Hans-Ulrich Wittchen: Habe lege artis gearbeitet
Er soll laut Bericht einer Untersuchungskommission umfangreiche Studiendaten manipuliert haben, die Dresdner TU-Rektorin Staudinger zeigte sich "tief erschüttert". Jetzt meldet sich der Beschuldigte selbst zu Wort und kritisiert das Vorgehen seiner ehemaligen Universität als "unrechtmäßig sowie akademisch wie menschlich unakzeptabel".
AM FREITAG HATTE SICH die Dresdner Rektorin Ursula M. Staudinger "tief erschüttert" gezeigt über den Fall Wittchen und von einer "bemerkenswerten, außergewöhnlichen, ja unerhörten Konstellation von Verfehlungen" gesprochen. Staudinger reagierte damit auf einen Bericht, in dem die im Frühjahr 2019 eingesetzte Prüfkommission unter Vorsitz des Hamburger Juristen Hans-Heinrich Trute ihr Untersuchungsergebnis vorgelegt hatte. Demzufolge soll der bekannte Psychologieprofessor Hans-Ulrich Wittchen umfangreiche Studiendaten manipuliert und später versucht haben, die mutmaßlichen Vergehen zu verschleiern und ihre Aufklärung zu behindern.
Jetzt meldet sich der Beschuldigte selbst zu Wort. In einer am Sonntag von seinem Anwalt verbreiteten Stellungnahme kritisiert Wittchen das Vorgehen der Technischen Universität Dresden (TUD) als "unrechtmäßig sowie akademisch wie menschlich unakzeptabel". Es handle sich um eine "gravierende Verletzung der Fürsorgepflicht" gegenüber einem pensionierten ehemaligen Professor der TUD.
Wittchen sollte mit seinem Team im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die Personalausstattung in den deutschen psychiatrischen Kliniken untersuchen und außerdem die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter – um auf diese Weise eine empirische Grundlage zu schaffen für die künftige Personalausstattung der Kliniken. Doch sollen anders als in der Studienendfassung angegeben nicht 93, sondern lediglich 73 Kliniken tatsächlich besucht worden sein. Beim Rest sei es unter anderem zu den angesprochenen Datenmanipulationen gekommen, berichtet die Kommission. Wittchen habe auch Mitarbeiter dazu gedrängt.
Wittchen: TUD hat erst die Universitätsöffentlichkeit informiert und dann mich
Wittchen kritisiert in seiner am Sonntag verbreiteten Stellungnahme, dass die TU Dresden ohne vorherige Rücksprache mit ihm bereits am 25. Februar per Rundschreiben alle Mitarbeiter und Studierende über den Kommissionsbericht informiert habe, dessen Inhalte seien auch an die Medien gelangt. Ihm jedoch sei erst am Sonntag, zwei Tage nach dem Rundschreiben, der Bericht übermittelt worden.
Wittchen verweist zudem auf seine von der Kommission angeforderte "umfangreiche und detaillierte Stellungnahme", bestehend aus "260 Seiten mit drei Aktenordnern mit Belegen und Gegenbeweisen", die er Anfang Februar übermittelt habe.
Zu Wittchens Anhängen hatte die Kommission im Bericht geschrieben, sie sehe "sich nicht in der Pflicht, über die hier dargestellten Aspekte hinaus die Anhänge weiter zu prüfen und darzustellen, obwohl sie alle 200 Anmerkungen und die vorgelegten Dokumente einem Plausibilitätstest unterzogen hat".
Wittchen betont, für ihn sei daher "fraglich, ob und inwieweit das Rektorat meinen Widerspruch gegen die in diesem Bericht erhobenen massiven Vorwürfe überhaupt zur Kenntnis genommen hat."
Der Streit um die "Imputationen"
Inhaltlich äußert sich Wittchen zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen wie folgt: "Ich habe bereits zu Beginn des Ombudsmanns-Verfahrens den Fehler eingeräumt und die Verantwortung dafür übernommen, dass die für eine Zwischenauswertung gebotenen Maßnahmen (Imputationen), von allen unbemerkt und ohne Einfluss auf die Ergebnisse, im Submissionsbericht verblieben sind, die wir dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), dem Auftraggeber der Studie, übermittelt haben."
Ebenso räume er ein, dass "wie bei jedem unter Zeitdruck entstandenen ersten Submissionsbericht Details der inhaltlichen Darstellung und Methodenbeschreibung sowie der abschließenden Datenaufbereitung noch nicht vollständig eingearbeitet waren". Darauf sei im Vorwort des Berichtes an den GBA auch hingewiesen worden. Doch sei dies für ein noch sechs Monate laufendes Forschungsvorhaben unter Zeitdruck nicht ungewöhnlich und zudem eine vertraglich geschuldete Aufgabe.
In ihrem Bericht hatte die Untersuchungskommission auf die von Wittchen gemachten Einwände unter anderem erklärt: "Völlig unabhängig von der Frage, ob der Bericht vom 21. Dezember 2018 ein Schlussbericht war, ist der Projektleiter der Auffassung, dass die Darlegungen in einem Zwischenbericht nicht erforderlich seien. Die Kommission teilt weder die Umdefinition zu einem Zwischenbericht noch die blanke Annahme, Anforderungen der guten wissenschaftlichen Praxis würden nicht für etwaige Zwischenberichte gelten. Auch ansonsten hält die Kommission die Bewertung der fehlenden Fachgerechtigkeit der behaupteten Imputationen aufrecht."
Weiter schreibt Wittchen in seiner am Sonntag an die Medien verbreiteten Stellungnahme, er bedauere auch, "dass es im Stress des Berichts zu kommunikativen Problemen mit drei (von 40) Mitarbeitern gekommen ist."
Die Untersuchungskommission hatte Zeugenaussagen aufgelistet, denen zufolge es im Projektverlauf wiederholt zu "Brüllen und Tränen" gekommen sei, von Wutausbrüchen Wittchens und Beleidigungen war die Rede. Mitarbeiter seien verängstigt gewesen.
Wittchen: Die in Presseberichten getroffene Aussage, die "Studie sei gefälscht" weise ich zurück
Wittchen bekräftigt derweil seine Auffassung, "dass ich lege artis gearbeitet habe und dass die Studie wissenschaftlich korrekt erstellt ist. Die in Presseberichten getroffene Aussage, die ‚Studie sei gefälscht‘ weise ich zurück. Es hat keine Manipulationen gegeben. Einzelheiten hierzu sind Gegenstand eines Rechtsstreits und der fachlichen Expertenprüfung. Ich gehe davon aus, dass sich dabei durch einen neutralen, durch das Gericht bestellten fachlichen Sachverständigen die Ordnungsgemäßheit der Studie erweisen wird."
Und was die Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten bei Reisekostenabrechnungen und Verträgen angehe, "habe ich begonnen, die Sachverhalte durch die Anforderung von Unterlagen bei der GWT zu klären."
Die "Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer", kurz GWT, ist eine Tochtergesellschaft der TU Dresden AG. Die Studie Wittchens war unter ihrem Dach durchgeführt worden.
Die ZEIT hatte berichtet, Wittchen solle auch Gelder aus dem Forschungsprojekt zweckentfremdet haben. So solle er einen zweifelhaften Arbeitsvertrag mit seiner eigenen Tochter geschlossen haben, die Projektmitarbeiter nach eigenen Angaben nie zu sehen bekommen hätten, die aber dennoch insgesamt mehr als 40.000 Euro erhalten haben soll.
Kommentare
#1 - Mit Erstaunen verfolgt man die Berichterstattung an…
Exzellenz geadelten Universitäten. An der TU Dresden hat ein wohl maßgeblich an der Exzellenzwerdung beteiligter und inzwischen nach offenbar gründlichem Verfahren
erheblicher Verfehlungen überführter Emeritus breite
Gelegenheit, sich zu rechtfertigen. An der zur Exzellenz aufgestiegenen Universität Hamburg obliegt ein weltweit geschätzter Physiker wegen seiner Indizienkette zum
Corona-Problem entweder einer deftigen Cancel-Praxis
oder er wird "entsetzt" verschwiegen. Da ist jemand sehr
besorgt wegen der Gefahr der B-Waffen-Forschung, aber
vielleicht hätte er als Fachmann besser die Bundes-Regierung beraten sollen, daß man für Corona-Impfstoffe
dringend Nano-Partikel benötigt.
#2 - Menschen die bezüglich ihres Gewissens eingeschränkt sind…
Eine radikal transparente Aufarbeitung inklusive der Einrichtung eines Sicherheitsnetzes zur Prävention derartig destruktiven Verhaltens ist notwendig. Der ehemalige TU-Reaktor hat hier seiner Nachfolgerin eine erheblich herausfordernde Aufgabe hinterlassen bei der sie hoffentlich alle Unterstützung erhält, die sie benötigt.
#3 - Die große Tragik ist, dass Wittchen erheblichen Einfluss…
#4 - Vllt sollten die Neider richtig lesen. Imputation en sind…
#5 - Die neue Rektorin der TUD sagte im Interview vom 26.2.21:…
Wurde mittlerweile die Unschuld von Prof. W. erwiesen, hat man sich wieder zusammengerauft oder was ist da los?
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