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Neue Heimat im Sammel-Ministerium

Die "Bildung" verlässt das BMBF. Zu den Hoffnungen auf Aufwertung kommt die Sorge, das Thema könnte in dem Riesenressort untergehen. Ein Kommentar.

NACHDEM DIE SCHWARZ-ROTEN PARTEISPITZEN am Mittwochnachmittag den Koalitionsvertrag präsentiert hatten, fielen die Reaktionen recht einhellig aus: zu viel Klein-Klein, zu viel vom üblichen Quid-pro-Quo, insgesamt dem Ernst der Lage nicht angemessen. So weit, so nachvollziehbar. Als sich ein Kommentator dann aber ereiferte, der Mut habe nicht einmal zur Wiedereinführung der Wehrpflicht gereicht, war mein erster Gedanke: Ein Glück das nicht auch noch. Denn in weiten Teilen liest sich der Koalitionsvertrag für mich wie ein Manifest der Generationenungerechtigkeit. Mehr Mütterrente, weniger Klimaschutz, erstmal keine Reform der überkommenen Sozialversicherungssysteme, dafür mehr Geld für Pendler und Gastronomie. Das Heute sticht das Morgen. Wieder einmal.

 

Weil die Schieflage so offensichtlich ist, wundert es kaum noch, dass auch die Aufspaltung des bisherigen Bundesministeriums für Bildung und Forschung in einer Form vorgenommen wurde, die auf Kosten der jungen Generation zu gehen droht.

 

Das Problem ist nicht, dass die Bildung aus dem BMBF wandert. Dass sie mit der Jugend in einem Haus vereint werden soll, hat im Gegenteil so viele potenzielle Vorteile, dass ich mich auch hier im Blog schon vor der Bundestagswahl für eine solche Lösung starkgemacht hatte: Endlich kann die Bildungskette von den Kitas über die Schulen über die berufliche Ausbildung bis zum lebenslangen Lernen in den Bund-Länder-Beziehungen zusammengedacht werden. Das ist die Gelegenheit, vor allem frühkindliche Bildung und Ganztag weniger als Betreuung und stärker als Bildung zu definieren.

 

Der Wermutstropfen, dass die Hochschulbildung voraussichtlich im Forschungsministerium angesiedelt und damit abgetrennt werden soll, ist dabei verkraftbar, zumal das Gegenteil, die Zuständigkeit von zwei Ministerien für die Hochschulen, andere Friktionen verursacht hätte. 

 

Neues Kürzel: BMBFSFJ

 

Ad absurdum geführt wurde die erhoffte Fusion von Bildung und Jugend jedoch dadurch, dass sie zusammen kein neues Ministerium bilden, etwa verstärkt um die Demokratieförderung, sondern dass die Bildung kurzerhand ins bestehende Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hinübergeschoben wird. Voraussichtliches neues "Kürzel": BMBFSFJ.

 

Mit jeder Verlängerung des Ministeriumsnamens um eine weitere Aufzählung drängt sich stärker der Verdacht auf, hier würden all die für kurzsichtige politische Alphatierchen vernachlässigbaren Themen reingepackt, die man auch noch irgendwo unterbringen musste. In jedem Fall hielt man die Belange der Kinder und Jugendlichen nicht für wichtig genug, um ihnen ein eigenständiges Haus zu gönnen. Was ein einzigartiges Symbol und Signal einer alternden Gesellschaft an seine Zukunft hätte werden können, wurde der Bestrebung, bloß nicht noch mehr Ministerien zu haben, untergeordnet.

 

Falls dieses Sammel-Ministerium, wonach es zuletzt aussah, nicht von einer dezidierten Bildungspolitikerin geführt werden sollte, sondern von einer Familien- oder Sozialpolitikerin, könnte das erst recht Folgen haben. In einem Land, in dem es bald zweimal so viele über 60-Jährige (25,1 Millionen) wie unter 18-Jährige (14,0 Millionen) gibt, braucht man nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, in welche Bestandteile im Ministeriumsnamen, neben der klassischen Familienpolitik, die meiste politische Energie und Aufmerksamkeit fließen wird. So wird Bildung in der Bundesregierung nicht aufgewertet, so könnte Bildung untergehen.

 

Die Vision eines bildungsstrategischen Umschwungs

 

Dabei enthält der Koalitionsvertrag in seinem Bildungskapitel, ausgehandelt von einigen der ambitioniertesten Bildungspolitikerinnen wie Karin Prien (CDU) und Stefanie Hubig (SPD), tatsächlich die Vision eines bildungsstrategischen Umschwungs. Von den angekündigten Großprojekten wie einem Startchancen-Programm für die Kitas bis hin zu der Absicht, stärker als bislang die Zusammenarbeit mit den Ländern und den Kommunen entlang gemeinsam getragener, übergreifender Bildungszielen zu gestalten. Und parallel die datengestützte Schulentwicklung voranzutreiben. Was das bedeuten könnte, hatten die Landesbildungsministerinnen Prien, Hubig und Theresa Schopper (für die Grünen) Anfang des Jahres in einem vielbeachteten Vorstoß ausbuchstabiert. Was wird aus alldem in einem BMBFSFJ?

 

Ein entscheidender Hinweis wird die Bekanntgabe der neuen Ministerin sein. Sicher ist, dass sie ein CDU-Parteibuch haben wird. Vielleicht besinnt sich Friedrich Merz ja doch noch darauf, die lange favorisierte Karin Prien zu küren – auch falls der parteiinterne Regionalproporz dem entgegenstehen sollte.

 

Die nächste Gelegenheit der designierten Koalition, ihr Verständnis von Generationengerechtigkeit zu zeigen, kommt dann, wenn es an die Verteilung der vielen Milliarden aus dem Investitionsfonds geht. Wieviel davon wohl bei Kitas, Schulen, Hochschulen & Co ankommt? SPD-Chefin Saskia Esken forderte seit langem ein Sondervermögen Bildung von 100 Milliarden Euro. Ein guter Anhaltspunkt. Hoffentlich nicht für die nächste Enttäuschung.




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Kommentare: 4
  • #1

    Django (Freitag, 11 April 2025 13:21)

    Wusste doch schon Schröders Gerd: Ministerium für Frauen und Gedöns. Da haben sich die Koalitionäre ehrlich gemacht, wie man so unschön sagt.

  • #2

    Reisender (Freitag, 11 April 2025 15:04)

    Was Personalien angeht: Bär ist auch bislang nicht wirklich als Kennerin der Forschungslandschaft aufgefallen. Man kann nur hoffen, dass wenigstens auf Staatssekretärsebene fachkundiges Personal eingestellt wird.

  • #3

    Denken vorm Handeln (Freitag, 11 April 2025 19:49)

    Teile die Einschätzungen und Befürchtungen zu 100 Prozent. Frage mich darüber hinaus, wie berufliche Weiterbildung und lebenslanges Lernen zur Sicherung von Fachkräften da einen adäquaten Platz finden kann. Man kann nur hoffen, dass sich über die vielen Fragen in den nächsten Tagen und Wochen jemand Sachkundiges Gedanken macht…

  • #4

    Jan-Martin Wiarda (Dienstag, 15 April 2025 09:50)

    @ Storb: Ich bitte Sie wegen Ihres Kommentars um eine kurze Nachricht an post@jmwiarda.de, weil ich an einer Stelle Klärungsbedarf sehe. Besten Dank! Ihr J-M Wiarda