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Wenn die Entscheidung eigentlich schon feststeht

Am Freitag sollen die Obleute des Forschungsausschusses beschließen, wieviel Aufklärung sie vom BMBF in Sachen Fördermittelaffäre fordern. Ein ernüchternder Ausblick.

DAS KURATORIUM für das Wissenschaftsjahr "Freiheit" hat einen neuen Vorsitzenden. Er heißt Roland Philippi. Ausgerechnet der Mann, der laut SPIEGEL in BMBF-internen Chats Wissenschaftler als "verwirrte Gestalten" bezeichnet hatte. Und der über eine Selbstzensur aus Angst vor Förderentzug schwadronierte.

Wer nach Hinweisen gesucht hatte, ob sich die Führungsetage um Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) angesichts der nicht abreißenden Vorwürfe im Zuge der Fördermittelaffäre um Formen von Appeasement bemüht, findet hier seine Antwort.

Eine weitere hat Stark-Watzinger neulich im Interview mit der Rheinischen Post persönlich gegeben. "Was mich besorgt, ist, dass die Union zahlreiche Vorwürfe gegen mich und mein Ministerium auf Grundlage von Mutmaßungen und Unterstellungen konstruiert", sagte sie. "Das schadet der Debattenkultur in unserem Land und damit auch unserer Demokratie. Die Union sollte zur Sachlichkeit zurückkehren."

Damit ist die Marschrichtung knapp zwei Wochen vor Stark-Watzingers erneuter Vorladung vor den Bundestags-Forschungsausschuss klar. Und die Botschaft an die Koalitionspartner SPD und Grüne. Sie lautet: Wollt ihr euch wirklich von der Opposition instrumentalisieren lassen für eine Kampagne auf Kosten der Demokratie und der Ampel?

Alles nur das Werk der Unionsparteien?

Dass Tausende von Wissenschaftlern per Offenem Brief Stark-Watzingers Rücktritt gefordert haben; dass Medien vom SPIEGEL über die FAZ bis hin zum Tagesspiegel oder diesem Blog seit Monaten beständig über die Affäre und Stark-Watzingers mangelnde Aufklärungsbereitschaft berichten; dass sich das BMBF in einem Rechtsstreit mit der entlassenen Staatssekretärin Sabine Döring befindet, die unbedingt vor dem Forschungsausschuss aussagen will; dass das Ministerium auf Initiative der Online-Plattform "FragDenStaat" eine einstweilige Anordnung kassiert hat und keinerlei interne Chats im Zusammenhang mit der Affäre mehr löschen darf – all das soll also das Werk der CDU/CSU sein?

Vermutlich haben die Abgeordneten von SPD und Grünen, die für ihre Fraktionen im Forschungsausschuss sitzen, mehr als nur geballte Fäuste in der Tasche angesichts der Vereinnahmung, die Stark-Watzinger hier betreibt. Und doch spricht vieles – eigentlich fast alles – dafür, dass sie, wenn sich am Freitagvormittag die sogenannten Obleute zur Videokonferenz treffen, um die Anhörung der Ministerin vorzubereiten, trotzdem nicht für mehr Transparenz stimmen werden.

Nicht für die Einladung Dörings und des für die Hochschulen zuständigen Abteilungsleiters, der von der BMBF-Führung immer stärker ins Zentrum der Geschehnisse gerückt wird. Nicht für die Forderung ans BMBF, dem Ausschuss endlich alle relevanten Akten und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Womöglich nicht einmal dafür, dass die Ministerin einzeln auf Fragen der Abgeordneten antworten muss, was ihr das Ausweichen erschweren würde.

Der Ausschuss wird sich aller Voraussicht nach mit der Stimmenmehrheit von FDP, SPD und Grünen nicht dafür entscheiden, das zur Aufklärung der Affäre nötige Wissen zu verlangen. Er wird sich, könnte man sagen, für das Nicht-Wissen entscheiden. Was, apropos Schaden für die Demokratie, tatsächlich einer sein würde. Und eine Ausweitung des für Stark-Watzingers schon irreparablen Vertrauensverlustes in großen Teilen der Wissenschaftsszene auf ihre frustrierten Unterstützer im Ausschuss.

Der Vertragsbruch, der nicht kommen wird

Denn SPD und Grüne wissen, welches Signal sie damit senden. Es soll Stimmen in der Koalition geben, die die Abstimmung über die Gestaltung der Anhörung deshalb noch einmal verschieben, noch einmal auf Zeit spielen wollen – wie schon, als die Ampel vergangene Woche den Ausschussvorsitzenden Kai Gehring (Grüne) mit seiner schriftlichen Umfrage auflaufen ließ – und stattdessen die Sondersitzung der Obleute forderte. Doch zumindest so weit wollen andere in der Koalition nicht mehr gehen. Sie wollen Klarheit schaffen. Auch wenn die wehtun dürfte.

Zur Ehrenrettung der Sozialdemokraten und Grünen im Ausschuss muss man sagen: Die Koalitionstreue bindet sie. Sie dürfen nicht gegen den Koalitionspartner FDP stimmen, so sieht es der Koalitionsvertrag vor. Und es ist nahezu unvorstellbar, dass sie von ihren Fraktionsführungen grünes Licht erhalten für einen Bruch der Vereinbarung. Denn die bittere Wahrheit ist: Für die meisten, die bei der SPD und den Grünen das Sagen haben, spielt die Wissenschaftspolitik (genau wie bei FDP und Union) nicht die tragende Rolle, die für sie eine weitere Ampel-Eskalation rechtfertigen würde.

Hinzu kommt aber auch auf Seiten von SPD und Grünen eine Spur Trotz. Denn das Drängeln Dörings von der Seitenlinie, zuletzt über eine Mail an die Obleute, in der sie ihre Teilnahme an der Sitzung anbot, kommt nicht nur gut bei ihnen an. Es ist, wie Research Table am Donnerstag schrieb: Mit ihrem Vorgehen macht Döring das Obleute-Treffen zu einem vorgezogenen Tag der Entscheidung in Sachen Aufklärung in der Fördermittelaffäre: "Die Mitglieder des Ausschusses sollen entscheiden, sie einzuladen, und genau dies dann auch tun."

Denn: "Diese neuerliche Einladung könnte einen durch Döring beim Verwaltungsgericht Minden gestellten Eilantrag positiv beeinflussen. Beantragt hat die geschasste Staatssekretärin nämlich eine eingeschränkte Aufhebung ihrer Verschwiegenheitspflicht für eine klar definierte Stellungnahme vor dem Ausschuss am 10. September."

So fühlen sich SPD und Grüne unter Druck gesetzt und einmal mehr vereinnahmt: Der Kampf Dörings, sagen sie, sei aller Ehren wert. Aber er sei als Kampf für ihre eigene Rehabilitierung eben nicht gleichbedeutend mit dem Ziel einer unabhängigen Aufklärung der Affäre. Und die Argumentation in Dörings Mail an die Obleute, der Ausschuss könne sie laut Paragraph 70 der Geschäftsordnung des Bundestages als "sonstige Auskunftsperson" einladen, die ihre persönliche Auffassung wiedergebe, ziehe nicht: Es handle sich bei dem Gespräch mit Ministerin Stark Watzinger eben nicht um eine Anhörung, für die das gelte.

Ein Argument, das keines ist, und zwei Schlussfolgerungen

All das kann man als erneute Ausflüchte der Koalition sehen, als erneutes Drücken vor der Aufklärung, zumal das von der Ampel bereits öffentlich gebrauchte Argument, man wolle dem Ausgang gerichtlicher Verfahren mit BMBF-Beteiligung nicht vorgreifen, in Wirklichkeit keines ist, wie etwa der Verfassungsrechtler Klaus Ferdinand Gärditz in der FAZ ausführte.

Doch so oder so ist zweierlei klar. Erstens: SPD und Grüne befinden sich inmitten eines kommunikativen Drahtseilakts. Wie wollen ihre Wissenschaftspolitiker angesichts ihres erwarteten Abstimmungsverhalten im Ausschuss noch glaubhaft machen, dass sie die Ministerin nicht decken, dass sie vor lauter Koalitionsräson nicht zurückschrecken vor der Aufklärung, die sie in jeder Wortmeldung so eifrig beschwören? Tatsache ist: SPD und Grüne haben auch die Berufung Philippis zum Staatssekretär mitgetragen. Und ihre Obleute verbinden ihr Schicksal als Wissenschaftspolitiker, auch wenn sie es nicht wollen, immer enger mit dem Schicksal Stark-Watzingers.

Zweitens: Nach der Sitzung der Obleute, spätestens aber nach der Ausschuss-Sondersitzung am 10. September, ist es auch für die Opposition Zeit, Farbe zu bekennen. Die Union hat die Ampel-Fraktionen und den Ausschussvorsitzenden Kai Gehring (Grüne) mit allem Recht vor sich hergetrieben mit ihren Forderungen nach umfassender Transparenz im Forschungsausschuss. Wenn jetzt aber endgültig klar wird, dass dieses Gremium diese Transparenz nicht leisten wird, ist es Zeit für den nächsten Schritt.

Die Union kann einen Untersuchungsausschuss durchsetzen. Das sollte sie dann auch. Nur: Ist der eigenen Fraktionsführung, die sich derzeit auf populistische Asyldebatten konzentriert, eine Affäre um die Wissenschaftsfreiheit wirklich ihrerseits der Aufwand wert? Die Antwort auf diese Frage rückt näher.


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Kommentare

#2 -

Leif Johannsen | Fr., 30.08.2024 - 14:18
Vielen Dank fuer das update. Ich denke umfangreich kommentieren muss man den Stand der Dinge kaum noch. Letztlich lassen mich die Vorgaenge sprachlos zurueck. Der verbleibende Eindruck ist verheerend. Bleibt nicht viel uebrig als die Tage bis zur naechsten Bundestagswahl herunterzuzaehlen. Von dem BMBF ist meiner Meinung nach z.Z. nicht mehr viel zu erwarten ausser mittelmaessige Hinhaltetaktik in diversen Angelegenheiten. Wann bekommen wir mal wieder eine Bildungsminister_in mit positivem Gestaltungswillen im Gegensatz zur Verwaltungsmentalitaet der letzten Jahrzehnte?

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