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Das Nein der Union

Die Unionsfraktion im Bundestag will vor der Wahl keine größeren Vorhaben von SPD und Grünen mehr durchwinken. Was das Schicksal von WissZeitVG oder DATI endgültig besiegeln dürfte. Nachvollziehbar?

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Artikelbild: Das Nein der Union

Bild: Dimitris Vetsikas / Pixabay

DAS WAR'S offenbar mit größeren Gesetzen und Vorhaben für diese Legislaturperiode, zumindest in der Wissenschaftspolitik. Zumindest mit Unions-Beteiligung. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) sagte am Dienstag: "Wir werden keinem Gesetzentwurf der SPD und der Grünen zustimmen, der haushaltswirksam ist." Dies betreffe sämtliche derartigen Beschlüsse, die von der Koalition vorgetragen würden. Die Unionsfraktion sei "nicht das Ersatzrad an diesem verunglückten Wagen" der Ampel-Koalition.

Der CDU-Forschungspolitiker Stephan Albani konkretisierte am Donnerstag bei Table Media, was das für sein Feld bedeutet. Auf die Frage, ob es forschungspolitische Vorhaben der aktuellen Regierung gebe, die die CDU noch unterstützen würde, antwortete er: "Nein, aber das trifft den Kern nicht. Es ist eine grundsätzliche Überlegung, dass wir nur mittragen können, was auch von Anfang an mit uns verhandelt wurde. Vorhaben, die in drei Jahren nicht zum Abschluss gebracht wurden, können nicht mit der Brechstange ins Ziel gebracht werden. Außerdem ist alles, was haushaltsrelevant ist, grundlegend problematisch, weil die Ampel für 2025 keinen Haushalt mehr verabschieden konnte. Damit besteht keine Grundlage."

Unter den Ampel-Projekten, die sich nach dieser Definition erledigt hätten, falls SPD und Grüne keine Mehrheit abseits der Union finden, gehören unter anderem das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) und die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI), deren gesperrte Gelder freigegeben werde müssen. Die Batterieforschung, die sich heftig gegen Kürzungen wehrt, würde auch vor Sommer kein Geld mehr zugeschossen bekommen. Und dass etwa das von vielen in der Community ersehnte Forschungsdatengesetz ad acta gelegt wird, hat der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) bereits akzeptiert, erklärte am Montag in einem Brief an die Vorsitzenden aller Bundestagsfraktionen dafür eine weitreichende Verbesserung des Forschungsdatenzugangs für unverzichtbar nach der Wahl.

Zu Recht muss sich die Union fragen lassen, ob sie ihrer Verantwortung als größte Oppositionspartei in dieser krisenhaften Lage gerecht wird, erst recht vor dem Hintergrund, dass eine neue Regierung nicht vor Frühsommer und ein neuer Haushalt möglicherweise nicht vor Herbst steht. Die Sorge, mit dem Durchwinken von Vorhaben SPD und Grünen den Eindruck von Handlungsfähigkeit und damit womöglich ein paar Pluspunkte in der Wählergunst zu schenken, scheint schließlich das vorherrschende Antriebsmoment zu sein.

Es fehlte an Willen und Können

Die wirklich Verantwortliche aber ist eine andere. Ob WissZeitVG, DATI oder andere: BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat sie über Jahre nicht über die Ziellinie bekommen, sei es aus parteipolitischer Taktiererei, der Unfähigkeit zum Kompromiss, dem ständigen Gezerre der Koalitionspartner oder einfach schlechtem Handwerk der nach Loyalität zusammengestellten Führungsriege des Ministeriums. Oft war von außen nicht nachvollziehbar, warum das alles so lange dauern musste, oft drängte sich der Eindruck auf: Es fehlt an Willen und an Können.

Vielleicht steuert die Union nach der für den 16. Dezember geplanten Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz in Teilen doch noch um. Es wäre jedenfalls bitter, wenn viel Arbeit sich als vergeblich herausstellen sollte. Etwa all das Engagement der ehrenamtlichen DATI-Gründungskommission, die den Großteil ihres Jobs bereits vor einem Jahr erledigt hatte, als die Ausschreibung für den Chefposten der neuen Agentur fertig war. Die seitdem auf Halde lag. Am Morgen des Koalitionsbruchs folgte endlich der von der Koalition ebenfalls über Monate verschleppte Kabinettsbeschluss des Gründungskonzepts. Wenn es jetzt nicht gelingt, die vom Haushaltsausschuss gesperrten Gelder für 2024 freizugeben, wenn Özdemir jetzt nicht die Gründung in Angriff nimmt, ist die DATI nicht nur für diese Legislaturperiode erledigt. Sie dürfte es auf Dauer sein, denn die Union lässt seit Monaten durchblicken, dass sie die neue Agentur in der jetzigen Form eigentlich gar nicht will. Obwohl der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek selbst Mitglied der Gründungskommission war.

Ein Lichtblick gibt es in der Bildungspolitik. Bei ihren unter Stark-Watzinger ebenfalls fast gegen die Wand gefahrenen Verhandlungen zum Digitalpakt 2.0. scheinen BMBF und Länder auf die Zielgerade einzubiegen, ein Abschluss bei der Bildungsministerkonferenz am 13. Dezember schien zuletzt möglich. Unter Beteiligung etlicher CDU-Landesminister. Um solch ein positives Signal zu senden, und zwar über die Legislaturperiode hinaus, bräuchte es noch nicht einmal den Deutschen Bundestag. Die Frage nach der haushaltspolitischen Unterlegung ist dann wieder eine andere.


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