswelle über die Jahre immer bestürzender geworden angesichts eines Migrantenanteils von 30, 40 und mehr Prozent in den Schulen. Und was ist passiert? Die seit mindestens Ende der 90er diskutierte grundlegende Reform des Lehramtsstudiums steht immer noch aus.


Wenn Hans-Peter Meidinger nun auch noch eine Quotierung der "Kinder nicht deutscher Muttersprache" in den Schulklassen fordert, dann ignoriert er die vorhandenen demographischen Realitäten des Bildungssystems. Er ignoriert im Übrigen auch, dass Schüler mit Migrationshintergrund in den vergangenen 10 Jahren enorm aufgeholt haben in ihren schulischen Leistungen, also, wie Bernd Kramer bei "Spiegel Online" schreibt, nicht mehr per se als Bildungsverlierer zu sehen sind.


Sachdienlicher wäre es, wenn Lehrerfunktionäre wie Meidinger vehement dafür eintreten würden, dass das Lehramtsstudium endlich umfassend auf Diversität und Inklusion vorbereitet. Und dass gleichzeitig und mit sofortiger Wirkung entsprechende Weiterbildungsprogramme für die Lehrer in allen Bundesländern aufgelegt werden – versehen mit einem hohen sozialen Druck, nun auch daran teilzunehmen. Dann könnten die vorhandenen Lehrer ihren Job noch besser machen angesichts einer Zuwanderung, die sicherlich noch auf Jahre sehr hoch bleiben wird. Und gleichzeitig könnte eine neue Generation von Pädagogen in Ruhe ihr Handwerk lernen – in Studiengängen, die die neuen demographischen Realitäten nicht nur irgendwie hinnehmen, sondern als Kernthema in ihren Curricula begreifen.

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