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Warum Frauen Teilzeit und Männer Karriere machen

In der Mitte des Lebens, wenn Männer Karriere machen, machen Frauen Teilzeit.“ Diesen Satz hat der Soziologe Hans-Peter Blossfeld vor vier Jahren in einem ZEIT-Gespräch zu mir gesagt. Daran musste ich denken, als ich heute im Tagesspiegel einen Artikel von Jutta Allmendinger, der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, las (leider noch nicht online). Darin schreibt sie: „Deutlich mehr Mütter arbeiten in Teilzeit als Frauen ohne Kinder. Bei den Männern ist das nicht so. Bei ihnen bleibt der Anteil von Teilzeiterwerbstätigen unverändert, ob sie nun Vater geworden sind oder nicht.“

Allmendingers These: Die Männer hätten es gern anders, doch sie trauen sich nicht, der Druck durch die eigene Überzeugung sei geringer als der Druck von Arbeitgebern. Im Interview mit Blossfeld, damals Leiter des Nationalen Bildungspanels, klang das so: „Die Frauen laufen vorneweg, und plötzlich, wenn das erste Kind da ist, kippt das System zurück in die traditionellen Strukturen.“ Blossfeld berichtet, er und seine Kollegen hätten Paare über einen Zeitraum von 15 Jahren verfolgt, und immer wieder habe sich das gleiche Bild ergeben: Die Paare „kommen zusammen, anfangs teilt sich die Mehrheit die Arbeit im Haushalt. Das erste Kind wird geboren, und plötzlich macht die Frau alles allein – egal, ob sie im Vergleich zu ihrem Partner eine hohe oder eine geringe Bildung hat, ob sie arbeitet oder nicht, ob sie viel verdient oder wenig.“

In der Diagnose also sind sich die beiden Soziologen einig, in der Deutung unterscheiden sie sich. Allmendinger zitiert aus ihren Studien, dass ein großer Teil der Männer ein schlechtes Gewissen habe, zu viel zu arbeiten, und sich wünsche, kürzer zu treten. Blossfeld bestreitet das gar nicht explizit, ihn aber interessieren die tiefer liegenden, gesellschaftlich erlernten Verhaltensmuster, und denen zufolge mögen die Väter das eine sagen, doch sie tun das andere.

Wobei Blossfeld damals eine These aufstellte, die aufhorchen lässt. Demzufolge stehen einer echten Veränderung gar nicht so sehr die Männer im Wege, sondern vielleicht sogar stärker die Frauen. Traditionell hätten sich Männer Frauen als Partnerinnen gesucht, die tendenziell weniger gebildet gewesen seien als sie selbst. Da die Mädchen und Frauen aber die Bildungsgewinnerinnen des späten 20. Jahrhunderts waren und mittlerweile die Männer überflügelt haben, funktioniert das alte Muster nicht mehr. Und, wie Blossfeld, heute Forscher am European University Institute in Florenz, sagt: „Die Männer sind offenbar eher bereit, ihr Muster zu ändern. Wir haben zum Beispiel eine digitale Heiratsbörse analysiert, mehrere Zehntausend anonymisierte Datensätze: Wer schreibt wen an, und wer schreibt wem zurück. Da zeigt sich: Es gibt einige Männer, die gegen alle Normen versuchen, bei besser gebildeten Frauen zu landen, aber die lassen sie abblitzen. Das heißt, der Widerstand gegen das Aufbrechen der traditionellen Rollenmuster ist eher bei den Frauen anzusiedeln als bei den Männern.“

Eine These, über die sich streiten lässt. Vielleicht hat sich hier in den vergangenen vier Jahren auch Entscheidendes geändert. Ich zitiere jedoch aus dem Interview von damals, weil es deutlich macht, dass es womöglich nicht so einfach ist, wie Allmendinger vorschlägt. Einfach nur die Arbeitgeber davon überzeugen, dass sie „den Anwesenheitsdruck reduzieren“ und die Väter „dazu ermuntern, Teilzeit zu arbeiten und Elternzeit zu nehmen“, mag am Ende nicht reichen. Die traditionellen Muster bei der Partnerwahl und der Beziehungsgestaltung sind hartnäckig – und zwar bei Männern wie bei Frauen.

Zumal, und das ist das Blöde, das laut Blossfeld selbst dann gilt, wenn Frauen einen höheren Bildungsstand und den besser bezahlten Job haben. Selbst dann leisteten sie noch das Gros an Haus- und Erziehungsarbeit. „Unsere Beobachtungen“, sagt er, „legen nahe: Je mehr Frauen die Ernährerrolle übernehmen und den Mann dabei überflügeln, desto mehr muss sich der Mann seiner Geschlechtsidentität versichern. Die aber würde er noch stärker gefährden, wenn er auch noch bügelte, kochte oder die Kinder wickelte. Im Extremfall heißt das: Sie verdient das Geld und macht den Haushalt, er ist arbeitslos und macht nichts.“

Was aus all dem folgt? Ironischerweise genau das, was Allmendinger fordert. Wir müssen als Gesellschaft Gelegenheiten schaffen für ein neues, ein ausgeglicheneres Familienleben – in der Hoffnung, dass eben jene Gelegenheiten langsam, aber beharrlich die bestehenden Rollenmuster aufbrechen. Denn eines zeigen Allmendingers Studien ganz deutlich: Am Ende könnten alle ein wenig glücklicher sein: Männer, Frauen und Kinder.

...in diesem Sinne wünsche ich Ihnen FROHE OSTERN.
Ihr Jan-Martin Wiarda

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