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Deutsche Hochschulen: International wie nie – aber...

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hat heute gemeinsam mit DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel die jährliche Studie "Wissenschaft weltoffen" präsentiert. Mit auf dem Pressepodium saß auch Monika Jungbauer-Gans vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), das die Studie zusammen mit dem DAAD erstellt hat.

Zunächst ein Kompliment an die Macher: Es ist eine wirklich beeindruckende Sammlung von Daten und Fakten geworden, anschaulich aufbereitet und auch für Nicht-Statistikexperten nachvollziehbar.

Inhaltlich sind die Ergebnisse nicht weniger respektabel: Aktuell arbeiten 84 Prozent mehr ausländischen Wissenschaftler in Deutschland als noch vor zehn Jahren, die Zahl der internationalen Studenten an den Hochschulen ist allein von 2014 auf 2015 um 20.000 gestiegen. 2016 soll sie bei 339.000 liegen und damit ganz in der Nähe der eigentlich erst für 2020 angepeilten Zielmarke von 350.000.

Entsprechend gut gelaunt kommentierten Wanka und Wintermantel die Ergebnisse. Die Ministerin sagte, niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik seien Deutschlands Hochschulen und Wissenschaft international so wettbewerbsfähig gewesen wie heute. Was selbst die Opposition so sieht. Kai Gehring von den Grünen schrieb wenig später in einer Pressemitteilung, die deutschen Hochschulen seien "attraktive Heimathäfen für internationale Studierende und internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler".

DAAD-Präsidentin Wintermantel hob hervor, dass nicht nur zahlreiche deutsche Studenten und Wissenschaftler ins Ausland gingen, sondern auch immer mehr deutsche Hochschulen im Ausland aktiv würden. "Mittlerweile gibt es in 36 Ländern mehr als 80 transnationale deutsche Hochschulprojekte mit DAAD-Förderung."


Natürlich gibt es auch ein paar Abers.

Erstens: Die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter mit internationalen Wurzeln ist seit 2006 deutlich stärker gestiegen als die der internationalen Professoren. Ministerin Wanka erwartet, dass dieser Nachholbedarf durch das neue Tenure-Track-Programm bedient wird, sprich: Noch ist Deutschland besonders für junge Wissenschaftler ein spannendes Ziel; für Forscher, die eine Lebenszeit-Perspektive erwarten, muss und soll mehr getan werden. Kai Gehring mahnt darüber hinaus, dass Visa an internationale Wissenschaftler und Studenten zügig vergeben und Aufenthaltsfragen schnell geklärt werden müssten.

Zweitens: Laut einer im Bericht zitierten Fraunhofer-Studie wanderten seit 2001 jedes Jahr mehr publizierende Wissenschaftler aus Deutschland ab als einwanderten. DZHW-Geschäftsführerin Jungbauer-Gans warnt allerdings davor, die dadurch entstehende Lücke überzubewerten. Tatsächlich seien die Auswanderer wohl nur besser erfasst als die Einwanderer, deren Zahl in Wirklichkeit höher liegen dürfte. Ein Fragezeichen bleibt hier jedoch.

Drittens: So rapide das Wachstum bei der Zahl der internationalen Studenten ist, im internationalen Vergleich ist Deutschland durch eine Revision der OECD-/UNESCO-Statistik von Platz 3 auf Platz 5 der beliebtesten Zielländer abgerutscht. Der Grund: Bei den "internationale Studenten" werden die so genannten Bildungsinländer, von denen Deutschland verhältnismäßig viele hat, künftig nach Möglichkeit herausgerechnet. Was Sinn ergibt, denn Bildungsinländer sind Studenten mit ausländischem Pass, die eine deutsche Hochschulzugangsberechtigung (meist das Abi) haben, also vor allem in Deutschland aufgewachsene Migranten ohne deutsche Staatsangehörigkeit. In Deutschland sinkt die Zahl der internationalen Studenten laut OECD und UNESCO damit über Nacht um fast 100.000. Das 350.000-Ziel für 2020 ist also eigentlich ein 250.000-Ziel. Für die Politikerin Wanka ist jedoch klar: Die plakative, überall proklamierte Zielzahl 350.000 bleibt.

Taktisch nachvollziehbar, allerdings führt der höhere Ausgangswert dazu, dass die erstaunliche Dynamik der vergangenen vier Jahre sogar noch unterschätzt wird: zweistellige Wachstumsraten bei den internationalen Studenten, und das über Jahre, das muss man erstmal schaffen.

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