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"Die Alternative ist: Man baut alles nochmal von vorn auf, und dann dauert das wieder fünf Jahre"

SPRIND-Chef Rafael Laguna de la Vera will mit einer militärischen Innovationsagentur die deutsche Verteidigungsforschung auf Trab bringen – und geht mit seinem Vorstoß auf Konfliktkurs mit der SPRIND-Schwesteragentur für Cybersicherheit. Warum tut er das? Ein Interview.
Porträtfoto von Rafael Laguna de la Vera

Rafael Laguna de la Vera wurde 2019 von der Bundesregierung zum Gründungsdirektor von SPRIND, der Bundesagentur für Sprunginnovationen der Bundesrepublik Deutschland, berufen. Foto: SPRIND GmbH.

Herr Laguna de la Vera, jede Lobbyorganisation, die etwas auf sich hält, hat vor der Bundestagswahl ein Papier mit Forderungen veröffentlicht – und nach der Bundestagswahl oft ein weiteres hinterher. Sie auch. Sie fordern eine "SPRIND.MIL", eine "unabhängige militärische Innovationsagentur nach dem Vorbild der SPRIND".

Nur haben wir im Gegensatz zu Lobbygruppen als Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) die Besonderheit, dass wir wenig bis gar keine Partikularinteressen haben. Wir haben das Glück, über ein großes Netzwerk neutraler Experten zu verfügen, die uns sagen, was für den Standort Deutschland am besten wäre. Und daraus entwickeln wir unsere Vorschläge.

Eine mutige Aussage. Nur glaube ich Ihnen Ihre Uneigennützigkeit nicht.

Als wir für das SPRIND-Freiheitsgesetz gekämpft haben oder wenn wir uns für mehr Budget für unsere Agentur einsetzen, haben wir natürlich eigene Interessen. Aber hier nicht. Wenn ich als Sachverständiger im Bundestag nach den Perspektiven der Fusionstechnologie gefragt werde, antworte ich nach bestem Wissen und Gewissen, ein wenig technokratisch vielleicht, aber auch relativ unpolitisch. Mit unserem Papier zu einer militärischen Innovationsagentur ist das genauso. Wir sind kein Unternehmen, wir müssen nichts verkaufen. Wir sind Interessenvertreter der Innovation.  

Wie sollte denn eine "SPRIND.MIL", wie Sie sie vorschlagen, aussehen?

Angesichts der internationalen Sicherheitslage müssen wir jetzt schnell sein in der Umsetzung militärischer Forschung in Innovationen, und vor allem müssen wir Innovation anders denken. Das sind die zwei Notwendigkeiten, auf die wir mit unserem Konzept reagieren. Wir bieten der Politik an, dass die SPRIND als Inkubator einer SPRIND.MIL dient. Weil für uns erstens die Vorgaben des SPRIND-Freiheitsgesetzes gelten. Dadurch sind wir schneller, alle gesetzlichen Voraussetzungen und Finanzierungsinstrumente für die neue Agentur sind schon da. Doch damit ist es bei Weitem nicht getan. Wir haben zweitens auch die Leute, die anders als staatliche Bedienstete gelernt haben, die vorhandenen Freiheiten und Instrumente nutzen, vor allem im Umgang mit Venture Capital. Die Alternative ist: Man baut alles nochmal von vorn auf, und dann dauert das wieder fünf Jahre.

Wie schnell könnten Sie loslegen?

Sofort. Wir würden ein Kernteam von fünf SPRIND-Leuten dafür abstellen, von denen einer schon für das U.S. Department of Defense und die amerikanische Militärinnovationsagentur Office of Naval Research Global (ONR Global) gearbeitet hat. Parallel zum Aufbau einer Tochtergesellschaft könnte die Politik dann das SPRIND-Freiheitsgesetz erweitern, so dass es auch für andere künftige SPRIND-Agenturen gilt. Wobei mir der Name ziemlich egal ist. So eine Gesetzesnovelle dauert aber sicherlich zwei Jahre, und die nutzen wir in der Zwischenzeit schon operativ.

"Wir sind erfolgreich evaluiert worden und zusätzlich geprüft 
vom Bundesrechnungshof. Da ist es der logische nächste Schritt zu sagen: 
Lasst uns dieses erfolgreiche Konzept auf andere Agenturen erweitern."

Aber waren mit der SPRIND und der Agentur für Innovation in der Cybersicherheit nicht extra zwei Einrichtungen parallel gegründet worden, um die SPRIND aus der Militär- und Sicherheitsforschung herauszuhalten?

Die Zeiten haben sich geändert. Für mich waren die ersten Jahre der SPRIND-Entwicklung wie ein Reallabor. Die erste Sprunginnovation der Agentur für Sprunginnovation ist die Agentur für Sprunginnovation selbst, habe ich immer gesagt. Wir haben uns über 2000 Projekte angeschaut, zehn Challenges gemacht, wir haben gezeigt, dass unser Konzept funktioniert. Wir sind erfolgreich evaluiert worden und zusätzlich geprüft vom Bundesrechnungshof. Da ist es der logische nächste Schritt zu sagen: Lasst uns dieses erfolgreiche Konzept auf andere Agenturen erweitern. Die machen dann ihr eigenes Ding, unabhängig von uns. So ähnlich haben wir das gemacht mit dem "Sovereign Cloud Stack", den wir inkubiert haben, damit Europa bei der Softwareentwicklung unabhängiger wird von den USA. Das Projekt ist inzwischen vollkommen unabhängig von uns.

Derweil hat ihre Schwesteragentur sehr wohl das Gefühl, Sie wollten in ihrem Revier wildern. Der Forschungsdirektor der Cyberagentur, Christian Hummert sagte mir, man begrüße ausdrücklich die Debatte um die Stärkung militärischer Innovationsfähigkeit. "Der Bedarf ist real und auch wir sehen die Notwendigkeit, disruptive Technologien schneller und effizienter in die Anwendung zu bringen. Allerdings halten wir den Ansatz einer SPRIND.MIL nicht für die richtige Antwort." Eine neue Agentur unter dem Dach von SPRIND sei "weder erforderlich noch effizient". Und weiter: "Wichtiger wäre es, die bestehenden Strukturen gezielt auszubauen, statt Parallelstrukturen mit unklarer Anbindung an die Sicherheits- und Verteidigungscommunity aufzubauen."

Ich hätte die Debatte nicht unbedingt in der Öffentlichkeit führen wollen, und sie wurde von uns auch nicht in die Öffentlichkeit getragen. Neben der Cyberagentur gibt es ja auch noch den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr, der seinen Standpunkt ebenfalls sehr lautstark deutlich gemacht hat. Wir wollten durch unser Positionspapier die notwendige Einordnung leisten.

Im Grunde ist Ihr Vorstoß eine massive Kritik an der Arbeit der Cyberagentur, oder?

Keine der drei Organisationen ist eine militärische Organisation. Alle drei sind zivile Organisationen, die an unterschiedlichen Ministerien hängen. Umgekehrt hat nur die SPRIND die nötigen Freiheitsgrade, und nur die SPRIND deckt die mittleren Technologie-Reifegrade (TRL) 3 bis 7 ab, um die es geht. Die Cyberagentur macht Grundlagenforschung auf den TRL-Stufen 1 bis 4, der Cyber Innovation Hub liegt am anderen Ende der Skala.

"Zu sagen, gebt uns die selben Freiheiten wie SPRIND 
und schon sind wir eine SPRIND, ist Unsinn. 
Wir haben uns die Freiheiten erkämpft und eine 
unternehmerische Kultur aufgebaut. 
Die bekommt man nicht per Dekret."

Christian Hummert sagt dazu: "Die Cyberagentur wurde von Beginn an als sicherheitsfokussierte Schwesteragentur der SPRIND konzipiert – mit dem klaren Auftrag, Innovationen an der Schnittstelle von Innerer und Äußerer Sicherheit voranzutreiben. Auch wenn unser Schwerpunkt bisher auf den frühen Technologie-Reifegraden liegt, lässt sich dieser Auftrag, wenn politisch gewollt, schlüssig und wirkungsvoll erweitern, um auch Transfer- und Anwendungsphasen stärker abzudecken. Dafür sind wir organisatorisch, inhaltlich und durch unsere bestehenden Kontakte zu Bedarfsträgern der Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr bestens aufgestellt."

Ehrlich gesagt klingen solche Sätze für mich viel eher nach Partikularinteressen. Lassen Sie uns doch einfach darauf schauen, wer am schnellsten das schaffen könnte, worauf es jetzt ankommt: eine Agentur, die Sprunginnovationen in der Militärforschung fördert, die jetzt gebraucht werden und nicht in zehn Jahren oder mehr. Zu sagen, gebt uns die selben Freiheiten wie SPRIND und schon sind wir eine SPRIND, ist natürlich Unsinn. Wir haben uns die Freiheiten erkämpft und eine entsprechende unternehmerische Kultur aufgebaut. Die bekommt man nicht per Dekret.

Mal vom Gerangel mit Ihren Konkurrenten abgesehen: Haben Sie denn keine Angst vor den Geistern, die Sie da rufen? Was, wenn politisch so ein Druck auf eine SPRIND.MIL aufgebaut würde, dass am Ende die SPRIND als Ganzes hineingesogen wird und Schluss ist mit Ihrem eigentlichen Ziel, Sprunginnovationen für Wirtschaft und Gesellschaft zu liefern?

Da habe ich überhaupt keine Sorge. Mehr als fünf Leute werden wir dafür nicht abstellen. Die haben zwar ein beachtliches Know-how, machen aber wiederum nur fünf Prozent aller SPRIND-Mitarbeiter aus.

Man könnte manchmal auf den Gedanken kommen, die SPRIND habe keine Lust mehr auf ihr Kerngeschäft. Vor nicht allzu langer Zeit haben sie vom BMBF den Auftrag übernommen, die festgefahrene Nationale Bildungsplattform, inzwischen umbenannt in "Mein Bildungsraum" flottzumachen. Das hat mit Sprunginnovationen ja nun gar nichts zu tun.

Nochmal: Als einzige staatlich finanzierte Agentur, die die Dinge anders machen kann, stehen wir, finde ich, in einer Verantwortung. Mittlerweile dürften alle kapiert haben, dass in der deutschen Transformationskrise Geld nicht alle Probleme heilt, sondern dass wir schlicht nicht so weitermachen können wie bisher. Deshalb sagen wir bei Digitalisierung, Bildung, Rüstung: Himmel, das muss jetzt echt mal funktionieren.

Und was heißt das für die Nationale Bildungsplattform?

Es gibt viele Gründe, warum staatliche Großprojekte so oft scheitern. Die Ministerien sind organisatorisch nicht in der Lage, kurzfristig die ausgewiesenen Experten an Bord zu holen, weil sie, Stichwort Besserstellungsverbot, diese weder bezahlen dürfen, noch so arbeiten lassen können wie wir: in kleinen, disziplinübergreifenden Teams, mit Challenges zwischendurch, um Ideenräume auszuleuchten. Mit Stakeholder-Einbindung, wann immer es passt. Das ist die Arbeitsweise der SPRIND, und so hat meines Wissens noch nie ein Ministeriumsprojekt ausgesehen. Bei "Mein Bildungsraum" kommt es jetzt darauf an, die Sache aufzuräumen, zu stabilisieren und dann den Vorwärtsgang einzulegen. Für mich ist genau das die Zukunft von Regierungsarbeit und sollte die Blaupause sein für das geplante neue Digitalministerium: Man hat nur noch eine dünne Ministerialschicht als Überbau, und darunter arbeiten weitgehend unabhängige Agenturen.

Für ein ähnliches Modell plädiert der frühere Vorsitzende der EFI-Wissenschaftsweisen, Dietmar Harhoff, schon seit Jahren. Aber mal konkret: Wann werden wir denn wirklich etwas davon sehen, dass Ihre Methode bei "Mein Bildungsraum" funktioniert?

Der erste Meilenstein ist, dass wir digitale Zeugnisse hinbekommen. Da haben wir jetzt 15 von 16 Ländern zugesagt. Und wir konnten die Kosten des Projektes bereits dramatisch senken. Parallel sind wir am sogenannten "Discovery Workstream". Da ist noch nicht alles spruchreif, aber ich denke, dass wir in ein, zwei Monaten etwas Substanzielles zu verkünden haben werden.

Ich werde Sie daran erinnern. Vielen Dank, Herr Laguna.

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Kommentare

#1 -

Potsdamer | Do., 10.04.2025 - 13:27
"Man könnte manchmal auf den Gedanken kommen, die SPRIND habe keine Lust mehr auf ihr Kerngeschäft." Das ist der springende Punkt, werter Herr Wiarda. Doch fehlende Lust ist nicht das ursprüngliche Problem, sondern fehlende Kompetenz: SPRIND fehlen seit Anbeginn die naturwissenschaftlich-technischen Kaliber, die nötig wären, um wie bei DARPA ganz frühe Technologie-Reifegrade visionär zu adressieren. Man kann das schlicht nicht. Und deshalb ist man nicht heiß drauf, sondern sucht sich eine politiknahe alternative Spielwiese nach der anderen. Was bei SPRIND hingegen wie geschmiert läuft, ist der Lobbyismus in eigener Sache: Um den Zuschlag für SPRIND.mil zu bekommen, preist sich SPRIND-Mitarbeiter Patrick Rose im Tagesspiegel an als ehemaliger "Chief Scientist des Office of Naval Research Global (ONRG), dem Innovationslabor der US-amerikanischen Navy und Marines." In Wahrheit war er dort ein ganz kleines Licht: https://www.tagesspiegel.de/wissen/wohin-mit-den-militar-milliarden-innovation-ist-die-beste-verteidigung-13371940.html?commentId=3369c966-720d-4390-a649-27984c8e4136 Die Evaluation von Fraunhofer wiederum ist so sehr geschönt, daß sie von unabhängigen Fachleuten nicht ernst genommen wird. Auch im BMBF gibt es kritische Stimmen, die deshalb Zweitmeinungen zu SPRIND eingeholt haben (weiß ich, weil meine eine davon war).

#2 -

Potsdamer 2 | Fr., 11.04.2025 - 20:16
Mit Blick auf die noch offiziell abrufbare Leistungsbeschreibung zur aktuellen Entwicklungsauschreibung zu den MeinBildungsraum-Arbeiten die Anmerkung, dass sich die SPRIND bei allen "Challenges" nie als Entwickler, sondern Auftraggeber sieht. Bedeutet: Wenn sie ihre stets HiPo-haften Versprechungen nicht halten, sind sie am Ende auch nie verantwortlich. Besonderes Geschmäckle bekommt das, wenn man sieht, dass die beauftragten Entwickler die gleichen sind, die es vorher laut Interview nicht hinbekommen haben.

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