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Bundesregierung: Drei Prozent Aufwuchs für Forschungsorganisationen sind für die nächsten Jahre gesichert

Das BMBF reagiert auf parlamentarische Anfrage der Union, die Zweifel an der Pakttreue geäußert hatte – und buchstabiert die Finanzplanung für die nächsten Jahre aus.

KLEINE ANFRAGEN sind ein wichtiges parlamentarisches Instrument der Opposition, um die Regierung zu kontrollieren. Und manchmal sind sie zugleich die Gelegenheit für eine ehemalige Regierungsfraktion, ihre eigenen Verdienste hervorzuheben: indem sie Zweifel formuliert, dass ihre Nachfolger die Verantwortung ähnlich ernst nehmen, wie sie selbst es nach eigener Meinung getan hat. Im Falle der Kleinen Anfrage, die der CDU-Politiker Thomas Jarzombek für die CDU-/CSU-Bundestagsfraktion zum sogenannten Pakt für Forschung und Innovation (PFI) auf den Weg gebracht hatte, trifft beides zu.

 

Der PFI, den Bund und Länder 2005 vereinbart und seitdem immer wieder erneuert haben, garantiert den großen außeruniversitären Forschungsorganisationen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) regelmäßig sichere Aufwüchse ihrer Grundbudgets. In der laufenden – bereits der vierten – mehrjährigen Paktphase drei Prozent – Jahr für Jahr, und das, wie 2019 festgelegt, diesmal für einen exzeptionell langen Zeitraum bis 2030.

 

Im Gegenzug verpflichteten sich Max Planck, Helmholtz, DFG und Co auf die Erreichung der im PFI vereinbarten forschungspolitischen Ziele (wissenschaftliche Exzellenz, Talentförderung, Transfer etc.) – wobei sie viel Freiraum bei der Umsetzung haben. Und auch wenn sie über ihre Performance transparenter als früher Rechenschaft ablegen müssen, so droht ihnen doch kaum Ungemach, wenn sie hinter den Erwartungen zurückbleiben. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

"Erstmals kein klares
Bekenntnis mehr zum PFI"?

 

Das Besondere an der Pakt-Garantie ist, dass die Bundesregierung sie auf so lange Zeit gar nicht wirklich geben kann – sondern immer nur unter dem Vorbehalt der jährlichen Haushaltsbeschlüsse des Bundestages. Anlass zur Sorge gab aus Sicht der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion jetzt, dass im Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2024 "erstmals kein klares Bekenntnis mehr zum PFI" zu finden sei, wie es in der Kleinen Anfrage heißt.

 

Eine Interpretation, die man durchaus als nicht zwingend bezeichnen kann, zitiert die Fraktion doch selbst den – auf den ersten Blick eindeutigen – Wortlaut im Regierungsentwurf: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) "bleibt ein zuverlässiger Partner von Bildung, Wissenschaft und Forschung und stärkt nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftsstandorts Deutschland. Hierzu tragen maßgeblich der Pakt für Forschung und Innovation sowie der Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken bei, die beide dynamisiert sind und damit jährliche Aufwuchs gewähren."

 

Auf den zweiten Blick fehlt in der Formulierung allerdings die genaue Angabe in Prozent, wie hoch der jährliche Aufwuchs sein soll – im Unterschied etwa zu den Haushalten 2020 und 2021 (die noch unter Unions-Regierungsbeteiligung entstanden und im Fragetext entsprechend gewürdigt werden). Hinzu kommt, dass das BMBF nach Veröffentlichung der Regierungsaufstellung für 2024 tatsächlich unter Druck geriet, was den PFI anging. Aber nicht, weil im Entwurf die versprochenen Zuwächse fehlen, sondern gerade weil sie abgebildet sind, während das Gesamtbudget des Ministeriums schrumpft.

 

Wenn die Pakt-Ausgaben schneller
wachsen als der BMBF-Haushalt

 

Dynamisch wachsende Budgets für die Forschungsorganisationen, während in der Bildung (Beispiel BAföG-Titel) gekürzt werden muss? Insofern könnte den PFI-Organisationen also wirklich Ungemach drohen in den nächsten Jahren, wenn die PFI-Überweisungen weiter schneller zulegen sollten als der Ministeriumshaushalt. Und hier kommt das erforderliche klare Bekenntnis der Bundesregierung ins Spiel, das die CDU-/CSU-Opposition bislang vermisste laut ihrer Kleinen Anfrage.

 

Zur Wahrheit gehört indes, dass ein Sprecher von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) auf meine Anfrage hin schon Mitte Juli betont hatte, das BMBF stehe zu den mit den Ländern vereinbarten jährlichen Steigerungen für den Pakt für Forschung und Innovation und für den Zukunftsvertrag. Aber klar, eine Aussage der gesamten Bundesregierung war das noch nicht.

 

Genau das aber ist die jetzt veröffentlichte Antwort auf die Kleine Anfrage der Unionsfraktion, auch wenn sie im BMBF federführend formuliert wurde. Und sie lässt keinen Spielraum mehr für Interpretation, so eindeutig ist sie – inklusive Seitenhieb in Richtung Vorgängerregierung: "Die Bundesregierung leistet die vereinbarten PFI-Aufwüchse trotz der bereits in der 19. Legislaturperiode absehbaren finanziellen Herausforderungen. Die in der 19. Legislaturperiode vorgelegte Finanzplanung hatte einen niedrigeren Plafond vorgesehen, als dies unter den nun weitaus schwierigeren Rahmenbedingungen der Fall ist." 

 

Also: Ja, nicht nur Stark-Watzingers Ministerium, sondern die gesamte Bundesregierung steht zu den Aufwüchsen. Und betont zugleich, dass die mittelfristige Finanzplanung zu Zeiten von BMBF-Chefin Anja Karliczek (CDU) weniger Geld fürs Forschungsministerium vorsah. Subtext: Die alte Regierung ist Versprechungen eingegangen, ohne deren Ausfinanzierung sicherzustellen. Was wir jetzt nachgeholt haben. 

 

Warum der Bund nicht genau 

drei Prozent mehr überweist pro Jahr

 

Als Retourkutsche nicht ungeschickt– allerdings ähnlich einseitig wie die Eigenlob-Formulierung in der Kleinen Anfrage. Denn dass eine alte Regierung sich vor einer anstehenden Bundestagswahl bei der mittelfristige Finanzplanung zurückhält, um der Prioritätensetzung ihrer Nachfolger nicht vorzugreifen, ist eingeübte parlamentarische Praxis. 

 

Für 2024 liefert die Bundesregierung in ihrer Antwort die Haushaltsansätze für alle fünf PFI-Organisationen und die jeweiligen Steigerungen im Vergleich zu 2023 mit. Dabei erklärt der im BMBF formulierte Text auch nachvollziehbar, warum das Plus bei keiner Organisation drei Prozent erreicht und das PFI-Versprechen trotzdem erfüllt wird.

 

Einerseits, weil nur die 2019 für jede Organisation vereinbarten Sockelbeträge mit drei Prozent pro Jahr angehoben werden und nicht seitdem hinzugekommene Sonderfinanzierungen. Anderseits, und das ist 2024 neu, weil von jetzt an über sieben Jahre hinweg die Länder jedes Jahr etwas mehr zum Aufwuchs beitragen müssen. Hintergrund: Die damalige Große Koalition hatte sich für die Jahre 2016 bis 2020 darauf eingelassen, das 3-Prozent-Plus allein zu tragen, was die über Jahrzehnte angestammten Finanzierungsschlüssel zwischen Bund und Ländern verändert hatte. Zu diesen Schlüsseln soll es nun bis 2030 zurückgehen, wodurch der Anstieg auf Bundesseite geringer ausfällt.

 

Zu den Haushalten 2025 und 2026 gibt die Bundesregierung indes keine konkreten Zahlen im Detail an, sondern verweist darauf, dass die mittelfristige Finanzplanung ein regierungsinternes Planungsinstrument sei, verbunden mit der Zusicherung: "Die gemäß dem PFI vorgesehenen Steigerungen des Bundes in Höhe von jährlich drei Prozent sind in den Ansätzen des Regierungsentwurfs sowie der Finanzplanung enthalten."

 

Unabhängig davon, ob bislang Zweifel an der Pakttreue berechtigt oder doch ein wenig aufgebauscht waren, nach der Kleinen Anfrage haben es die Forschungsorganisationen nun schriftlich, dass die Ampel sich für die nächsten Jahre committed hat zu den drei Prozent und Stark-Watzinger damit den Rücken stärkt. Ob ein solches Commitment in Zeiten knapper Kassen Sicherheit genug bietet, müssen die Präsidenten der Pakt-Organisationen freilich selbst entscheiden. 

 

Schutzwall nur für
die Wissenschaft?

 

Für die Union ist die Antwort des Ministeriums immerhin Anlass, auch die Regierung ein bisschen zu loben, vor allem aber wieder sich selbst. "Ich finde es wichtig, dass sich die Bundesregierung auf unsere Nachfrage hin jetzt klar zu den Verpflichtungen aus dem PFI bekannt hat", sagt Jarzombek, der bildungs- und forschungspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. Die geplante Kürzung des BMBF-Etats im kommenden Jahr könnten viele Menschen als Prioritätensetzung der Ampel nicht nachvollziehen und hielten sie für falsch. "Umso wichtiger war es im Rückblick, dass wir 2019 auf Drängen der unionsgeführten Bundesregierung mit den drei Wissenschaftspakten gewissermaßen einen Schutzwall um unsere Wissenschaft errichtet haben." Und Jarzombek zeigt sich überzeugt: "Ohne diesen Schutzwall wären die von der Regierungskoalition jetzt geplanten Kürzungen in Bildung und Forschung voraussichtlich noch größer ausgefallen."

 

Noch ist der Regierungsentwurf nur ein Entwurf. Die Regierungsfraktionen werden in den parlamentarischen Haushaltsberatungen das letzte Wort haben. Zuletzt war viel koalitionsinterne Unzufriedenheit zu hören und die Sorge, die versprochene BAföG-Reform werde dem Rotstift geopfert. Gut möglich also, dass in den nächsten Wochen vor allem der genauso nötige Schutzwall um den BMBF-Bildungsetat zur Sprache kommen wird. 


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Kommentare: 1
  • #1

    Edmund F. Dräcker (Montag, 28 August 2023 08:42)

    ... bleibt zu hoffen, dass die Aufwüchse zur Sicherung des PFI nicht zulasten anderer Töpfe im Haus von Stark-Watzinger erfolgen.

    Ein Ausspielen der Forschungsorganisationen gegen andere Teilnehmende des Wissenschafts- und Innovationssystems sollte es nicht geben.

    Der Haushalt kommt ja hoffentlich bald, dann können wir es alle nachlesen.