25 September 2025
Bitte keine neuen Arbeitsgruppen
Forschungsministerin Dorothee Bär wollte zentrale Innovationsprogramme ins BMFTR holen, doch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche blockte erfolgreich. Was heißt das für die Hightech-Strategie?
Foto Katherina Reiche (links): CDU/CSU-Fraktion, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons. Foto Dorothee Bär (rechts): Raimond Spekking, CC BY-SA 4.0 ,via Wikimedia Commons.
GLEICH IN IHRER ERSTEN BUNDESTAGSREDE als Bundesforschungsministerin drehte Dorothee Bär das große strategische Rad. "Zunächst einmal geht es natürlich darum, all das zu bündeln, was zusammengehört, die ganze Technologie- und Innovationspolitik in einer Hand", sagte die CSU-Politikerin Mitte Mai über ihr Ministerium mit dem neuen Kürzel BMFTR. Das erhöhe "die Schlagkraft und die Effizienz, setzt Kräfte frei".
Keine Frage, sie hatte einen Punkt: Die für Forschung und Wirtschaft zuständigen Ministerien hatten in der Vergangenheit nicht nur die Technologie- und Forschungspolitik untereinander aufgeteilt, sondern im Regierungsalltag vielfach bewiesen, dass sie besser darin waren, gegeneinander als miteinander zu arbeiten. So fliegt die Bundesagentur für Sprunginnovationen erst so richtig, seit das BMFTR allein die Aufsicht hat, und warum beide Ministerien parallel Innovationscluster-Initiativen auflegten, erschloss sich nur, wenn man das beidseitigen Rivalitätsdenken einmal erlebt hatte.
Lackmustest für Bärs "Schlagkraft"- und "Effizienz"-Versprechen sollte die von Schwarz-Rot versprochene "Initiative Forschung & Anwendung", die als – im Koalitionsvertrags-Wording – "Dachmarke" endlich alle einschlägigen Förderprogramme von BMFTR und BMWE zusammenführen sollte, inklusive der bislang im Wirtschaftsministerium angesiedelten Programme wie die Industrielle Gemeinschaftsforschung, das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand und das Förderprogramm Innovationskompetenz "INNO-KOM" mit rund 800 Millionen Euro. Und zwar in einem Ministerium – dem BMFTR, so erwartete das nicht nur Bär, so gaben sich auch führende Wissenschaftspolitiker der Koalition überzeugt.
Vielleicht hätte schon das traditionelle Konkurrenzdenken der Arbeitsebene gereicht, um die Pläne zu durchkreuzen, vielleicht waren es die enormen Geldsummen, die keine gerade ins Amt gekommene Ressortchefin freiwillig abgibt. Jedenfalls stellte sich Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) quer – offenbar so erfolgreich, dass Bär schon im Juli im Interview meinte: "Ich sage seit vielen Jahren: Neue Ressortzuschnitte muss man beschließen, bevor klar ist, welche Partei oder Person ein Ministerium übernimmt. Aber dann trifft Politik auf Realpolitik."
Doch Bär pokerte weiter, sprach davon, dass man "fragwürdige Konstruktionen" der Vergangenheit irgendwann "wieder aufdröseln" müsse und dass sie mit dem BMWE in "konstruktiven Gesprächen" sei. Bis sie im September im Bundestagsforschungsausschuss bestätigte, dass der Umzug der Programme ausfällt – einzig über EXIST werde noch verhandelt.
Bemerkenswert ist nun, was Bärs Staatssekretär Matthias Hauer den Grünen auf deren Nachfrage schriftlich mitteilt: Die Verteilung der Förderprogramme auf zwei Ministerien bedeute "keine Schwächung, sondern eine klare Arbeitsteilung". Und weiter: "Das BMFTR entwickelt die strategischen Leitlinien, bündelt die technologische Perspektive und sorgt für die Verzahnung mit Forschung und Raumfahrt. Das BMWE behält mit seinen Programmen die operativen Instrumente der Wirtschaftsförderung, die auf die unmittelbare Umsetzung in Unternehmen zielen." Schließlich erhalte das BMFTR ja das Referat für "Grundsatzfragen der nationalen und internationalen Innovations- und Technologiepolitik" aus dem Wirtschaftsministerium.
Das BMFTR im Fahrersitz, das Wirtschaftsministerium in der Rolle eines Projektträgers? Ob man das wohl dort auch so sieht? Die Antwort aus Reiches Haus ist wie üblich vielsagend. Ja, das Wirtschaftsministerium entwickle "auch strategische Leitlinien". Und: "Mit Blick auf die im BMWE liegenden Zuständigkeiten für die Innovationsförderprogramme… wird eine enge Zusammenarbeit in Strategiefragen zwischen den Ressorts angestrebt."
Nur dass man aufgrund der mehr als zweifelhaften Effektivität dieser Zusammenarbeit in der Vergangenheit genau davon wegwollte. Dass alles so bleibt wie gehabt, darauf deutet auch das Mittel der Wahl für das "strukturierte Koordinierungsverfahren" hin, das BMFTR-Staatssekretär Hauer in seiner Antwort an die Grünen ankündigt: eine "gemeinsame Arbeitsgruppe".
Wie viel besser die zwischenministerielle Abstimmung künftig funktionieren dürfte, dafür war das Gerangel um die Zuständigkeiten die beste Preview. Eines ist klar: Bärs "Hightech-Agenda Deutschland" wird nur dann funktionieren, wenn sie entlang der gesamten Wertschöpfungskette aus einer Hand gesteuert wird. Was es jetzt braucht, sind keine Arbeitsgruppen zur Reparatur gescheiterter Abstimmungsprozesse, sondern eine Strategie für die Strategie. Schönreden reicht nicht.
Dieser Kommentar erschien zuerst im ZEIT-Newsletter Wissen3.
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