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Der Traum vom Neustart für den Bildungsföderalismus

Wie würde die KMK aussehen, wenn man sie komplett neu planen könnte? Klingt so betörend wie unrealistisch. Umso erstaunlicher, dass die Kultusminister genau diese Frage jetzt durch externe Berater beantworten lassen wollen.

WIE OFT HAT die Kultusministerkonferenz (KMK) versprochen, sich zu reformieren. Kein Wunder, denn der Bildungsföderalismus steckte schon lange vor Corona in der Dauerkrise. Bei Umfragen sprechen sich regelmäßig 60 Prozent und mehr gegen die Kultushoheit der Länder aus, ein bundesweites Zentralabitur wollen über 80 Prozent. Kaum jemand im Land weiß genau, was die KMK eigentlich macht. Und bis Journalisten auf die Idee kommen, der KMK-Präsidentin ein Mikro hinzuhalten, hat die Bundesbildungsministerin zu Schulfragen schon drei Interviews gegeben. Obwohl sie gar nicht zuständig ist.

Das immerhin ändert sich gerade, weil Karin Prien, die dieses Jahr den KMK-Vorsitz führt, den offensichtlichen Ehrgeiz hat, die Kultusministerkonferenz in der Öffentlichkeit als das darzustellen, was sie sein sollte: als Schaltstelle der nationalen Bildungspolitik.

Nur können alle Hintergrundgespräche, Briefings und proaktiven Pressestatements – auch rund um die heutige KMK-Herbstsitzung –eben nicht darüber hinwegtäuschen, dass die KMK bislang wenig von den Erneuerungsschwüren eingelöst hat, die ihre Mitglieder seit ihrem 70. Geburtstag Anfang 2018 abgegeben haben.

Statt dem erhofften Wumms gab es eine unverbindliche Ländervereinbarung

Statt dem von vielen erhofften Wumms eines neuen Bildungsstaatsvertrags gab es nach jahrelangen Verhandlungen eine rechtlich weitgehend unverbindliche Ländervereinbarung mit nett zu lesenden Problembeschreibungen und Lösungsversprechen. Eine eigens eingerichtete Strukturkommission dokterte ein bisschen an der Zusammensetzung des KMK-Präsidiums, ließ ansonsten aber von den komplexen Entscheidungsabläufen die Finger. Die Behörde hinter der KMK, das sogenannte Sekretariat, ließ man ebenfalls unangetastet. Obwohl, da sind sich die meisten Kultusminister einig, als allererstes das Sekretariat ein anderes werden müsste, um die KMK zu reformieren.

Das alles soll jetzt eine weitere Strukturkommission packen. Titel: "Weiterentwicklung der Kultusministerkonferenz und des Sekretariats der Kultusministerkonferenz" – deren Einrichtungsbeschluss aber auch schon wieder ein Jahr alt ist. Umso mehr lässt aufhorchen, was jetzt aus der KMK dringt: Das Sekretariat hat auf Geheiß der Minister einen Aufruf gestartet. Bis 26. Oktober sollen sich Unternehmensberatungen bewerben. Missionsinhalt: Die Beratung der KMK mit der handlungsleitenden Frage, "wie eine Kultusministerkonferenz, ihre Strukturen und Prozesse aussehen könnte, sollte diese sich neu konstituieren".

Die Vorstellung, man könne den Bildungsföderalismus auf einem weißen Blatt Papier komplett neu planen, ist so betörend wie unrealistisch. Umso ermutigender, dass es diese Formulierung überhaupt in die Ausschreibung geschafft hat. Ein "umfassender Evaluationsprozess" ist gewünscht, den die zu beauftragende Agentur organisieren, strukturieren und mit "explorativen Analysen der Ebenen der KMK" vorantreiben soll. Nächstes Jahr schon soll der Abschlussbericht fertig sein mit "Handlungsempfehlungen" und "Implementationsstrategien".

Trockene Formulierungen, die doch geeignet sind in Aufregung zu versetzen: jene in der KMK, die Veränderungen fürchten. Und jene, die sie sich dringlich wünschen, weil ansonsten die Geduld der Deutschen mit ihrem Bildungsföderalismus irgendwann zu Ende gehen wird. Die einen wie die anderen wissen: Die Ergebnisse der Evaluation werden weitreichend sein. Und nicht unter der Decke zu halten. Gut so. Das ist die Chance für die KMK. Vielleicht ihre letzte.

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEIT-Newsletter WISSEN3.

Kommentare

#1 -

Falk Radisch | Do., 06.10.2022 - 15:14
Warum um alles in der Welt fragt man Unternehmensberatungen? Ist die KMK die Dachorganisation der Bildungswirtschaft? Es gibt genügend Expertise, die seit Jahrzehnten Lösungen vorlegt, vorschlägt, überhört, ignoriert wird. Nunja, dann jetzt also neoliberale Ökonomisierung des Bildungssektors auf dieser Ebene. Traurig.

#2 -

Irritiert | Fr., 07.10.2022 - 10:00
Ich schließe mich dem Erstkommentator an. Weshalb Unternehmensberatungen? Es gibt genügend Hochschul- und Bildungsforscher*innen, die sich mit solchen intermediären Konstellationen auseinandersetzen und mitunter selbst beratend tätig sind. Es wäre eine tolle Chance gewesen, diese Expertise für solch ein wichtiges Vorhaben zu nutzen.

#3 -

Klaus Luther | Do., 13.10.2022 - 10:24
Es ist zu hoffen, dass neuerliche Vorschläge zu Strukturreformen der KMK und ihres Sekretariats auch die internationale, europäische wie weltumspannende Zusammenarbeit, das Voneinander lernen eingeschlossen, bedenken. Da ist die Länderseite nämlich ganz schwach aufgestellt, sehr zum Vorteil des Bundes.

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