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Großer Wurf klein gemacht

Die Jobcenter sollen armen Schülern die Computer zahlen, hat Bundessozialminister Hubertus Heil verkündet. Ein seit Jahren überfälliger Schritt zur Sicherung digitaler Teilhaberechte. Jetzt muss die GroKo den Rest des Weges allerdings auch noch gehen.

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Artikelbild: Großer Wurf klein gemacht

In Sachen digitaler Teilhabe muss die Corona-Pandemie eine Zeitenwende darstellen.

Foto: Stefan Meller / Pixabay.

ES IST EINE der ärgerlichen, ja beschämenden Leerstellen in unserem Bildungssystem: Kinder aus armen Familien bekommen über die normale Grundsicherung hinaus keine Beihilfe zur Anschaffung digitaler Endgeräte – obwohl eigentlich an zwei Dingen kein Zweifel bestehen sollte. Erstens: dass im 21. Jahrhundert zur Bildungsteilhabe auch die digitale Teilhabe gehört. Und zweitens: dass die derzeit 43,92 Euro monatlich, die 6- bis 14-Jährigen im Rahmen des Hartz-IV-Regelbedarfs für "Freizeit, Unterhaltung und Kultur" zur Verfügung stehen, ein Witz sind, wenn damit auch noch die Anschaffung von Laptop oder Tablet und eventuell auch noch einem Drucker bezahlt werden soll.

Doch genau auf diese 43,92 Euro hat bislang etwa das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) verwiesen, wenn mal wieder die Frage kam, wie denn arme Kinder am digitalen Unterricht teilnehmen sollen. Und das durchs sogenannte "Stark-Familien-Gesetz" aufgestockte Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes sieht für den persönlichen Schulbedarf eines gesamten Schuljahres immer noch lediglich 154 Euro vor.

An dieser Schieflage hat auch das im vergangenen Sommer gestartete Digitalpakt-Sonderprogramm für Schüler-Laptops wenig geändert, weil die damit angeschafften Geräte an die Schulen gehen, die dann wiederum entscheiden sollen, welches Kind ein Leihgerät bekommt. Geradezu absurd mutet an, dass die 500 Bundesmillionen dann auch noch per Föderal-Proporz auf die Bundesländer verteilt wurden, obwohl Länder wie Bremen oder Berlin prozentual viel mehr Kinder in der Grundsicherung haben. Und schließlich passt das – immerhin gut nachgefragte – Sonderprogramm auch deshalb nicht richtig, weil es einmalig ist, der Bedarf armer Kinder an digitaler Teilhabe aber dauerhaft besteht.

Kostenübernahme bis zu einer Höhe von 350 Euro

Insofern kommt die Entscheidung, die Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) bereits vergangene Woche bekanntgegeben hat, um Jahre zu spät, ist aber trotzdem in ihrer Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen. Die Jobcenter sollen die Kosten für digitale Schüler-Endgeräte im Regelfall bis zu einer Höhe von 350 Euro übernehmen. Voraussetzung: Die Laptops oder Tablets müssen für die "Teilnahme am pandemiebedingten Distanz-Schulunterricht erforderlich" sein, wie es in der Weisung von Heils Ministerium heißt. Und die Schulen müssen formlos bestätigen, dass die Kinder keine andere Möglichkeit haben, auf Geräte zuzugreifen – zum Beispiel auf Leihgeräte aus dem Digitalpakt.

In einer Presseerklärung räumte Heil schon vergangenen Donnerstag ein, dass die Regelung auch deshalb nötig sei, weil die Digitalpakt-Geräte eben bislang nicht bei allen betroffenen Schülern angekommen seien.

Doch so schön und überfällig Heils Ankündigung, Teil der von der GroKo versprochenen Corona-Hilfen für bedürftige Familien, klingt: Die mitgelieferten Wenns und Abers deuten bereits an, dass sie leider doch nicht der große Wurf ist, der sie sein könnte. Denn anstatt die Gelegenheit zu nutzen, die Kostenübernahme bei der Anschaffung digitaler Geräte dauerhaft als Zusatzleistung der Grundsicherung zu installieren, wird sie zur Krisenhilfe erklärt. Als ob man so grundlegende Teilhaberechte von Kindern und Jugendlichen im digitalen 21. Jahrhundert auf die Dauer der Pandemie und von Distanzunterricht beschränken könnte. >>


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>> Doch genau das tut Heils Ministerium, wenn es in der Weisung an die Jobcenter behauptet, bislang sei es nicht nötig gewesen, dass jede Schülerin und jeder Schüler ein eigenes Gerät zur Teilnahme am Unterricht gehabt habe. Faktisch mag das angesichts der verschlafenen Digitalisierung im deutschen Schulsystem sogar so gewesen sein, doch sollte – muss! – spätestens die Corona-Pandemie hier eine Zeitenwende darstellen. Woraus folgt: In der Beschränkung der Kostenübernahme auf die Krise will die Bundesregierung arme Schüler offenbar mittelfristig wieder ins digitale Bildungsabseits zurückschicken.

Damit soll die aktuelle Entscheidung an sich nicht klein geredet werden. Im Gegenteil: Sie bleibt, ich habe es gesagt, in ihrer Bedeutung gar nicht hoch genug einzuschätzen. Allerdings nur, wenn die Bundesregierung bald begreift, dass sie hier nachlegen muss. Indem sie die derzeit bis Ende 2022 befristete Ausnahmeregelung zur Dauerinstitution macht. Den Fuß in der Tür hat Hubertus Heil jetzt immerhin.

Zumal bereits im vergangenen Sommer mit Berlin ein SPD-regiertes Land bereits einen entsprechenden Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht hatte. Der Bundesrat solle die Bundesregierung auffordern, "sicherzustellen, dass bei Schülerinnen und Schülern im Leistungsbezug zukünftig die Anschaffung eines digitalen Endgerätes berücksichtigt wird."


Wieviel ist der Politik die digitale Teilhabe aller Kinder

außerhalb von Krisenzeiten wert?

Oliver Kaczmarek, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, hat heute in einem Pressestatement gesagt, die SPD arbeite mit den Ländern und im Bund "mit großen Schritten am Ziel einer digitalen Lernmittelfreiheit". Sozialminister Heil habe mit seinem "entschlossenen Handeln den Maßstab gesetzt. Die SPD kämpft gegen Bildungsarmut und für digitale Teilhabe."

Der Maßstab, da hat Kaczmarek Recht, ist gesetzt. Und genau daran wird sich die SPD wie auch die nächste Bundesregierung in Hinblick auf eine langfristige Strategie für die "digitale Lernmittelfreiheit" messen lassen müssen. Es wäre schlimm, wenn der Eindruck entstünde, dass der Politik die gute digitale Bildung aller Kinder in normalen Zeiten nicht das nötige Geld wert wäre.

In seinem Statement gibt Kaczmarek der Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) gleich noch einen Seitenhieb mit. Seit über einem halben Jahr warte man auf die versprochene Lösung für den mobilen Internetzugang auf digitalen Endgeräten. Auch die "Bildungsflatrate" gehörte zu den Versprechungen an alle Schüler, die bislang nur unvollständig eingelöst wurden. Doch aus dem BMBF kamen in der Sache über Monaten nur schwammige Aussagen, und im Hintergrund läuft ein Streit mit den Ländern über die Modalitäten.

Währenddessen hat die Ministerin erst neulich einen neuen Anlauf unternommen und vorgeschlagen, den Bildungsföderalismus durch eine Grundgesetzänderung so zu verändern, dass Bund und Länder besser zusammenarbeiten können. Bei der Bildungs-Flatrate könnte sie vereint mit den Ländern schon jetzt Tatkraft zeigen. Und, das gilt dann wieder für die gesamte Bundesregierung, auch bei der digitalen Bildungsteilhabe braucht die GroKo keine Grundgesetzänderung. Sie braucht lediglich die Bereitschaft, auf Dauer mehr Geld für die junge Generation ausgeben zu wollen.


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Kommentare

#1 -

Martina Grosty | Do., 04.02.2021 - 11:17
Alles Gute kommt von der Union. Online Unterricht hat seine Probleme mit Urheberrecht, Copyrights. Die gutenberg.org ist wegen einem uraltem Buch aus
Deutschland nicht erreichbar. Alle Unis Bibliotheken sind Online zu. Privat Bildung über Schulplattformen gesperrt. Und immer mehr Seiten machen wegen Unsicherheiten Schluss. Dafür wächst die kommerzielle Abzocke über Werbung und Betrug. Tracking bis ins Bett hinein. Staatliche Trojaner in der China Manier. Leistungschutzrecht, alles gut, dann sollte man sich über Amazon verkaufen und nicht die Internet Struktur belasten.
Liebe Grüße aus Berlin
Martina Grosty

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