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Raus aus der Flaute?

Welche Rolle Weiterbildung in den Wahlprogrammen spielt – und was das für die Politik der nächsten Bundesregierung bedeutet. Ein Gastbeitrag von Bernd Käpplinger.

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Artikelbild: Raus aus der Flaute?

Bernd Käpplinger ist Professor für Weiterbildung an der Universität Gießen. Foto: A. Schaal.

WEITERBILDUNG WIRD wegen der demographischen Entwicklung, den Transformationen in der Arbeitswelt und der Demokratiekrise eine wachsende Bedeutung und Nutzen in Expertisen zugesprochen. Wie wird dies in den Wahlkampfprogrammen von SPD, CDU/CSU, B90/Grünen, FDP, AfD, DIE LINKE und BSW für die Bundestagswahl 2025 gesehen? Vier Erkenntnisse:

1. Weiterbildung eigentlich seltener erwähnt, aber …

Analysen der Bildungsforscher Falk Scheidig und Tetyana Kloubert von 2021 zur vergangenen Bundestagswahl ermittelten relativ viel Bezüge zur Weiterbildung. 2025 findet man dagegen eine Flaute bei der Nennung von Weiter-, Fort- und Erwachsenenbildung. Tauchten diese Begriffe 2021 noch 115mal in allen untersuchten Programmen auf, ist dies 2025 nur 51mal der Fall. Werden auch wichtige Themen wie Weiterbildung angesichts Polarisierungen und Skandalisierungen von anderen Themen vernachlässigt? Hier ist zu bedenken, dass wegen der vorgezogenen Wahl die Wahlprogramme kürzer ausfallen. War zum Beispiel 2021 das Programm der B90/Grünen noch 272 Seiten lang, sind es nun nur 72 Seiten. Insgesamt ist die seltenere Nennung von Weiterbildung erklärbar, aber trotzdem bedenklich.

2. Rechts fällt zu Weiterbildung kaum (noch) etwas ein

Die deutlich meisten Erwähnungen findet Weiterbildung in den Programmen von DIE LINKEN (17mal) und SPD (13mal), während bei der CDU/CSU und AfD nur jeweils bescheidene drei Nennungen zu finden sind. Das BSW hat sogar nur zwei Bezüge. FDP (6) und B90/Grünen (4) rangieren zwischen Rechts und Links. Die SPD ist die einzige Partei, die dieses Mal mehr als 2021 von Weiterbildung spricht. Da ein Rechtsruck bei den Wahlen wahrscheinlich ist, bedeutet dies für die Weiterbildung in Zukunft kaum Gutes.

3. Funktionales Bildungsverständnis dominiert

Betrieblicher und beruflicher Fort- und Weiterbildung kommt in fast allen Wahlprogrammen die dominante Aufmerksamkeit zu. Erwachsenenbildung ist aber mehr als das, da sie auch kulturelle Erwachsenenbildung oder politische Bildung umfasst. Lediglich bei zwei Parteien finden sich Passagen, die sich gegen eine "Pflicht zur Selbstoptimierung" (DER LINKEN) oder für eine Stärkung der "allgemeinen Weiterbildung als wichtige Säule des lebensbegleitenden Lernens" (B90/Die Grünen) aussprechen. Andere Parteien wollen "die Beschäftigten mit Weiterbildung über den gesamten Lebenslauf hinweg mit neuen Entwicklungen Schritt halten" lassen (SPD), die CDU/CSU forciert reaktiv Anpassung: "Die erforderlichen Fähigkeiten in einem Beruf wandeln sich. Deshalb prüfen wir regelmäßig die Aus- und Fortbildungsordnungen und passen sie an."

Wie bereits in den Wahlprogrammen zu den Bundestagswahlen 2013, 2017 und 2021 dominiert ein funktionales Weiterbildungsverständnis mit Fokus auf Anpassung an statt einer (Mit-)Gestaltung des technologischen Wandels.

4. Wenig zur Weiterbildungsbranche und -personal

In der Weiterbildung arbeiten mehr als 500.000 Personen in Deutschland, was sie zu einem der größten Bildungsbereiche macht. Allerdings findet man in den Wahlkampfprogrammen fast keine Angebote, was eine Partei in der Regierung für Branche und Personal tun will. CDU/CSU sowie FDP haben pauschale Aussagen zur Digitalisierung der Weiterbildung, während DIE LINKE für einen Tarifvertrag für alle Lehrkräfte in der Weiterbildung ist. Das BSW strebt eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens an, damit Musikschulen, Volkshochschulen und Träger rechtssicher Selbstständige beauftragen können. Der AfD fällt nur mehr Bürokratie für Weiterbildungsanbieter ein: "Weiterbildungsmaßnahmen nur noch bei Bildungsträgern durchführen, die den Vermittlungserfolg ihrer Maßnahmen nachweisen".

Fazit: Mit dem Koalitionsvertrag muss Rückenwind einsetzen

Der Rückgang der Bezüge auf Weiterbildung scheint undramatisch zu sein, da die Programme durch den früheren Wahltermin kürzer sind. Programme sind aber Grundlagen für Koalitionsverhandlungen und die künftige Regierungsagenda. Hier ist anzuregen, dass es nach den Wahlen notwendig sein wird, Weiterbildung als Zukunftsthema im Koalitionsvertrag gut zu platzieren. Zum Beispiel, um bereits geplanten Kürzungen bei den Integrationskursen wie von der Wirtschaft gefordert entgegenzuwirken oder um allgemeine Weiterbildung mehrwertsteuerbefreit zu lassen.

Die Nationale Weiterbildungsstrategie taucht als Stichwort nicht mehr auf, aber CDU/CSU wollen die Allianz für Aus- und Weiterbildung fortführen.

Wenn Parteien nichts zu Weiterbildung sagen, muss das nicht den Erhalt des Status Quo bedeuten. 2024 traf zum Beispiel die FPÖ in Österreich in ihrem xenophoben Wahlprogramm "Festung Österreich" nur eine Aussage zu "lebenslanger Weiterbildung für Lehrer", aber bei den Koalitionsverhandlungen wurde beschlossen, die Bildungskarenz als Förderinstrument ersatzlos zu streichen. Bedenklich kann stimmen, wie wenig die großen Parteien zum Weiterbildungspersonal sowie nicht-beruflicher Weiterbildung wie Politischer Bildung oder Bildung für Nachhaltige Entwicklung zu sagen haben. Sind die Zeiten, wo Wahlkämpfe primär durch Wirtschaftsthemen entschieden wurden, nicht vorbei? It‘s not just the economy, stupid!

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