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Sachsens Öffnungspläne stoßen auf Widerstand

Vom heutigen Montag an sollen alle Kinder im Freistaat wieder
in die Kitas und Grundschulen gehen können – doch nach einem Gerichtsbeschluss hebt Kultusminister Piwarz jetzt die Schulbesuchspflicht auf.

DIE ÜBERSCHRIFT klingt trotzig. "Schulen und Kitas starten am Montag", steht über dem Artikel, den Sachsens Kultusministerium am Samstag im ministeriumseigenen Blog veröffentlichte. Die Realität ist etwas komplexer: Kultusminister Christian Piwarz (CDU) hat eine juristische Niederlage erlitten. Das Verwaltungsgericht Leipzig gab am Freitag den Eltern eines siebenjährigen Schülers Recht, die sich im Eilverfahren gegen die Öffnung seiner Grundschule ohne Einhaltung des Mindestabstands gewendet hatten.

Piwarz will die Kitas und Grundschulen für alle Kinder und an allen Tagen öffnen – und dabei ein völlig anderes Corona-Sicherheitskonzept fahren als fast alle übrigen Bundesländer, die auf geteilte Gruppen setzen, damit die Kinder sich nicht zu nahe kommen.

Die Folge geteilter Gruppen ist jedoch auch, dass Kitas und Schulen nicht für alle Kinder gleichzeitig öffnen können. Piwarz formulierte das im Interview hier im Blog so: "Alle Praktiker stimmen zu, dass die nach dem ersten Corona-Schock entwickelten Abstandsregeln, wenn man sie konsequent anwendet, dazu führen müssten, dass die meisten Kitakinder und möglicherweise auch Grundschulkinder über einen sehr langen Zeitraum ihre Einrichtung gar nicht oder kaum einmal von innen sehen würden." Weswegen, wenn er diese Erkenntnis gegen das Recht der Kinder auf Teilhabe und Bildung abwäge, sagte Piwarz, für ihn zwingend folge: "dass wir einen anderen Weg gehen müssen".

GEW: "Unverständnis, Wut, Angst"

Dieser Weg – normal große, aber streng strenger voneinander getrennte Gruppen in Kitas und Schulen zentrales Element– hatte allerdings massive Proteste ausgelöst. Vor allem viele Pädagogen fürchten, einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt zu sein. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sprach von "Unverständnis, Wut und Angst". Wer mit einer Vorlauffrist von einer Woche ankündige, dass Kitas und Schulen wieder vollständig geöffnet würden, "hat entweder keine Ahnung von der Situation vor Ort oder ignoriert sie mutwillig zugunsten eines Siegertreppchens beim Öffnungswettlauf", sagte Sachsens GEW-Chefin Uschi Kruse. Bildungseinrichtungen müssten sich Kindern zuwenden können, Verlässlichkeit für die Eltern bieten und den Schutz aller Beteiligten sichern, vor allem auch der Beschäftigten. "Wer eines davon aufgibt, sorgt dafür, dass das Gesamtsystem nicht mehr funktionieren kann." Die Gewerkschaft forderte eine Öffnung nur in vorsichtigen Schritten; Risikogruppen und Beschäftigte mit Risikogruppen im eigenen Haushalt seien konsequent zu schützen.

Sachsen geht bei der Öffnung von Kitas und Schulen weiter und schneller voran als fast alle Bundesländer, wie eine aktuelle Übersicht auf der Website des SPIEGEL zeigt. Demzufolge kehren die Kitas auch in Thüringen von diesem Montag an zu einem eingeschränkten Regelbetrieb zurück, dann sollen generell wieder alle Kinder betreut werden. Die Kommunen könnten die Ausweitung allerdings auch noch bis zum 15. Juni verzögern, und es könne je nach Infektionsgeschehen wieder zu Einschränkungen kommen. >>


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>> Währenddessen erreichte eine bundesweite Petition, die mehr Entschiedenheit der Politik bei der Öffnung von Kitas und Grundschulen fordert, mittlerweile 79.000 Unterzeichner. Spätestens vom 18. Mai an müsse überall der Einstieg in die Umsetzung beginnen – "mit dem Ziel, allen Kindern wieder die Möglichkeit zu geben, Krippen, Kindergärten, Tagespflegestellen und Grundschulen sowie dazugehörige Horteinrichtungen zu besuchen".

Doch es gibt eben auch viele Eltern, die in der Corona-Pandemie um die Gesundheit ihrer Kinder fürchten – wie zum Beispiel der Fall des Siebenjährigen zeigt, dem das Leipziger Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz gewährte. Eine Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts mit den Einzelheiten zum Beschluss lag zunächst nicht vor.

Aussetzung der Schulbesuchspflicht als "Mogelpackung"?

Obgleich das Gericht den Angaben des Ministeriums zufolge die Öffnung der Kitas und Schulen nicht grundsätzlich in Frage stellte und offenbar auch nur dem einzelnen Siebenjährigen das Zuhausebleiben erlaubte, reagierte Piwarz mit einer Aussetzung der Schulbesuchspflicht bis zum 5. Juni. Im Ministeriumsblog wird erläutert, was das heißt: "Die Schulpflicht besteht weiter. Neu ist aber, dass ab Montag hier die Eltern selbst entscheiden können, ob ihre Kinder in der Schule oder zu Hause lernen." Es reiche eine formlose Mitteilung per Post oder E-Mail. Der Minister selbst wird mit dem Satz zitiert: "Ich bedaure, dass die Richter die Unterschiede in der Entwicklung und Einsichtsfähigkeit zwischen Kindern und Jugendlichen nicht hinreichend gewürdigt haben. " Das Ministerium wolle den Beschluss vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht anfechten.

Die Bildungsrechtlerin Sibylle Schwarz kommentierte die Entscheidung des Gerichts auf Anfrage auch als Folge einer "miserablen Kommunikation" der geplanten Öffnung durch das Kultusministerium. Die Situation der einzelnen Schülerinnen und Schüler werde durch das Hygienekonzept vor Ort nicht ausreichend abgewogen, sagte Schwarz, die sich als Anwältin vor allem um Schul- und Verwaltungsrecht kümmert. Dass die Pflicht zum Präsenzunterricht vorerst nur bis zum 5. Juni ausgesetzt ist, sei eine "Mogelpackung", da sie sich aufgrund der vielen Feiertage faktisch nur auf wenige Präsenztage beziehe. Bleibe es aber bei dem in Sachsen umgesetzten Konzept, müsse die Präsenzpflicht dauerhaft für alle Schüler entfallen, die für sich persönlich oder ihre Familienmitglieder ein zu hohes Infektionsrisiko sähen.

Kultusminister Piwarz sagte, er verstehe, dass die Umsetzung des Konzepts für ErzieherInnen und Lehrkräfte "eine enorme organisatorische und personelle Herausforderung" bedeute. Er verstehe auch die Gewerkschaften, die die Pädagogen überfordert sähen. "Aber wir dürfen vor allem nicht die Kinder vergessen. Unsere Antwort darauf ist das Konzept für den eingeschränkten Regelbetrieb." Daran wolle er in Absprache mit den kommunalen Trägern von Kitas und Schulen festhalten.


Nachtrag am 15. Mai, 11.45 Uhr:
Auf der Website des Verwaltungsgerichts Leipzig findet sich nun eine ausführlichere Pressemitteilung zum Beschluss. Sie finden ihn hier.


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