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Sehr sensibel: Warum sich in Berlin zwei Staatssekretäre um den Polizeieinsatz in einer Hochschule streiten

Es kommt nicht oft vor, dass ein Staatssekretär der Berliner Landesregierung sich bei einem anderen beschwert – und erst recht nicht, dass so ein Brief dann seinen Weg in die Öffentlichkeit findet. Am 8. April schrieb Steffen Krach (SPD) von der Senatsverwaltung für Wissenschaft an Bernd Krömer (CDU), sein Pendant in der Senatsverwaltung für Inneres, Betreff: Polizeieinsatz an der Alice-Salomon-Hochschule. „Mit Verwunderung“ habe er die Presseberichterstattung und die Schilderungen des Hochschulrektors Uwe Bettig zur Kenntnis genommen, formulierte Krach, er bitte seinen Kollegen, „mir Ihre Sicht der Dinge darzulegen“.

Am 2. April war ein Demonstrationszug von Neonazis an der Hellersdorfer Hochschule vorbeigezogen. Als Gegendemonstranten aus dem Gebäude heraus ein Transparent mit der Aufschrift „Rassist*innen blockieren und Nazis angreifen“ entrollten, seien bis zu „20 bis 30 Beamte“ in die Hochschule eingedrungen, zitiert der Tagesspiegel Rektor Bettig, der das Vorgehen der Polizei als „erschreckend“ bezeichnete. Die Beamten hätten Studenten und eine Professorin „ziemlich unfreundlich ins Audimax genötigt“ und von zahlreichen Unbeteiligten die Personalien aufgenommen. Dabei habe er doch der Einsatzleitung der Polizei im Vorfeld angeboten, bei möglichen Konflikten zu vermitteln.

Krachs Brief, in dem er nun von Krömer Aufklärung fordert, hat einen hohen symbolischen Wert in der Berliner Hochschullandschaft. Insofern hat er ihn auch gleich an die Landesrektorenkonferenz geschickt. Die Botschaft an die Hochschulen: Im Zweifel stehen wir auf eurer Seite.

Was wohl auch nötig sein wird, wenn man wiederum die kürzlich versandte Antwort von Staatssekretär Krömer liest, die ebenso wenig vertraulich blieb. Vor allem der letzte Satz des zweiseitigen Schreibens hat es in sich: Im Ergebnis teile er Krachs Verwunderung darüber, „dass ein rechtlich und verhältnismäßiges Vorgehen der Polizei zu einer öffentlichen Äußerung des Hochschulrektors geführt“ habe.

Seinen eigenen Kollegen so süffisant misszuverstehen, ist schon ein unfreundlicher Akt. Von Schuldbewusstsein in der Innenverwaltung: keine Spur. Alles rechtmäßig gelaufen. Überhaupt ist Krömers Schreiben von einem ziemlich herablassenden Ton geprägt. Beispiel: „Zu betonen ist, dass es sich bei strafprozessualen Maßnahmen der Einsatzkräfte nicht um die Beseitigung einer allgemeinen Ordnungsstörung handelte, bei der im Rahmen des eigenen Ermessensspielraumes auch Gelegenheit zu kommunikativen Verhandlungslösungen besteht, sondern um ein rechtlich gebotenes Einschreiten im Rahmen des Strafverfolgungszwanges.“ Sprich: Wir haben es gar nicht nötig, vorher mit dem Rektor zu sprechen.

Wie der Tagesspiegel erinnert, hat Krömer bereits vor zwei Jahren in einem ähnlichen Fall ein ziemlich harsches Schreiben an Bettig verfasst.

Auf meine Anfrage hin kommentiert Wissenschaftsstaatsekretär Krach das Antwortschreiben nun so: „Die Erwiderung der Innenverwaltung überzeugt nicht. Nach wie vor ist unklar, warum nicht vor dem Einsatz Kontakt zur Hochschulleitung aufgenommen wurde." Ebenso wenig sei aus Sicht der Wissenschaftsverwaltung Bettigs Vorwurf entkräftet, dass der Einsatz unverhältnismäßig sei. "Der Innenverwaltung fehlt offenbar auf jeden Fall das Verständnis dafür, dass ein solcher Polizeieinsatz auf einem Hochschulgelände sehr sensibel ist.“

Der Streit um den Einsatz beschäftigt auch das Berliner Abgeordnetenhaus: Innensenator Frank Henkel, gerade gekürter CDU-Spitzenkandidat für die Wahl im Herbst, musste sich vergangene Woche in einer parlamentarischen Fragestunde zu den Geschehnissen an der Alice-Salomon-Hochschule äußern.


Was die Sache noch brisanter macht: In einem Transparent, das die Neonazis bei ihrer Demo am 2. April hochhielten, konnten die Einsatzkräfte keinen Strafverfolgszwang erkennen. Dort war zu lesen: „Linksfaschisten haben Namen und Adressen.“ Wie Senator Henkel vor dem Parlament ausführte: Der Justizar der Berliner Polizei habe beide Seiten geprüft, "und das Transparent der Rechten mit einem ähnlichen Schriftzug wurde so eingeschätzt, dass es den Straftatbestand nicht erfüllt, und deshalb ist man davon ausgegangen." Für Henkel und seinen Staatssekretär Krömer ist die Sache damit offenbar erledigt.

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