Karin Prien hat Recht
Die KMK-Präsidentin kritisiert, das im Bundestag beschlossene Infektionsschutzgesetz benachteilige Schüler erneut massiv gegenüber Erwachsenen. Die Bundesregierung muss jetzt nachbessern. Ein Kommentar.
KLARTEXT VON der KMK-Präsidentin. Karin Prien, im Hauptberuf CDU-Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, hat am Dienstag das im Bundestag beschlossene neue Infektionsschutzgesetz als "Katastrophe für Schülerinnen und Schüler" kritisiert. Es sei ein "Rückfall in die Anfangszeiten der Pandemie", als es noch keine Impfungen und Immunisierung gegeben habe. "Schülerinnen und Schüler werden erneut schlechter gestellt als Erwachsene und Arbeitnehmer."
Der Protest der Sprecherin aller Kultusministerinnen und Kultusminister in Deutschland ist berechtigt. In seinem jetzigen Wortlaut schränkt das Gesetz die Rechte von Kindern und Jugendlichen in mehrfacher Hinsicht über Gebühr ein.
So dürfen Schulen und Kitas nicht betreten werden, wenn man an COVID-19 erkrankt oder einer Erkrankung "verdächtig" ist. Was aber bedeutet "verdächtig"? Schon ein Schnupfen? Oder schwerere Symptome? Nachgewiesene Infektionsfälle im Umfeld? Und wer entscheidet das?
Klar scheint, dass im Falle einer so schwammig formulierten Regelung fast immer ein Negativ-Test her muss, um den Verdacht auszuräumen. Und häusliche Tests reichen dann laut Gesetz eigentlich nicht, sondern nur vor Ort durchgeführte – auch hier muss die Regelung eindeutiger gefasst werden.
Wer nachweislich infiziert war, darf wiederum laut Gesetz die Schule oder Kita im Gegensatz zu den meisten Lebensbereichen nicht automatisch nach fünf Tagen wieder betreten. Sondern erst, wenn nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch die erkrankte Person nicht mehr zu befürchten ist. Was eine Gesundschreibung durch einen Arzt bedeutet. Oder wie schon bislang alternativ ein bestätigter negativer Corona-Test. Also wieder Testzentrum, was einen zusätzlichen Aufwand bedeutet, weil die Zentren längst nicht mehr überall zu finden sind. Und Geld kostet. Führt das dazu, dass vor allem Kinder aus armen Familien im Zweifel häufiger zu Hause bleiben?
Und was, wenn Schüler oder Lehrkräfte schon längst wieder gesund (=nicht mehr ansteckend) sind, aber der Test noch immer positiv ausfällt? Schülern droht dann weiterer versäumter Unterricht, Lehrkräften eine noch längere Ausfallzeit. Während zum Beispiel andere Arbeitnehmer längst wieder zur Arbeit gehen könnten.
KMK-Präsidentin Prien kündigte an, die neuen Regelungen in der Kultusministerkonferenz zum Thema zu machen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte bereits öffentlich mitgeteilt, dem Infektionsschutzgesetz die Zustimmung im Bundesrat zu verweigern.
Es behandle Kinder und Jugendliche mit Corona, "als hätten sie die Pest oder Cholera", sagte Prien verärgert. "Die Regelung führt dazu, dass nur in die Schule zurück darf, wer im Testzentrum einen negativen Coronatest gemacht hat oder vom Arzt gesundgeschrieben wurde." Es sei völlig unverhältnismäßig, Schüler mitunter wochenlang wegen einer "einfachen Coronainfektion" vom Unterricht auszuschließen, "während jedermann sonst gemäß RKI-Empfehlung nach fünf Tagen wieder ganz normal am Leben teilhaben kann."
Auffallend scharfe Formulierungen der Ministerin. Doch im Kern hat sie Recht. Die Länder sollten das Gesetz ablehnen, wenn sie die Rechte der Kinder und Jugendlichen denen von Erwachsenen gleichsetzen wollen. Prien fordert sogar, die Schülerinnen und Schüler im dritten Jahr der Pandemie im Zweifel besser zu stellen als Erwachsene.
Die Ampel-Parteien sollten sich ihrerseits fragen lassen, welches Signal sie mit der jetzigen Regelung an die junge Generation schicken. Und dringend nachbessern.
Kommentare
#1 - Es ist nicht nur ein schlimmes Zeichen an die junge…
Kindern und Jugendlichen, und auch deren Erziehungspersonen, darf nicht der dritte Winter voller Bildungs- und Kontaktentbehrungen zugemutet werden. Diesen gilt es jetzt Priorität einzuräumen.
#2 - Ich finde die Kritik absolut berechtigt und notwendig und…
#3 - Welcome to capitalism! Würde man so mit…
Und das Erchreckenste ist: Welches antiquirierte Familienbild steckt eigentlich hinter solchen Maßnahmen? Lassen Sie mich raten: Papa für den Broterwerb und Mama ja ohnehin zuhause, um das alles zu wuppen.
Ohne Worte!
#4 - Hallo, auch ich denk schon, daß die CDU-Frau in dieser…
#5 - Wer die jüngsten Auslassungen von Chr.Drosten gelesen hat,…
https://www.zeit.de/gesundheit/2022-09/drosten-coronawelle-dezember#comments
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