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Warum Wissenschaftler gerade jetzt optimistisch bleiben müssen

Inmitten von Krisen, Rechtsruck und Budgetkürzungen liegt eine unerwartete Chance: Die Wissenschaft wird von der Gesellschaft mehr gebraucht denn je. Eine Anleitung zum optimistischen Handeln.

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Artikelbild: Warum Wissenschaftler gerade jetzt optimistisch bleiben müssen

Dieses Bild macht sich die KI beispielhaft von einer Gruppe optimistischer Wissenschaftler.

ES IST PARADOX: In einer Zeit, in der Wissenschaftler in Deutschland jede Menge Anlass haben, pessimistisch in die Zukunft zu blicken, ist ihr Optimismus so sehr gefragt wie lange nicht.

Eine unvollständige Liste von Gründen, pessimistisch zu sein: die absehbar bis nächsten Sommer dauernde vorläufige Haushaltsführung im Bund mit entsprechend ungewissen Perspektiven für bestehende Förderprogramme und neue Großvorhaben wie die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation. Ein nur eingeschränkt strategiefähiges Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Drohende Nullrunden und Rechtsdruck

Oder auch: Der Streit um Wissenschaftszeitvertragsgesetz, der jetzt bis in die nächste Legislaturperiode schwelen könnte. Die Meldungen über drohende Nullrunden oder gar reale Kürzungen in den Hochschuletats mehrerer Länder. Die Migrationsdebatte, die auch die Offenheit der Hochschulen bedroht. Überhaupt die Diskursverschiebung nach rechts, die besonders Disziplinen wie die Klimaforschung oder Genderwissenschaften infrage stellt.

Und das sind nur ein paar der wissenschaftsspezifischen Sorgenthemen. Hinzu kommen die internationalen Eskalationsspiralen, die Angst vor einer weiteren Ausweitung von Krieg und Gewalt, die Folgen des Klimawandels, der erstarkende Antisemitismus und Rassismus, die Schwäche des Westens und Deutschlands offensichtliche Modernisierungsdefizite. Allesamt treiben sie Wissenschaftler genauso um wie alle anderen Menschen.

Tatendurst und Tatkraft

Dabei ist klar: Die meisten, wenn nicht alle diese Krisen lassen sich nur unter Mitwirkung der Wissenschaft und mithilfe neuer Erkenntnisse lösen. Das erfordert gerade jetzt von der Wissenschaft Tatendurst und Tatkraft, den Mut anzupacken und im Zweifel laut zu werden. Das alles schafft nur, wer optimistisch ist. Aber woher den Optimismus nehmen? Meine Antwort hat vier Teile.

Erstens: Vom Ende her denken. Welche Welt, welches Land wünschen wir uns in zehn, 20 Jahren? Was kann mein konkreter Beitrag dazu sein? Denn zweitens gehört auch das zum Wesen von Krisen: Es gibt mehr Gelegenheiten zum Weltretten. Zumal drittens mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus kein auch nur annähernd vergleichbarer Abstieg des öffentlichen Vertrauens in Wissenschaft verbunden war. Die Gesellschaft wartet auf die Wissenschaft.

Und viertens: Je offenbarer Deutschlands Innovationsrückstand wird, desto stärker werden künftige Bundesregierungen auf Forschung und Entwicklung setzen. Es ist ihre letzte Karte, und sie werden sie zücken. Ich rechne schon bald mit erheblichen Investitionsprogrammen.

Die Wissenschaft sollte vorbereitet sein und im Gegenzug Strategien anbieten, die in Lösungen denken, nicht wie bislang allzu oft in institutionellen oder disziplinären Strukturen. Welch motivierende Aussicht: Eine Wissenschaft, die sich so schnell ändert wie ihre Herausforderungen. Nein, das entscheidende Stück schneller.

Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.


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