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Bundestag macht Weg für Corona-Aufholprogramm frei

Alle Länder und der Bund haben die Vereinbarung unterschrieben, letzte Nacht winkte das Parlament die nötige Gesetzesänderung durch. Wie es jetzt weitergeht.

ES SIND ZWEI WICHTIGE ETAPPEN auf dem Weg zur Umsetzung des Corona-Aufholprogramms für Kinder und Jugendliche. Wie das Bundesbildungsministerium bestätigte, haben alle 16 Landesregierungen rechtzeitig die nötige Bund-Länder-Vereinbarung unterzeichnet.

Was der Bund zur Voraussetzung für Schritt zwei erklärt hatte: In der Nacht zum heutigen Freitag verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition ein Gesetzespaket zu verschiedenen Steueränderungen. Darin enthalten: die zeitlich befristete Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, so dass die versprochene Milliarde für Lernhilfen über zusätzliche Anteile am Umsatzsteueraufkommen in die Länder fließen kann. Plus die 270 Millionen für den Kinder-Freizeitbonus von 100 Euro pro bedürftigem Kind.

Weil es die letzte Sitzungswoche des Bundestages vor der Bundestagswahl ist, hatte großer Zeitdruck geherrscht. Eine Verschiebung in die neue Legislaturperiode wäre politisch kaum erklärbar gewesen. Jetzt muss noch der Bundesrat am 25. Juni dem Gesetzespaket zustimmen, das als Kern auch die Grundsteuerreform enthält. Danach könnten die ersten Gelder in den Schulen ankommen, rechtzeitig vor Beginn des neuen Schuljahres.

Karliczek: Wollen genau wissen, was die Länder mit dem Geld machen

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte, das Programm sei zu wichtig, weil zu befürchten stehe, "dass vor allem die ohnehin schon leistungsschwachen Kinder und Jugendlichen weiter zurückgefallen sind. Das Mindeste, das wir tun können, ist, diesen Kindern das Aufholen ihrer Lernrückstände zu ermöglichen."

Sie erwarte, dass die Bundesländer zumindest die Milliarde für die Nachhilfe "paritätisch" aufstocken, fügte Karliczek hinzu – womit sie eine seit Wochen erhobene Forderung wiederholte. Tatsächlich hat der Bund sie in der Bund-Länder-Vereinbarung nicht durchsetzen können. In der ist aber, wenn auch nur sehr grob, festgelegt, für welche Zwecke die Bundesmilliarde verwendet werden darf. Karliczek kündigte an, genau hinzuschauen. "Wir wollen genau wissen, wohin die Mittel fließen."

Bildungsexperten kritisieren, dass die Umsatzsteuer für die Lernmilliarde überwiegend anhand der Bevölkerungszahl auf die Länder verteilt wird. Das werde "dem Problem, das gelöst werden soll, in keiner Weise gerecht", sagte der frühere Abteilungsleiter in der Hamburger Bildungsbehörde, Detlef Fickermann hier im Blog. "Eine Verteilung nach der tatsächlichen Schülerzahl wäre das Mindeste." Ein wirklich fairer Verteilungsschlüssel, fügte Fickermann hinzu, würde jedoch auch berücksichtigen, "dass lernschwächere Kinder, Kinder aus Einwandererfamilien oder mit Eltern, die Hartz IV beziehen, besonders auf Unterstützung angewiesen sein werden".

StäwiKo: Der angewandte Verteilungsschlüssel auf die Länder ist "nicht zielführend"

Im Gegensatz zur Lernmilliarde, die über das Bundesbildungsministerium von Anja Karliczek (CDU) verhandelt wurde, fließt der Großteil der zweiten Milliarde übers Bundesfamilienministerium und bestehende Programme in die Länder, und dieses Geld sei, worauf Olaf Köller vom Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) hinwies, "sehr genau verplant: für die Sprachförderung in Kitas, für die Kinder- und Jugendhilfe, für außerschulische Lerngelegenheiten". Während die Länder mit der Lernmilliarde, sagte Köller, "so ziemlich machen (können), was sie wollen".

Die Verteilung anhand der bloßen Bevölkerungszahlen, kritisierte Köller weiter, führe dazu, "dass diejenigen Länder, in denen die Risikogruppen besonders groß sind, pro betroffener Schülerin oder betroffenem Schüler deutlich weniger werden ausgeben können. Das ist nicht zielführend, keine Frage. Das können wir aber nicht mehr ändern."

Köller ist Ko-Vorsitzender neuen "Ständigen wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz", die heute ihre Empfehlungen zur Umsetzung des Corona-Aufholprogramms vorgelegt hat. Entscheidend sei, betonten die 16 Bildungswissenschaftler, das knappe Geld auf diejenigen Kinder und Jugendlichen zu konzentrieren, die besonders gefährdet seien nach den Schulschließungen. "Weil sie beispielsweise in sozial benachteiligten Elternhäusern leben; weil ihnen schon vor der Krise das Lernen besonders schwerfiel", sagte Köller. Typischerweise seien Kinder und Jugendlichen nicht gleich übers Land verteilt, sondern häuften sich in einigen Kitas und Schulen. Besonders diesen gelte es jetzt zu helfen.

Am Freitag beschloss der Bundestag auch den Gesetzentwurf zur Einführung eines bundesweiten Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter. Damit erhöht der Bund seinen Anteil für den Infrastrukturausbau um 1,5 Milliarden auf dann 3,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig will er sich dauerhaft an den Kosten beteiligen, und zwar in aufsteigenden Summen bis hin zu 960 Millionen Euro pro Jahr. Dass der Rechtsanspruch gestaffelt nach Klassenstufen und mit 2026 erst ein Jahr später kommen soll als geplant, gebe den Ländern "Zeit, um die nötigen Vorkehrungen zu treffen", sagte Karliczek. Sie sprach von einem wichtigen "Signal an die Kinder und Familien in unserem Land, die gerade in den letz-ten Monaten großen Belastungen ausgesetzt waren".


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