Direkt zum Inhalt

Verschleppt bis zum bitteren Ende

Ausgerechnet eine Bundesagentur, deren Gründung helfen sollte gegen Deutschlands Innovationsschwäche, wird zum Inbegriff der Misere. Jetzt bleibt für die DATI nur noch die Hoffnung auf die nächste Koalition.

Bild
Artikelbild: Verschleppt bis zum bitteren Ende

Symbolbild KI-generiert.

SIE SOLLTE EINEM UNTERNEHMEN mehr ähneln als einer Behörde, politisch unabhängig agieren und große Freiheiten erhalten, um unorthodoxe Förderformate zu entwickeln: die staatliche "Deutsche Agentur für Transfer und Innovation", kurz DATI.

Ihre Mission: das erleichtern, was in Deutschland allzu oft nicht klappt. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse in neuen Wohlstand und Wirtschaftswachstum umzumünzen. Oder, wie es die DATI-Gründungskommission, geleitet vom früheren Xing-Chef Stefan Groß-Selbeck, formulierte: Innovationen aus Hochschulen und Wissenschaft "zielgerichtet, effizient und nachhaltig zugunsten der Produktivität der Unternehmen und der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger" einzusetzen.

Doch hat das BMBF unter Ex-Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zwei Staatssekretäre, ungezählte Konzeptentwürfe und drei Jahre gebraucht, um die DATI-Gründung überhaupt so weit vorzubereiten, dass das Bundeskabinett grünes Licht geben konnte.

Zwischendurch sperrte der Haushaltsausschuss des Bundestages, um Handlungsdruck zu erzeugen, einen Großteil des Geldes, das BMBF veranstaltete sogenannte "Stakeholder"-Konferenzen, deren Sinn sich kaum erschloss, und spielte mit Pilot-Wettbewerben auf Zeit.

Unterdessen lag die Stellenausschreibung für den einflussreichen Agentur-Chefposten, von der – überhaupt erst im Herbst 2023 eingesetzten – Gründungskommission mit Hochdampf erstellt, seit Ende 2023 auf Halde. Auch die Empfehlungen der Kommission zum DATI-Start waren seit Sommer fertig. Die 16 ehrenamtlichen Mitglieder aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden, Start-ups und Bundestag machten ihren Job, so schnell sie konnten.

Bekommt DATI eine zweite Chance?

Dass die Regierung hingegen erst am Morgen des Ampelbruchs, dem 6. November, das DATI-Konzept freigab, war insofern symbolisch. Verschleppt, bis es zu spät war. Seitdem passierte: nichts mehr. Die Grünen haben die DATI-Gründung zwar in neues Wahlprogramm geschrieben, die SPD in ihren Entwurf, doch ausgerechnet in dem von CDU/CSU, den Parteien mit den derzeit besten Regierungschancen, fehlt sie. Von "Ampel"-Bauruinen, die man nicht fertig bauen wolle, reden manche im Hintergrund.

 

Einige hatten die Hoffnung, die Rest-Koalition werde, wenn schon allein nicht die gesperrten DATI-Gelder freigeben können, zumindest die formale Gründung noch durchziehen, um Tatsachen zu schaffen. Doch egal, ob man das für politisch angemessen gehalten hätte oder nicht: Auch diese Option hat sich erledigt.

Denn, wie jetzt bekannt wird, hat die Bundesregierung das für die Einrichtung einer bundeseigenen GmbH erforderliche Genehmigungsverfahren unter Beteiligung von BMBF und Finanzministerium nie begonnen, einen Prozess, den man vor Monaten hätte anstoßen müssen, lange vor dem Ampel-Aus.

Vielleicht erhält die DATI in der nächsten Legislaturperiode ja doch noch eine zweite Chance. Zu wünschen wäre es. Bis dahin gilt: Ob aus Unfähigkeit, mangelndem Willen, Bürokratismus oder einer Mischung von alldem – ausgerechnet eine Bundesagentur, deren Gründung helfen sollte gegen Deutschlands Innovationsschwäche, wurde zum Inbegriff der ganzen Misere.

Dieser Kommentar erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.


Jahresendspurt:
Bitte unterstützen Sie den Blog

Aktuell fehlen noch 9.400 Euro für dieses Jahr. Mit Ihrem Engagement ermöglichten Sie, dass dieser Blog existieren kann. Und Sie helfen, dass seine Beiträge für alle zugänglich bleiben.

Mehr lesen...

Kommentare

#2 -

Wolfgang Kühnel | Fr., 27.12.2024 - 19:06
Ich möchte nur anmerken, dass offenbar nahezu alle Hochschulen bereits eine Transfer-Abteilung haben, hier die von der TU Berlin:

https://www.tu.berlin/themen/transfer

Es stellt sich die Frage, wie das alles vernetzt werden soll, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Ein Aufbau zusätzlicher Bürokratie ist immer auch problematisch.

#3 -

wisser | Mi., 15.01.2025 - 01:00
"Vielleicht erhält die DATI in der nächsten Legislaturperiode ja doch noch eine zweite Chance. Zu wünschen wäre es"
Der einzige Vorteil einer Agentur wie Dati ist, dass deren Chef dann (auf Steuerzahlerkosten) wohl alles das tun darf, was dem weiland Fraunhofer-Präsidenten Neugebauer den Job gekostet hat.

Neuen Kommentar hinzufügen

Ihr E-Mail Adresse (wird nicht veröffentlicht, aber für Rückfragen erforderlich)
Ich bin kein Roboter
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.

Vorherige Beiträge in dieser Kategorie


  • Artikelbild: Es hat keine politische Führung gegeben

Es hat keine politische Führung gegeben

Der Kanzler stellt seine Vertrauensfrage, und dann? Michael Hüther ist Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft und einer der bekanntesten Ökonomen Deutschlands. Er fordert von der nächsten Regierung 600 Milliarden Euro Investitionen in Infrastruktur, Wirtschaft und Bildung. Dazu will er einen Infrastruktur- und Transformationsfonds in der Verfassung verankern.


  • Artikelbild: Mehr Dieter Schwarz wagen

Mehr Dieter Schwarz wagen

Milei und Musk? Ohne laute Worte und populistische Parolen baut Lidl-Gründer Dieter Schwarz eine Stadt zur Innovationshochburg um. Ein Modell für Deutschland – wenn wir es sehen wollen.


  • Artikelbild: Das Nein der Union

Das Nein der Union

Die Unionsfraktion im Bundestag will vor der Wahl keine größeren Vorhaben von SPD und Grünen mehr durchwinken. Was das Schicksal von WissZeitVG oder DATI endgültig besiegeln dürfte. Nachvollziehbar?


Nachfolgende Beiträge in dieser Kategorie


  • Artikelbild: Ein Kämpfer

Ein Kämpfer

Thomas Jarzombek. Start-up-Gründer schon im Studium, Regierungsbeauftragter für Luftfahrt und digitale Wirtschaft – und heute der bekannteste Wissenschaftspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Porträt eines Aufsteigers, der Underdogs mag.


  • Artikelbild: Blaming und Shaming als Standortstrategie

Blaming und Shaming als Standortstrategie

Deutschlands Problem ist nicht seine Modernisierungskrise. Sondern die fehlende Bereitschaft, sich seinen Problemen ernsthaft zu stellen. Ein Essay zum Jahresanfang 2025.


  • Blog

Zeit zum Springen

Warum die nächste Regierung ein Bundesministerium für Wissenschaft, Innovation und Digitales braucht. Und warum ein Bundesministerium für Bildung und Jugend die nicht weniger wichtige Kehrseite wäre.