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Die Lauten vom DHV: Wie die Gewerkschaft der Professoren der Hochschulrektorenkonferenz die Schau stiehlt

Neulich lud der Deutsche Hochschulverband (DHV) wieder zur großen Show. Die Gala der Deutschen Wissenschaft stieg im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, und alle waren da: Minister, Spitzenforscher, Medienmacher, sogar ein Nobelpreisträger. Und wie es sich für eine Gala gehört, wurden, gesponsert unter anderem vom ZEIT-Verlag, reichlich Preise verteilt: Theresia Bauer wurde Wissenschaftsminister des Jahres, Ex-Ifo-Chef Hans-Werner Sinn Hochschullehrer des Jahres, und Stephan Dabbert aus Hohenheim durfte sich als Rektor des Jahres feiern lassen.

Zu einem anderen Termin, der am 9. Mai ansteht, müssen die Gäste weiter rausfahren, nach Berlin-Dahlem, zum Henry-Ford-Bau der Freien Universität. Es ist die Jahresversammlung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Vor holzgetäfelten Wänden wird Wissenschaftsministerin Johanna Wanka einen Vortrag halten, Berlins Wissenschaftssenatorin spricht ein Grußwort. Damit sind die wichtigsten Programmpunkte der Versammlung abgehakt. Zumindest des Teils, der nicht aus Gremiensitzungen besteht.

Beide Veranstaltungen wären nicht weiter bemerkenswert, doch stellt man sie nebeneinander, ergeben sich Fragen. Wer feiert hier eigentlich wen? Welche Organisation hat welchen Auftrag? Und was hat der strahlende Auftritt des einen mit der Krise des anderen zu tun?

»Der DHV stößt in das Vakuum, das sich aus der Schwäche der HRK ergibt«, sagt George Turner, der früher Uni-Rektor, Wissenschaftssenator und Chef der Rektorenkonferenz war. Anders ausgedrückt: Während die Vereinigung von 268 Hochschulen sich in internen Runden auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt, übt der DHV – die Gewerkschaft der Uni-Professoren – die großen Gesten. Man kann das als Stichelei eines Ehemaligen abtun. Allerdings äußern sich amtierende Hochschulchefs unter der Hand ähnlich. Über den HRK-Slogan – »Die Stimme der Hochschulen« – könne er nur lachen, sagt ein Rektor. Ein anderer sagt, die Gräben zwischen FHs und Universitäten seien tief wie nie, die Gemeinsamkeiten erschöpften sich im Bemühen, den Einfluss der anderen Seite zu begrenzen. Und wenn die HRK mal mit einer Stimme spreche, sei es nur die der Chefs, nicht die der Hochschulen als Ganzes – ein Umstand, den auch der DHV nie zu erwähnen vergisst, um dann auf die Basis seiner 30 000 Mitglieder zu verweisen.

Ist der DHV am Ende die bessere HRK, zuständig fürs Große und Ganze? Zumindest tut er so.

Richtig in Schwung gekommen ist der DHV, seit er die Sache mit den Preisen entdeckt hat. Er prämiert den Studenten, den Nachwuchswissenschaftler und die Wissenschaftsstiftung des Jahres, er vergibt den Deutschen Hochschulbaupreis und den Deutschen Hochschulfundraisingpreis. Die Erkenntnis: Es ist nicht wichtig, wer eine Auszeichnung verleiht, solange man Leute findet, die sie für begehrenswert halten. Wer weiß schon, dass bei den Wahlen zum Minister und Rektor des Jahres nur die DHV-Mitglieder stimmberechtigt sind, von denen rund 3000 mitmachen und gerade mal 407 für die Erstplatzierte Theresia Bauer gestimmt haben?

Sonst kommt es vor allem darauf an, wohin man sich selbst stellt. Und so sorgt sich Verbandspräsident Bernhard Kempen, im Hauptberuf Juraprofessor in Köln, um die Folgen der Bologna-Reform für Studenten, fordert eine Exzellenzinitiative ohne Zukunftskonzepte und reklamiert das Recht zur Akkreditierung von Studiengängen für die Hochschulen. Dass alle Ideen wundersam mit den Interessen des Verbandes zur Deckung kommen, versteht sich von selbst. »Der DHV hat ein pfiffiges Marketing, das muss man ihm lassen«, sagt Josef Lange, Ex-Staatssekretär und Ex-Generalsekretär der HRK. »Das ist ein Verband, der Professoreninteressen vertritt und sie ansehnlich als Gemeinwohl verpackt.«

Tatsächlich fürs Gemeinwohl zuständig wäre wohl die HRK. Doch die zerfleddert weiter. Gastgeber am 9. Mai ist ausgerechnet FU-Präsident Peter-André Alt. Der hat noch einen anderen Job: Er ist Vorstand der U15, einer von einem halben Dutzend Clubs, die Hochschulen mittlerweile gegründet haben und von denen George Turner sagt: »Wenn man als Dachorganisation zulässt, dass sich solche Gruppierungen verselbstständigen, hat man ein Problem.«

HRK-Präsident Horst Hippler sagt, er habe mit den Clubs kein Problem. Was soll er auch sagen? Bevor er 2012 Chef aller Rektoren wurde, war er Chef der TU9, des Bundes der nach eigenen Angaben »führenden« Technischen Universitäten. Er wolle Schluss machen mit dem Harmoniegetue, hatte Hippler vor seiner Wahl angekündigt – und sich damit von seiner Vorgängerin an der HRK-Spitze, Margret Wintermantel, abgegrenzt. Die hatte versucht, das Auseinanderdriften zwischen großen und kleinen Unis, zwischen Universitäten und FHs durch ein Übermaß an öffentlicher Diplomatie zu verhindern. Hippler tat das Gegenteil und erntete noch mehr Kritik.

Die HRK in der Krise? DHV-Chef Kempen sagt: »Da kommen mir keine Mitleidstränen.« Ohnehin will er lieber über seinen Verband reden. »Es ist uns gelungen, ihn in seiner Unabhängigkeit noch unabhängiger zu machen«, sagt der Jurist. Durch zusätzliche Einnahmen aus Seminaren, Coachings – und übrigens auch academics, einem gemeinsamen Stellenportal mit der ZEIT-Verlagsgruppe. »Wir wollen anecken. Bei der HRK bin ich mir da nicht so sicher.«

Allerdings sieht es auch nach einer unlösbaren Aufgabe aus: einer Organisation ein schlagkräftiges Äußeres zu geben, die intern uneins ist. Offenbar hat das auch Hippler gemerkt, denn inzwischen sagt er: »Wir müssen als HRK nicht immer laut sein. Es kommt darauf an, was wir im Austausch mit der Politik und den anderen Wissenschaftsorganisationen erreichen.« In den vergangenen Jahren seien viele präzise Positionspapiere entstanden, die in der Politik Beachtung fänden. Die HRK hat ihre neue Hauptstadtrepräsentanz bezogen, größer als die alte, und will mittelfristig komplett nach Berlin ziehen. Auch berät sie die Hochschulen, etwa in Sachen Internationalisierung oder bei der Verbesserung der Lehre.

Ist das die Arbeitsteilung der Zukunft: Die HRK bietet guten Service und macht die Lobbyarbeit bei den Konsensthemen? Die Hochschulclubs U15, TU9 und Co. kümmern sich um die Partikularinteressen, und für den Rest sind die Profs vom DHV zuständig?

Natürlich nicht, sagt Horst Hippler – Preise etwa seien aber nur bedingt sinnvoll. Widerspruch kommt auch von anderer Seite. Die Qualität der HRK-Papiere sei keineswegs so herausragend wie behauptet, sagt Josef Lange. Im Grunde habe die HRK seit dem Ende von Klaus Landfrieds Präsidentschaft 2003 ihre konzeptionelle Arbeit weitgehend eingestellt – »zumindest in dem Sinne, dass die Politik darauf aufbauen könnte«. George Turner wiederum meint: Das letzte Mal, dass die HRK stimmig agiert habe, sei vor 1995 gewesen, als die Fachhochschulen noch ihren eigenen Verband gehabt hätten.

Zur Spaltung zurück will kaum keiner. Doch welche Zukunft hat die HRK? »Die HRK muss aufhören, sich vom DHV den Schneid abkaufen zu lassen«, sagt ein Hochschulpräsident. Sie brauche den Mut zum Sich-selbst-Feiern. Noch wichtiger sei ein gemeinsames, alle vereinendes Thema. Zum Beispiel, wie die Hochschulen gegenüber einer übergriffiger werdenden Politik ihre Autonomie bewahren. »Doch dazu fehlt das Konzept.« Diese Woche ist die nächste Gelegenheit, es zu finden.

Dieser Artikel erschien zuerst in der ZEIT.

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