Mehr Dieter Schwarz wagen
Milei und Musk? Ohne laute Worte und populistische Parolen baut Lidl-Gründer Dieter Schwarz eine Stadt zur Innovationshochburg um. Ein Modell für Deutschland – wenn wir es sehen wollen.

Foto: Blick auf Heilbronn (Screenshot der Website der Dieter-Schwarz-Stiftung).
"MEHR MILEI UND MUSK WAGEN", hat Christian Lindner neulich gefordert. Nach heftiger Kritik, er unterstütze "rechtspopulistischen Turbokapitalismus", ruderte der FDP-Chef ein Stück zurück. Die beiden seien "jetzt im Stil nicht meine Vorbilder, aber eine Prise Disruption, Reformfreude und Innovationskraft könnten wir schon brauchen", postete er auf "X".
Womöglich sollte sich Linder bei der Suche nach Schlagwort-Parolen nächstes Mal im Inland umschauen. Und würde dann in Heilbronn landen. Lidl-Gründer Dieter Schwarz baut die Stadt Stück für Stück zu einer Innovationshochburg um, die in Form und Zusammensetzung deutschlandweit einzigartig zu werden verspricht.
2017 lockte die "Dieter-Schwarz-Stiftung" die TU München (TUM) an, seit langem in internationalen Ranglisten die bestplazierte deutsche Universität. Die Filiale einer bayerischen Uni in einem anderen Bundesland: ein Novum. 2023 verkündete die ETH Zürich, wiederholt die kontinentaleuropäische Nummer 1 im Times-Ranking, dass sie, unterstützt von Schwarz, ebenfalls eine Dependance in Heilbronn eröffnet.
Die Fraunhofer-Gesellschaft ist seit 2019 in der Stadt, vergangene Woche der nächste Hammer: Von 2025 an sollen insgesamt acht "Fraunhofer Forschungs- und Innovationszentren" in Heilbronn operieren. Die Max-Planck-Gesellschaft bestätigte diesen Sommer, dass auch sie sich in Gesprächen mit der Stiftung befinde.
Alles dreht sich in Heilbronn um Forschung und Entwicklung in den Zukunftstechnologien: Digitalisierung und künstliche Intelligenz, Cybersicherheit bis Quanten-KI. Die TUM steuert Studiengänge bei, die Management, Technik und Informatik verbinden.
Ein Milliardär, dessen persönliche Zurückhaltung manchem schon wieder unheimlich ist
Besonders an alldem ist nicht nur das strategisch erzeugte Neben- und Miteinander internationaler Spitzeninstitutionen, sondern das Engagement eines regional verwurzelten Milliardärs, der keinerlei politisch-autoritäre Reden schwingt, dessen persönliche Zurückhaltung manchem schon wieder unheimlich ist.
Deutschlands Weg aus der Innovationskrise? Nicht "mehr Milei und Musk". Sondern "mehr Dieter Schwarz". Keine Frage: Ohne ein staatliches Investitionsprogramm für Wissenschaft und Bildung wird es nicht gehen. Aber das reicht nicht. Seit einem Jahrzehnt stagnieren die Drittmittel privater Förderer an deutschen Hochschulen.
Es braucht auch mehr unternehmerisches Engagement aus gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein heraus. Und mehr Anerkennung für dieses Engagement durch Wissenschaft und Gesellschaft, die besser differenzieren müssen, als private Investitionen in Forschung und Lehre reflexartig kritisch und als Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit zu sehen.
Leider führen Parolen wie die von Christian Lindner eher zum Gegenteil.
Dieser Kommentar erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.
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Kommentare
#1 - Sind die Recherchen/Kritikpunkte von FragDenStaat demnach…
#2 - Danke, Jan-Martin Wiarda, für diese Würdigung des…
Manche sehen vor lauter ideologischer Blindheit nicht, dass die Zukunftslösungen längst in Deutschland entstehen - auch mit Partnern aus anderen Ländern.
Der Heilbronner Bildungscampus ist somit auch ein herausragendes Beispiel für das Wachstum transnationaler Forschungsexzellenz in Deutschland. Denn mit von der Partie sind mit der ETH Zürich inzwischen auch weitere internationale Partner.
Dafür muss man andere Wege gehen, als dies bisher der Fall war. Die Dieter-Schwarz-Stiftung zeigt, wie es geht.
https://ethz.ch/staffnet/de/news-und-veranstaltungen/intern-aktuell/archiv/2024/07/ein-team-in-zuerich-fuer-das-lehr-und-forschungszentrum-in-heilbronn.html
#3 - Ich möchte noch die Aspekte "Entscheidungsfreude" und…
In meinen Augen ein schönes Beispiel für Geduld (im Wissenschaftsbetrieb unerlässlich) einerseits, den Mut zu Richtungswechseln andererseits.
#4 - Ich bin mir unsicher, ob es so wünschenswert ist, aber…
#5 - In der KI spielt weder die TUM noch die ETH vorn mit. Die…
#6 - Im Hinblick auf den Kommentar #1 frage ich mal: Sollen wir…
#7 - Lieber Herr Wiardakann Ihre Sichtweise nur unterstützen,…
kann Ihre Sichtweise nur unterstützen, ja, mehr "Dieter Schwarz wagen", und nicht jedes private Engagement gleich verteufeln, böse Einflussnahme wittern, Ökonomisierung der Hochschulen befürchten. Hat sich alles nicht bewahrheitet. Vielmehr wird hier ein einzigartiger Campus geschaffen.
#8 - Mehr SchwarzMehr PlattnerUnd mehr Zukunftsorientierte…
Mehr Plattner
Und mehr Zukunftsorientierte Politik
#9 - Zu #7: Die US-Amerikaner haben ja schon entschieden: "mehr…
#10 - Die Überschrift hier fragt "wenn wir es sehen wollen". Es…
#11 - @ #11: Gar nicht. Aber ein Milliardär kann sich auch einen…
Für die Dieter-Schwarz-Stiftung ist klar: Wenn das Geld, dass sie einbringt, keinen wirtschaftlichen Nutzen aus Kooperationen in der Region erzeugt, sind auch schnell wieder die Gelder weg.
Wie es aber ausgegeben wird, dafür sind TUM und Co. zuständig, das Beste daraus zu machen.
Aber welche andere Strategie haben wir denn, um weltweit ein Zeichen zu setzen? Zu hoffen, dass das nächste BMBF-Projekt für einen Leuchtturm sorgen wird? Gerade die Wissenschaft wird doch immer wieder damit konfrontiert: Wo schaffen wir es wirklich, voran zu kommen und nicht einfach von einer Vertragsverlängerung zur nächsten zu hecheln.
Die Wirtschaft entfernt sich meiner Meinung nach immer weiter von der lokalen Wissenschaft. Das belegen schon die DFG-Zahlen und kann nicht gesund sein. Daher ja: Mehr Dieter Schwarz wagen, weniger würde uns allen nichts bringen.
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