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Das wird nicht reichen

Die Bundesregierung lässt die Kitas und Schulen auf den Kosten für die Betreuung und Beschulung ukrainischer Kinder sitzen.

BUNDESKANZLER OLAF SCHOLZ (SPD) hat den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten gestern lediglich eine Milliarde Euro als Beteiligung des Bundes an den Kosten der Länder für die Integration ukrainischer Kinder in Kitas und Schulen zugesagt. Wobei von dieser Pauschale auch noch "Gesundheits- und Pflegekosten" für die Geflüchteten aus der Ukraine zu bezahlen sind.

Gedacht ist das Geld, auch rückwirkend, für das gesamte Jahr 2022. Im November wollen Bund und Länder dann den Betrag für 2023 vereinbaren und mit Blick auf die real entstandenen Kosten für 2022 noch einmal nachverhandeln – aber nur "bei einer signifikanten Veränderung der Lage".

Dass der Bund den Ländern und Kommunen gestern weitere Hilfen für die Registrierung, Aufnahme und Unterbringung der von Krieg und Gewalt vertriebenen Menschen versprochen hat, ändert wenig an der Erkenntnis: Die schon jetzt durch Lehrkräftemangel und Corona-Krise überstrapazierten Bildungseinrichtungen werden zumindest von der Bundesregierung keine angemessene Unterstützung erwarten können.

KMK-Präsidentin: Mindestens 2,2 Milliarden wären nötig

Was eine angemessene Unterstützung wäre? Den Minimalrahmen dafür hatte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Karin Prien, gestern hier im Blog genannt. Sie gehe von mindestens 2,2 Milliarden Euro aus, um die nötigen Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen einstellen, aber auch um zusätzliche digitale Endgeräte und Lizenzen anschaffen zu können, sagte die CDU-Politikerin, die im Hauptberuf Bildungsministerin von Schleswig-Holstein ist.

Die Bundesregierung erwarte aktuell rund eine Million Schutzsuchende aus der Ukraine. "Weil voraussichtlich mindestens 40 Prozent davon Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter sein werden, würde das rund 14.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein bedeuten und gut 400.000 bundesweit." Um sie angemessen unterrichten und betreuen zu können, fügte Prien hinzu, seien deutschlandweit 7.000 Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich nötig und mindestens 400 neue Schulsozialarbeiter.

Wobei die Schätzung der KMK-Präsidentin von rund 7.000 zusätzlich nötigen Lehrkräften den Bedarf eigentlich noch deutlich kleinrechnet – würde eine solche Zahl doch auf nur eine Lehrkraft pro 60 Schülerinnen und Schülern hinauslaufen. Tatsächlich beträgt das Zahlenverhältnis an deutschen Schulen im Schnitt aber etwa 1 zu 15. Die Realität ist jedoch, dass die Kultusminister wegen des Lehrermangels gar nicht die ausgebildeten Pädagogen hätten, um die nötigen Betreuungsrelationen zu schaffen.

Bildung konkurriert mit Gesundheit

Nimmt man insofern Priens Forderung als Minimal-Anhaltspunkt, müsste man zu den 2,2 Milliarden noch eine weitere, bislang nicht genau taxierte Millionensumme für die Kitas addieren. Womit klar ist: Selbst wenn der Bund nur die Hälfte von den Kosten für die Betreuung und Beschulung der ukrainischen Kinder übernehmen würde und selbst wenn man die absolute Bedarfs-Unterkante ansetzt, müsste die Berliner Ampel-Koalition deutlich mehr als eine Milliarde Euro bezahlen.

Stattdessen werden die Kitas und Schulen jetzt sogar noch, fast schon perfide, mit Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen um die schmalen Bundeshilfen konkurrieren müssen. Inklusive der Finanzierung dringend nötiger Therapieplätze für traumatisierte Kinder und Jugendliche aus der Ukraine – ein Bedarf, den Prien ebenfalls mit deutlichen Worten angemahnt hatte.

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