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Auf den letzten Drücker

Bundesregierung veröffentlicht ihren überfälligen BAföG-Bericht – allerdings mit verwässerten Schlussfolgerungen.

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Artikelbild: Auf den letzten Drücker
Claim auf der BMBF-Homepage

HEUTE HAT DIE Bundesregierung ihren 21. BAföG-Bericht vorgelegt. Damit ist sie auf den letzten Drücker ihrer Verpflichtung nachgekommen, bis Ende 2017 Bilanz zu ziehen bei den „Bedarfssätzen, Freibeträgen sowie Vomhundertsätzen und Höchstbeträgen“, deren Überprüfung der Bericht dient.

Das 56-seitige Dokument umfasst 2012 bis 2016, was insofern ganz praktisch ist, weil die Bundesregierung das Zahlenwerk so unter eine Art Aktualisierungsvorbehalt stellen konnte. Zitat auf Seite 55: Dem „beschriebenen Rückgang der Gefördertenquote“ sei mit den „umfangreichen Leistungsverbesserungen durch das 25. BAföGÄndG“ bereits Rechnung getragen worden. „Allerdings konnte sich dies in der BAföG-Statistik 2016 angesichts der Veränderung nur für wenige Monate in 2016 noch nicht voll abbilden.“

Sechs Jahre ohne Bafög-Anpassung nach der Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge zum 1. Oktober 2010 haben tatsächlich tiefe Spuren hinterlassen. Laut Bericht ist die Quote der geförderten Studenten zwischen 2012 und 2016 von 28,0 auf 22,1 Prozent gefallen. Umso mehr setzt die Bundesregierung nach der überfälligen Erhöhung nun offenbar darauf, für 2017 einen Anstieg der Gefördertenquote vermelden zu können – was durchaus auch wahrscheinlich ist. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sagte: „Der Bericht unterstreicht, dass die letzte BAföG-Reform richtig und wichtig war.“

Für so richtig vorzeigbar scheint Wankas Ministerium den Bericht allerdings selbst nicht zu halten – eine eigene Pressemitteilung blieb aus, der Bericht erschien ohne weiteren Hinweis auf einer Unterseite der BMBF-Homepage.

Das Deutsche Studentenwerk (DSW) wies in einer ersten Reaktion darauf hin, dass der Nachholbedarf vor der 2016er Erhöhung besonders groß war und die Novelle insofern unzureichend sei. Laut Sozialerhebung erhielten aktuell sogar nur noch 18 Prozent der Studenten Bafög, „das ist der tiefste Wert seit Anfang der 1990er Jahre.“

Der grüne Bildungsexperte Kai Gehring befand: „Das BAföG ist auf Talfahrt“. Die Novelle von 2016 sei „vollständig verpufft.“ Somit erfülle die Ausbildungsförderung immer weniger ihren Zweck „als wichtigstes Bildungsgerechtigkeitsgesetz in unserem Land.“ Die große Koalition habe mit ihrem Wirken „das Vertrauen einer ganzen Studierendengeneration in das BAföG“ erschüttert. Gehring forderte „eine große BAföG-Reform“. Auch der stellvertretende bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Oliver Kaczmarek, erklärte es zur Messlatte künftiger Koalitionsverhandlungen, „ob und in welcher Form strukturelle Reformen beim BAföG vereinbart werden können.“

DSW-Präsident Dieter Timmermann lobt die Bundesregierung immerhin für die Schlussfolgerung, die sie am Ende des BAföG-Berichts zieht. Dort schreiben die Autoren: „Aus der Gesamtsicht der in diesem Bericht dargestellten Entwicklungen folgt, dass eine mögliche Neufestlegung der Bedarfssätze und Freibeträge sowie der Höchstbeträge bei den Sozialpauschalen eine Aufgabe der künftigen Bundesregierung ist." Passend dazu gab Bundesbildungsministerin Wanka heute ihre Überzeugung zu Protokoll, dass die Bundesregierung auch in der neuen Legislaturperiode „das Vertrauen in die Verlässlichkeit der staatlichen Ausbildungsförderung gewährleisten“ werde.

Endlich habe die Bundesregierung ein Einsehen in den Handlungsbedarf beim Bafög, sagte DSW-Präsident Timmermann und fügte mit leichter Süffisanz hinzu: „Allerdings hindert niemand die geschäftsführende Bundesregierung, dies schon jetzt auf den Weg zu bringen.“

Die DSW-Spitze trifft umso besser, weil die Bundesregierung die Schlussfolgerung im Bericht gegenüber der ursprünglichen Fassung deutlich verwässert hat. Eine Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge sowie der Höchstbeträge bei den Sozialpauschalen werde „notwendig“, hatte die ursprüngliche Formulierung gelautet. Pikant ist in dem Zusammenhang auch, dass das Bundesbildungsministerium vor Abfassung der Schlussfolgerungen keine Einschätzung des unter anderem zu diesem Zweck eingerichteten „Beirats für Ausbildungsförderung“ abgefragt hat, in dem unter anderem das DSW sowie Vertreter der Arbeitgeber, Gewerkschaften und kommunale Spitzenverbände sitzen.

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