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Zwei Jahre nach dem 7. Oktober: Die Welt, die eine andere wurde

Deutschland trägt Verantwortung: für Solidarität mit Israel – und für den Mut zur offenen Debatte.
Dunkler Himmel, orange und schwarze Wolken.

Bild: Eberhard Gross / freepik.

SEIT DIE HAMAS vor zwei Jahren Israel überfallen hat, seit dem unsäglichen Morden und der Verschleppung hunderter Geiseln, ist die Welt eine andere. Auch in Deutschland. Oft habe ich darüber berichtet und kommentiert, was in diesen zwei Jahren geschehen ist. Über die Übergriffe auf jüdische Menschen, Schüler und Studierende, über den erstarkenden Antisemitismus, bei dem man es sich zu einfach macht, wenn man ihn allein als importiert darstellt.
 
Über die öffentlichen Debatten zwischen der Verurteilung des Terrors und der Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung, die sehr schnell kam und sich dadurch anfangs in meinen Augen teilweise delegitimierte. Die aber, je länger, härter und verheerender sich die israelischen Militäroperationen entwickelten, berechtigter und notwendiger wurde. Voraussetzung: Sie kommt ohne Stereotype daher, ohne eine Infragestellung Israels und ohne Verherrlichung von Terrorakten als palästinensischen "Freiheitskampf".
 
Dass Deutschlands politischen und gesellschaftlichen, auch wissenschaftliche, Institutionen angesichts der deutschen Geschichte eine besondere intellektuelle und praktische Verantwortung zukommt in der Gestaltung der Beziehungen zu Israel und seinen Institutionen, steht dabei für mich aus der Frage.
 
Das heißt für mich: Dialog statt Boykotte. Infragestellen statt Zeigefinger. Dazu gehört, nie zu vergessen, warum die Welt heute eine andere ist. Der 7. Oktober hat sie dazu gemacht. Und für die Israelis ist der 7. Oktober, nicht nur wegen der unvorstellbaren Grausamkeit der anhaltenden Geiselnahmen, längst nicht vorbei.
 
Und glaubt wirklich jemand, man könnte die freiheitlichen Kräfte in Israel, die so stark bedrängt werden in ihrem Kampf für Demokratie und Differenzierung, stärken, indem man sie pauschal in die Mithaftung für die Regierungspolitik nimmt?
 
Umgekehrt gilt: Keiner und keine darf dafür bekämpft, bedroht oder öffentlich herabgesetzt werden, wenn er oder sie Verbrechen auf allen Seiten als solche benennt – und politische Konsequenzen fordert. Antisemitische und antiisraelische Ausschreitungen gilt es, sobald als solche erkennbar, ohne Zögern zu beenden. Doch wir brauchen den demokratischen Streit, den Raum für die Debatte, wir brauchen den öffentlichen Protest, auch an den Hochschulen.  
 
Dieser Kommentar erschien heute zuerst in meinem kostenfreien Newsletter.

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