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Der Programmbericht zur Exzellenzinitiative liegt vor. Eine Einordnung

Es ist schon ein Reflex. Wann immer man Bundesforschungsministerin Johanna Wanka nach der Zukunft der Exzellenzinitiative fragt, lautet ihre Antwort: Warten wir die Ergebnisse der Imboden-Kommission ab. Besetzt mit internationalen Experten und benannt nach ihrem Vorsitzenden, dem Schweizer Wissenschaftsmanager Dieter Imboden, soll sie die Bund-Länder-Initiative bewerten und Empfehlungen aussprechen, wie es nach dem Ende der aktuellen Förderperiode im Dezember 2017 weitergehen könnte.


Jetzt liegt erstmals öffentlich der Programmbericht vor, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Wissenschaftsrat im Juni an Bund und Länder geschickt haben. Mit seiner umfangreichen Datensammlung zählt er zu den wichtigsten Dokumenten überhaupt, die der Imboden-Kommission für ihre Entscheidung zur Verfügung stehen, und ist gleichzeitig der zentrale Rechenschaftsbericht der beiden Wissenschaftsorganisationen, die den Exzellenzwettbewerb im Auftrag der Politik umgesetzt haben. Insofern, das weiß auch die Kommission, sind seine überwiegend positiven Aussagen mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln.


Laut Programmbericht gebe es „zahlreiche direkte und indirekte Hinweise“ darauf, dass die Exzellenzinitiative die beabsichtigten Wirkungen tatsächlich erzielt habe – und zwar „in einem im Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln erstaunlichen Umfang“. So habe sie in bisher ungekannter Weise Gestaltungsfreiräume für die universitäre Forschung eröffnet, die Universitäten zu einer ehrlichen Analyse ihrer Stärken und Schwächen bewegt und eine „Dynamisierung des Wissenschaftssystems“ erreicht. Diese lasse sich an der Fülle höchstrangiger Publikationen und ganz grundsätzlich an den Drittmitteln ablesen, die die Exzellenzuniversitäten zusätzlich eingeworben hätten. Teil des mehrere hundert Seiten starken, mit insgesamt fünf Anhängen versehenen Programmberichts ist ein Auszug aus dem kürzlich veröffentlichten DFG-Förderatlas. Demzufolge haben die in der Initiative erfolgreichen 45 Universitäten 82 Prozent aller DFG-Fördermittel abgeräumt.


Laut Bericht sind allein 2013 rund 4100 Doktoranden, 1200 Postdocs, 230 Nachwuchsgruppenleitungen und 390 Professuren aus der Exzellenzinitiative finanziert worden – mit der Folge, dass die Universitäten ihre Berufungs- und Personalpolitik zum Teil neu ausgerichtet hätten. Im Ergebnis, so folgern DFG und Wissenschaftsrat, habe sich das Ansehen der deutschen Wissenschaft im In- und Ausland erheblich verbessert.


Skeptische Töne sucht man in den Bericht fast vergeblich. Am deutlichsten werden sie noch in einer Studie, die zwei externe Forschungsinstitute (prognos und Johanneum Research) beigesteuert haben. So kritisieren die an den Exzellenzverbünden beteiligten Wissenschaftler in einer Umfrage eine zunehmende Konkurrenz zwischen Fakultäten und die vergrößerte Kluft zwischen vermeintlich prestigeträchtigen und weniger prestigeträchtigen Forschungsgebieten. Durch die einseitige Förderung großflächiger Verbundforschung werde andere exzellente Forschung in den Hintergrund gedrängt. Was die Kritik umso brisanter macht: Die befragten Wissenschaftler profitieren selbst von der Förderung – wie hätten sich erst die nicht geförderten Forscher geäußert?


DFG und Wissenschaftsrat bewegt eine andere Frage: wie die Graduiertenschulen, Exzellenzcluster und Zukunftskonzepte, sobald sie aus der Förderung fallen, weiterbestehen können. Hier hat sich – ganz uneigennützig – die DFG der Politik bereits mehrfach als Auffangnetz angedient.


Kante zeigen die beiden Organisationen, wenn es um die anstehende Weiterentwicklung des Wettbewerbs geht: Wichtigste Erfolgsfaktoren der Exzellenzinitiative seien ihr Exzellenzanspruch, die Förderung bester Forschung, die strikte Qualitätsauswahl und die Federführung der Antragstellung bei den Universitäten. Die klare Botschaft: keine Aufweichung! Im Januar 2016 wird die Imboden-Kommission darauf reagieren.


Eine kürzere Fassung dieses Artikels ist auch in der heutigen Ausgabe der ZEIT erschienen.

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