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Zehn-Punkte-Plan: Thüringen fordert vom Bund vier Dauer-Milliarden für die Hochschulen

Gerade dachten die Wissenschaftsminister, sie könnten entspannt in die Sommerpause gehen. Doch kaum hat Hamburg dem Kompromiss zur Zukunft der Exzellenzinitiative zugestimmt, meldet sich Thüringens Ressortchef Wolfgang Tiefensee zu Wort: Das Programm zur Förderung der Spitzenforschung sei ja gut und schön, aber jetzt sei es an der Zeit, zum Wesentlichen zu kommen.

»Das Wesentliche«: Für die Länder ist das der Hochschulpakt, der zusätzliche Studienplätze finanziert und in den der Bund jedes Jahr rund zwei Milliarden Euro investiert – fünfmal so viel wie in die neuerdings Exzellenzstrategie genannte Forschungsinitiative. Und während Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) jubelt, dass die »ExStra« von jetzt an ein Programm ohne Ende sei, läuft der Hochschulpakt nach 2020 aus: Vor neun Jahren vereinbart, sollte er ein vermeintlich vorübergehendes Hoch bei den Anfängerzahlen abfangen. »Dass der Pakt endet, ist keine Option«, verkündet der SPD-Politiker Tiefensee. Wenn es nicht bald Planungssicherheit über 2020 hinaus gebe, müssten die Hochschulen anfangen, Personal abzubauen.

Darum hat er seinen Kollegen Anfang der Woche -einen Zehn-Punkte-Plan präsentiert, mit dem er den Bund in die Verhandlungen zwingen möchte. Tiefensees Kernforderung: Von 2020 an soll Berlin das Geld unbefristet überweisen, nach derselben Logik, die bei der »ExStra« greift.Das Zauberwort lautet Grundgesetz-Artikel 91b: Ende 2014 haben Bund und Länder die Verfassung geändert. Seitdem darf der Bund in der Länderdomäne Wissenschaft dauerhaft agieren – und braucht sich nicht mehr auf vorübergehende Initiativen zu beschränken.

Wankas Ministerium möchte Tiefensees Ideen nicht kommentieren. Für das Ministerium kommt der Vorstoß zur Unzeit: Ein Jahr vor der Bundestagswahl will man sich für die Erfolge in der Wissenschaftsfinanzierung feiern und nicht neue Forderungen auf den Tisch bekommen. Außerdem geht es um viel Geld. Auf vier Milliarden Euro jährlich summiert sich Tiefensees Wunschliste. Neben den zwei Milliarden für den Hochschulpakt soll der Bund 600 Millionen für Forschungsprogrammpauschalen (bisher sind es 400 Millionen) an die Länder zahlen, außerdem 1,6 Milliarden für den Hochschulbau.

Am schwierigsten zu schlucken dürfte für Wanka die letzte Forderung sein. Denn während keiner ernsthaft erwartet, dass der Bund sich aus der Studienplatzfinanzierung zurückzieht, hat er von 2020 an keinerlei Zuständigkeit mehr für die Uni-Baustellen der Republik. Er will sie auch nicht: Wanka hat eine Diskussion darüber mehrfach abgelehnt.

So kämpft der Bund für seinen politischen Gestaltungsspielraum, während die Länder immer mehr planbares Dauergeld wollen. Und Tiefensee taktiert schlau. Indem er argumentiert, nach der Exzellenz sei die Breitenförderung dran, und seine zehn Punkte unter dem Label »Neuer Hochschulpakt« verkauft, kommt die Forderung nach Entlastung der Länderhaushalte plötzlich als Einsatz für mehr Bildungsgerechtigkeit daher. Um das Ganze zusätzlich mit einer Vision zu versehen, hat der Minister mit dem Geschäftsbereich Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft das Buzzword »Digitalisierung« vor die Klammer gezogen: Von den vier Milliarden müssten jedes Jahr 400 Millionen in den »Aufbau digitaler Lehr- und Forschungsplattformen« fließen.

Die gerade neu eingerichtete Arbeitsgruppe der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern zum Grundgesetz-Artikel 91b, die vielen als Alibi-Veranstaltung zur Überbrückung bis nach der Bundestagswahl erschien, könnte also doch noch spannend werden. Denn ein Ziel hat der frühere Verkehrsminister Tiefensee, der bislang kaum als Hochschulpolitiker in Erscheinung getreten ist, bereits erreicht: Die Debatte nimmt Fahrt auf. »Den Hochschulpakt zu verstetigen wäre für unser ganzes Wissenschaftssystem von zentraler Bedeutung«, sagt zum Beispiel Bremens SPD-Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt. »Das würde die Grundfinanzierung der Hochschulen langfristig sichern und ihnen etwa ermöglichen, mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Dauer einzustellen.«

Auch Baden-Württembergs grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sagt, eine Verstetigung sei richtig. Doch über das Wie müsse geredet werden. »Wir brauchen Qualitätskriterien und keine bloße Pro-Kopf-Verteilung.« Tiefensee will, dass der Bund für jeden Studenten in der Regelstudienzeit 1000 Euro zahlen soll.

Lob kommt auch von Hubertus Heil, dem einflussreichen stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Allerdings seien einige der zehn Punkte „zu fiskalisch“ gedacht. „Die Konkurrenz zwischen den Politikfeldern nimmt zu, daher müssen wir die Bedeutung der Hochschulen für unsere Zukunft noch stärker inhaltlich begründen.“ Und keinesfalls dürften die Länder die Bundeseuros zu Einsparungen an anderer Stelle nutzen.

Vergangene Woche haben sich die Staatssekretäre zum ersten Mal zu ihrer 91b-AG getroffen. Bis zum Frühjahr wollen sie ihre Forderungen an den Bund sortieren. Mal sehen, wie viele Tiefensee-Milliarden darin stecken werden.

Dieser Artikel erschien heute in leicht gekürzter Fassung in der aktuellen Ausgabe der ZEIT.

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