Direkt zum Inhalt

Akkreditierung: So will die KMK das System neu ausrichten

Ihr Aufruf hat für Aufsehen gesorgt. Vor vier Wochen forderte eine Gruppe Heidelberger Professoren in der FAZ, die Akkreditierung von Studiengängen ersatzlos zu streichen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Genehmigungspraxis im Februar in ihrer gegenwärtigen Form für verfassungswidrig erklärt. "Haben Sie Mut, sich des Karlsruher Urteils zu bedienen!", schrieben die Heidelberger nun an die Adresse der Wissenschaftsminister und Landtage – die Qualitätssicherung gehöre zurück in die Hände der Universitäten. Zur Unterstützung des "Heidelberger Aufrufs" starteten der Münchner Philosophieprofessor Julian Nida-Rümelin und Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsminister Mathias Brodkorb eine Online-Petition, zuletzt verlinkte die Professorengewerkschaft DHV die Petition auf ihrer Website.

Mal abgesehen von dem sehr eigentümlichen Qualitätsbegriff, den die Heidelberger da in ihrem Aufruf offenbarten (siehe hierzu meinen Blogeintrag vom 12. Mai): Die Wissenschaftsministerien, so scheint es, lassen sich von dem Getöse nicht beeindrucken. Vergangenen Freitag haben die KMK-Amtschefs die Weichen gestellt für eine Reform der Akkreditierung, und ihre Pläne hören sich nicht gerade nach Tabula rasa an. Die Parole habe "Evolution, nicht Revolution" gelautet, berichtet ein Sitzungsteilnehmer.

Was nicht heißt, dass die Staatssekretäre dafür plädieren, nur die juristischen Vorgaben des Verfassungsgerichts abzuarbeiten. In einem Staatsvertrag sollen darüber hinaus die Regeln zur Akkreditierung flexibilisiert werden. In dem Arbeitspapier, das die Staatssekretäre beschlossen, werden dazu verschiedene Möglichkeiten aufgelistet: So könnten etwa die Fristen verlängert werden, so dass Hochschulen künftig mehr Studiengänge im Cluster akkreditieren lassen können. Die Reakkreditierung von Programmen könnte sogar nur noch dann erfolgen, wenn es substanzielle Änderungen in einem Studiengang gibt. Auch könnten für Programm- und Systemakkreditierungen künftig unterschiedliche Fristen gelten.


Was das Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteure angeht, liegen die Unterschiede zur bisherigen Praxis im Detail – dürften sich allerdings als umso folgenreicher erweisen. Fest steht: Der Akkreditierungsrat bleibt bestehen, und eine Übertragung seiner Funktion auf den Wissenschaftsrat schließen die Staatssekretäre aus; allerdings soll in seiner Zusammensetzung der Einfluss der Professoren deutlich gestärkt werden, damit, wie es in dem Arbeitspapier heißt, "die für wissenschaftsrelevante Entscheidungen professorale Majorität sichergestellt wird". Möglicherweise wird der Akkreditierungsrat künftig ähnlich wie der Wissenschaftsrat aus zwei Kammern bestehen: aus einer Verwaltungskommission und einer Wissenschaftlichen Kommission.

Die institutionelle Akkreditierung privater Hochschulen soll weiter in die Zuständigkeit des Wissenschaftsrats fallen. Auf eine größere Veränderung können sich hingegen die Agenturen gefasst machen, die bislang die konkreten Akkreditierungsverfahren vor Ort administrieren und dabei, wie viele Hochschulen kritisieren, in der Vergangenheit ihren Gestaltungsspielraum überstrapaziert hätten. Künftig, so eine wahrscheinliche Option, könnte die Entscheidungsbefugnis zur Verleihung des Akkreditierungssiegels beim Akkreditierungsrat liegen, während die Agenturen auf die Organisation der Begutachtung und die Beratung der Hochschulen beschränkt würden.

Am Ende waren die Amtschefs selbst überrascht, wie geschmeidig ihre Sitzung lief. Es herrschte große Einigkeit – größere Einigkeit, als einige Beobachter im Vorfeld erwartet hatten. Nicht mal eine formale Abstimmung war mehr nötig. Und nur ein Land hielt – erwartungsgemäß – dagegen: Mecklenburg-Vorpommern: Man vermisse eine grundsätzliche Diskussion, sagte der zuständige Abteilungsleiter, der seinen Staatssekretär vertrat. Der Zeitdruck durch die Verfassungsgerichtsentscheidung bestehe allein für Nordrhein-Westfalen – warum also dem als KMK insgesamt nachgeben?

Das sahen die übrigen Sitzungsteilnehmer ganz anders. Sie entschieden sich, sogar noch einen draufzusetzen. Um der öffentlichen Kritik an der Akkreditierung ein entschiedenes Votum entgegenzusetzen, einigten sich die Staatssekretäre, an den Anfang ihrer Beschlussvorlage für ihre Minister "eine grundsätzliche Bestätigung und Würdigung des Akkreditierungssystems als wissenschaftsgeleitete externe Qualitätssicherung in Studium und Lehre" zu stellen. Ein deutliches, ein eindeutige Signal.

Diesen Donnerstag sollen die Wissenschaftsminister über die Vorschläge ihrer Staatssekretäre beraten, anschließend müsste der KMK-Hochschulausschuss die Details ausarbeiten. Bis Oktober sollen die Ergebnisse dann wieder den Ministern vorgelegt werden.


Nachtrag: Anlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war die Klage einer privaten Hochschule gegen die institutionelle Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat. Doch ausgerechnet dieses Thema haben die Staatssekretäre vergangene Woche ausgeklammert. Im Sitzungsprotokoll steht lediglich, die Notwendigkeit, auch die institutionelle Akkreditierung privater Hochschulen zu überprüfen, "wird bestätigt. Dieser Frage soll jedoch gesondert nachgegangen werden".

Neuen Kommentar hinzufügen

Ihr E-Mail Adresse (wird nicht veröffentlicht, aber für Rückfragen erforderlich)
Ich bin kein Roboter
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.

Vorherige Beiträge in dieser Kategorie


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Warum Zivilklauseln nett klingen, aber nicht funktionieren können

Hochschulpolitik ist immer auch Symbolpolitik. Beispiel Zivilklausel: Viele Universitäten haben sich eine gegeben und damit selbst verpflichtet, ihre Forschung ausschließlich friedlichen Zwecken zu widmen. Den Anfang machte vor 30 Jahren die Universität Bremen; die Friedensbewegung feierte damals den Beginn einer neuen Ära.


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Was die neue Absolventenstudie wirklich über den Erfolg von Bologna aussagt – und was nicht

Heute hat das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), formerly known as HIS, die Ergebnisse seiner neuen Absolventenbefragung veröffentlicht. Und da die Studie wie alle ihre Vorgänger seit 1989 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (bzw.


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Zehn Semester, 46 Prozent und der Wert einer Zahl

Wahrscheinlich ist es eine typisch deutsche Besessenheit. Und zwar an beiden Enden der Skala. Beginnen wir mit einer Zahl: 46 Prozent. Das ist der Anteil der Bachelor-Absolventen, die dem Statistischen Bundesamt zufolge ihr Studium in der Regelstudienzeit abschließen. Und nur 34 Prozent schaffen auch noch den Master im vorgegebenen Zeitrahmen.


Nachfolgende Beiträge in dieser Kategorie


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Prognose: Einigung

Wenn es ein Wettbüro für Wissenschaftspolitik gäbe, herrschte dort gerade Hochsaison: Morgen Nachmittag werden Kanzlerin und Ministerpräsidenten über die Zukunft der Exzellenzinitiative, neudeutsch: ExStra, abstimmen. Als einer von zahlreichen Programmpunkten.


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Exzellenzinitiative: So ist der Stand der Verhandlungen

Wasserstand kurz vor Mittag: Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) sagte vor zwei Stunden in der Pressekonferenz zum Bildungsbericht, sie wolle eine gutes Ergebnis. Am liebsten heute. Aber mit Präferenz auf einem guten Ergebnis. Deutet sich da die Verschiebung an? Einige munkeln heute Vormittag bereits von einem neuen Anlauf in zwei Wochen.


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Kompromissformel 11+4?

Eigentlich musste die Kanzlerin um 18 Uhr weg aus Berlin, doch sie ist geblieben: Das Treffen von Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten geht in die Verlängerung. Ein Kompromissvorschlag liegt auf den Tisch, der erstmals die echte Chance auf eine Einigung bietet. Die neue Formel lautet: 11+4.