Direkt zum Inhalt

Mit zwei Monaten Verspätung: KMK-Amtschefs verabschieden Bologna-Papier

Es ist vollbracht: Die Amtschefs der Kultusministerkonferenz (KMK) haben vergangenen Freitag doch noch ihr Papier zur Zukunft der Bologna-Reform verabschiedet. Im Grunde war es ja nicht nur ihr Papier, schließlich hatten es die Wissenschaftsministerien über Monate hinweg gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erarbeitet. Doch dann hatten die Amtschefs die eigentlich für Mai geplante Verabschiedung kurzfristig (und vor allem für die HRK überraschend) verschoben. Es sei noch nicht beschlussfähig, hieß es. Über die Hintergründe des ganzen Hin und Her habe ich vor einigen Wochen in der ZEIT berichtet.

Nun also ging das Papier doch noch durch, und das sogar erstaunlich reibungslos: ohne Aussprache, einfach per Umlaufbeschluss. Nur ein Land stimmte erwartungsgemäß dagegen: Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Bildungsminister Mathias Brodkorb (SPD), der die Bologna-Reform insgesamt für gescheitert hält.

Dabei sind die anderen Länder ihm sogar entgegen gekommen, indem sie den Paragraphen, der Brodkorb (und einige wenige andere) besonders störte, nochmal entschärft haben. Zur Zukunft der gestuften Studiengänge in Jura und Medizin heißt es jetzt windelweich, dass KMK und HRK es begrüßten, wenn die Universitäten in den besagten Fächern "neben dem Staatsexamen ein ergänzendes Angebot gestufter Studiengänge anbieten, auch um internationale Anschlussfähigkeit zu gewährleisten." Dies werde es ihnen erlauben, Erfahrungen zu sammeln, "und kann den Weg dafür ebnen, perspektivisch auch in weiteren reglementierten Studiengängen jenseits des Lehramts die kennzeichnenden Elemente der gestuften Studienstruktur, wie Modularisierung, Kreditpunkte, studienbegleitende Prüfungen, einzuführen." Neue Studiengänge, so weiter, sollten sich hieran orientieren. Und dann noch ein letzter Weichmacher-Satz: "Dies sollte unter Wahrung der spezifischen Profile und unter Berücksichtigung der verschiedenen Modelle geschehen."

Im Grunde also: Jeder kann machen, was er will. Dass Brodkorb dennoch nicht zugestimmt hat, ist umso skurriler, da er im Vorfeld zu Protokoll gegeben hatte, "einen Jubelparagraphen" könne er nicht akzeptieren. Ein Bologna-Jubelparagraph sieht dann doch anders aus.

Viel entscheidender ist indes, dass die Kernbotschaften des Bologna-Papiers so, wie KMK und HRK sie ausgehandelt haben, unverändert geblieben sind: Betonung der Freiräume, Verzicht auf Noten in den ersten Semestern und der Plan, von 2017 an bei der Note auf den Bachelorzeugnissen zusätzlich auszuweisen, wie sie sich in die Leistungskurve des Jahrgangs einordnet. Bis auf die Zeugnis-Änderung nichts grundlegend Neues, aber ein unüberhörbarer Aufruf an die Hochschulen, die Gestaltungsmöglichkeiten, die Bologna bietet, nun bitte auch zu nutzen.

Bei den meisten Amtschefs herrscht Erleichterung; keiner hatte Lust, das leidige Thema mit in die Sommerpause zu nehmen. Und sie hatten Druck von den Hochschulrektoren, die sich durch die Prokrastination zu Recht desavouiert fühlten. Die HRK hat übrigens auch der Änderung der Staatsexamens-Passage bereits zugestimmt. So ist es am Ende ein gutes Papier geworden, weil es sich eindeutig zur Studienreform bekennt und gleichzeitig, ohne in neue Krisenrhetorik zu verfallen, Perspektiven für ihre Weiterentwicklung aufzeigt. Oder wie HRK-Vizepräsident Holger Burckhart es in meinem ZEIT-Artikel formuliert hat: "Wir können so ein Papier schreiben, weil Bologna sich konsolidiert hat, weil Bologna einen Stand erreicht hat, an dem wir in den Normalbetrieb übergehen."

So paradox es klingt: Das Hin und Her der vergangenen zwei Monaten hat die politische Unterstützung für den Bologna-Prozess in Deutschland wachsen lassen. Als sie das Papier Mitte Mai aus Angst vor einer möglichen Abstimmungspleite überstürzt von der Tagesordnung nahmen, dachten die Unterstützer der Studienreform in der KMK noch, sie müssten sich jetzt wieder auf langwierige Grundsatzdiskussionen einstellen. Statt dessen haben sie gemerkt, dass sie unter den Kultusministern die große Mehrheit stellen. Weil jeder endlich mal sagen musste, wo er oder sie eigentlich steht. Insofern könnte sich die Geduld, die die Amtschefs der HRK abverlangt haben, am Ende sogar gelohnt haben.

Nachtrag am 15. Juli: Heute ist das gemeinsame Papier offiziell veröffentlicht worden. Der Wortlaut der Erklärung findet sich hier.

Kommentare

Neuen Kommentar hinzufügen

Ihr E-Mail Adresse (wird nicht veröffentlicht, aber für Rückfragen erforderlich)
Ich bin kein Roboter
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.

Vorherige Beiträge in dieser Kategorie


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Sanierungsstau: Wie Schulen in Berlin verfallen

Ich muss zugeben, das hat mich schon bestürzt, was Juri Strauß mir da alles gezeigt hat. Strauß hat gerade sein Abi gemacht, vorher hat er sich im Bezirksschülerausschuss von Steglitz-Zehlendorf als Kampagnenführer gegen marode Schulen betätigt. Wovon es in Berlin und ganz speziell im Südwesten der Stadt besonders viele gibt. Auf fünf Milliarden Euro wird der Sanierungsstau geschätzt.


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Streitgespräch zu Wikipedia: Wissen ist ein Rohstoff, der der Veredelung bedarf

Der Erziehungswissenschaftler Jan-Hendrik Olbertz, bis Mai Präsident der Berliner Humboldt-Universität, und der Deutschlandchef von Wikimedia, Christian Rickerts, haben sich zum Streitgespräch getroffen über traditionelle Lexika, das kollektive Sammeln von Fakten und den modernen Wissenschaftsbetrieb. Die beiden waren sich schnell einig: Wikipedia hat die Art verändert, wie wir Wissen teilen.


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Staatsschulden sind nie eine gute Idee, auch nicht für höhere Bildungsausgaben

Die Kreditzinsen sind niedrig wie nie. Nachdem die Briten mehrheitlich für den Brexit votiert haben, fliehen die Investoren in Staatsanleihen, vor allem in die deutschen. Sogar für zehnjährige Anleihen kann die Bundesrepublik mittlerweile eine Gebühr von ihren Geldgebern verlangen, sprich: Wer Deutschland Geld leiht, muss für dieses Privileg noch etwas oben drauflegen.


Nachfolgende Beiträge in dieser Kategorie


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Deutsche Hochschulen: International wie nie – aber...

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hat heute gemeinsam mit DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel die jährliche Studie "Wissenschaft weltoffen" präsentiert. Mit auf dem Pressepodium saß auch Monika Jungbauer-Gans vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), das die Studie zusammen mit dem DAAD erstellt hat.


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Hillary Clinton will Studiengebühren abschaffen

Vergangene Woche hat Bernie Sanders angekündigt, Hillary Clintons Präsidentschaftskandidatur zu unterstützen. Wer sich fragte, welchen Preis Clintons härtester innerparteilicher Konkurrent für seinen Schwenk verlangen würde, hat jetzt die Antwort. Nein, der 74 Jahre alte Sanders will keinen Posten.


  • Artikelbild: Streit um die Kreditpunkte: ECTS ist tot, es lebe ECTS!

Streit um die Kreditpunkte: ECTS ist tot, es lebe ECTS!

Vor ein paar Tagen haben Hochschulrektoren und Kultusministerkonferenz ihre neue Bologna-Erklärung veröffentlicht, jetzt läuft der Kampf um die Deutungshoheit. Und er treibt seltsame Blüten. Ganz vorn dabei ist der Bielefelder Stefan Kühl, der aus seiner Ablehnung der Kreditpunkte noch nie einen Hehl gemacht hat.