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Bitte lasst die Kinder nicht die Zeche zahlen!

Nach dem Oktoberfest haben sich in München die Corona-Zahlen vervierfacht, auch anderswo steigen die Inzidenzen. Die Erwachsenen treiben Corona, und die Kinder tragen demnächst wieder Maske? Kein unwahrscheinliches Szenario.

DAS OKTOBERFEST in München ist gestern zu Ende gegangen. Die offizielle Corona-Inzidenz in der bayerischen Landeshauptstadt erreichte am Wochenende 834. Viermal so viel wie zu Beginn der Wiesn Mitte September. Bundesweit stieg die Inzidenz im selben Zeitraum nur um die Hälfte auf zuletzt 374.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) twitterte mit Blick auf den steilen Anstieg, er zeige, "was passieren wird, wenn die Länder mit der Maskenpflicht im Innenraum zu lange warten".

Richtiger wäre: Der Anstieg steigt, was passiert, wenn Erwachsene in die ohnehin beginnende Herbstwelle hinein feiern, was das Zeug hält. Praktisch ohne Schutzmaßnahmen, in stickigen Bierzelten, zu Tausenden eng aneinander gepresst.

Trotzdem steht zu befürchten, dass für die Eskapaden der Erwachsenen demnächst nicht diese, sondern wieder einmal die Kinder und Jugendlichen die Zeche zahlen. Denn auch wenn Lauterbach allgemein auf die Möglichkeit zur Verhängung der Maskenpflicht hinweist, könnte es praktisch vor allem auf die Verhängung einer Maskenpflicht in den Schulen ab Klasse fünf hinauslaufen.

Erwachsene werden stärker in die Pflicht genommen als Kinder? Fast unvorstellbar

Demgegenüber scheint fast unvorstellbar, dass zunächst im Einzelhandel oder in Restaurants wieder Masken getragen werden müssten. Obwohl die Länder dies nach den geltenden Regeln mit Blick auf die aktuelle Corona-Lage ebenfalls festlegen könnten. Doch dann würden ja die Erwachsenen stärker in die Pflicht genommen als die Kinder.

Die Realität konnte aber auf dem Münchner Oktoberfest beobachtet werden. Alle Experten hatten vor der Wiesn-Welle gewarnt. Doch schon das Verlangen von Selbsttests am Eingang hielten die Behörden für eine zu große Zumutung für die Partygänger – worauf Karl Lauterbach in seinem Tweet ebenfalls und zu Recht hinweist.

Insofern stimmig, dass die Bundesarbeitsschutzverordnung für Erwachsene auch in Büros und Betrieben eine generelle Maskenpflicht gar nicht mehr vorsieht. Es sei denn, sie sind öffentlich zugänglich, dann gelten für Büros die oben erwähnten Innenraum-Regeln.

Dabei haben Kinder die niedrigeren Corona-Inzidenzen

Dabei zeigen die Corona-Statistiken des Robert-Koch-Instituts (RKI) eindrücklich, dass Schulkinder und Jugendliche sogar unterdurchschnittliche Melde-Inzidenzen haben (zwischen 204 und 297). Das war lediglich anders, als für sie einseitig verschärfte Testpflichten bestanden. Seit hier gleiche Regeln für alle gelten, liegen die Erwachsenen zwischen 25 und 60 wieder klar vorn. Sie sind die gesellschaftlich aktivsten. Und übrigens auch genau die Altersgruppe, die beim Oktoberfest den größten Besucheranteil gestellt haben dürfte.

Wenn demnächst also mehr und mehr Bundesländer erwartbar die Regeln verschärfen, kann und sollte man es immer wieder sagen: Es sind die Erwachsenen, nicht die Kinder, die für die Eindämmung von Corona verantwortlich sind. Ob dafür die Maskenpflicht in Innenräumen ein geeignetes Mittel ist, sei dahingestellt. Denn dafür müssten die Masken auch korrekt getragen werden (was ein Mitdenken und Mitwollen des Trägers voraussetzt).

Immer wieder sagen sollte man auch dies: Eine Maskenpflicht ab Klasse fünf ist dann und nur dort möglich, wo andernfalls kein geregelter Präsenzunterricht mehr aufrechterhalten werden wäre. Die Hürde ist also extrem hoch. Höher als im Einzelhandel oder in Restaurants. Man würde sich wünschen, dass dieser Unterschied praktisch eine Rolle spielte in den nächsten Monaten. Morgen treffen sich die Kultusminister in Berlin zu ihrer Herbstsitzung. Sie sollten sich noch einmal sehr deutlich vor die Kinder stellen.

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