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Digitalpakt 2.0: Die Schuldenbremse darf nicht zur Schulbremse werden!

Die Verhandlungen von Bund und Ländern ziehen sich. Die Schulen brauchen aber endlich ein Zeichen, wie es nach Auslaufen des aktuellen Digitalpakts Schule weitergeht. Ein Gastbeitrag von Franziska Krumwiede-Steiner.

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Artikelbild: Digitalpakt 2.0: Die Schuldenbremse darf nicht zur Schulbremse werden!

Franziska Krumwiede-Steiner (Bündnis 90/Die Grünen) ist Lehrerin für Deutsch und Geschichte und seit März 2024 nachgerückte Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Foto: Carsten Andrea.

NOCH IM FEBRUAR stand ich, um E-Mails zu beantworten, dicht gedrängt mit meinen Kolleginnen und Kollegen am einzigen Fenster im Lehrerzimmer, an dem wir Empfang hatten. Jeden Tag bin ich bepackt mit meinem privaten Beamer und meinem eigenen GigaCube von Raum zu Raum gewandert, um den Schülerinnen und Schülern kollaboratives Arbeiten mit digitalen Lernplattformen oder Visualisierungen jenseits der störanfälligen Overhead-Projektoren zu ermöglichen.

Als Mitglied des städtischen Bildungsausschusses musste ich 2023 zur Kenntnis nehmen, dass der Glasfaseranschluss meiner Schule im Norden der Stadt Mülheim, die sich gerade erst aus dem Nothaushalt befreit hatte, bis Ende 2025 dauern würde und die Stadt für mobile WLAN-Stationen keine Mittel mehr hat.

Dass an unseren Schulen immer noch Aufholbedarf bei der digitalen Ausstattung besteht, bestätigt nicht nur meine anekdotische Evidenz, das zeigen auch internationale Vergleichsstudien wie die letzte PISA-Studie oder Erhebungen wie die letzte forsa-Schulleiterbefragung.

Angesichts dieser Herausforderungen war ich als kürzlich nachgerückte Bundestagsabgeordnete überrascht, wie lange sich die Verhandlungen von Bund und Ländern zum Digitalpakt 2.0 schon hinziehen.

Die Qualität digitaler Bildung darf nicht von der Postleitzahl abhängen

Die Schulen und die Kommunen als Schulträger brauchen endlich ein Zeichen, wie es nach Auslaufen des aktuellen Digitalpakts Schule Ende 2024 weitergeht. Die Qualität digitaler Bildung darf nicht von der Postleitzahl, sprich vom städtischen Haushalt einer Kommune, abhängen. Der Digitalpakt ist daher auch ein Projekt der Bildungsgerechtigkeit.

Es wird Zeit, dass sich nicht nur das BMBF zum Anschlusspakt bekennt, sondern auch das Bundesfinanzministerium endlich Aussagen zum Volumen trifft, um die Verhandlungen voranzubringen. Das aktuelle Aufstellungsverfahren für den Bundeshaushalt 2025 ist entscheidend, um die drohende Förderlücke zu verhindern.

Der Digitalpakt 2.0 darf nicht an der zukunftsgefährdenden Sparpolitik eines Christian Lindners scheitern, die nicht nur Schulden, sondern ganz konkret unsere Schulen bremst. Eine Reform der Schuldenbremse ist nötig, denn ein weiteres Sparen an Zukunftsinvestitionen wie Bildung und Digitalisierung schadet nicht nur den individuellen Entwicklungschancen unserer Kinder, sondern unserer Wirtschaft, die schon jetzt mit einem sich immer weiter verschärfenden Fachkräftemangel zu kämpfen hat – gerade im MINT-Bereich.

Was über den Erfolg des Digitalpakts 2.0 entscheidet

Natürlich ist es mit frischem Geld von Bund und Ländern allein nicht getan. Der Digitalpakt 2.0 muss pädagogisch sinnvoll eingebettet sein. Die Konzepte zum sinnvollen Einsatz digitaler Medien liegen bei so gut wie allen Schulen in der Schublade, einzig die Technik fehlt, um die Konzepte auch umzusetzen. Damit der Digitalpakt 2.0 zum Erfolg wird, sind für mich außerdem folgende Punkte entscheidend:

O Die Mittel des Digitalpakt 2.0 müssen evidenzbasiert verteilt werden. Das Startchancen-Programm mit der teilweisen Abkehr vom Königsteiner Schlüssel sollte hier als Blaupause dienen. Der Digitalpakt 2.0 könnte das zweite große Bund-Länder-Projekt werden, das im Bereich Schule nach realen Bedarfen fördert. Dafür ist ein neuer Verteilschlüssel nötig, der zum Beispiel die Zahl der Schülerinnen und Schüler, den Nachholbedarf im Bereich Digitalisierung (etwa anhand bestehender Daten aus dem ersten Digitalpakt) und die Wirtschaftskraft der Länder berücksichtigt.

O Neben der technischen Ausstattung müssen die Digitalpakt-Mittel eine IT-Administration an den Schulen rechtssicher ermöglichen. Hier braucht es Fachleute, und die ohnehin schon stark eingespannten Lehrkräfte müssen von diesen Zusatzaufgaben entlastet werden. Auch hier zeigt das Startchancen-Programm mit dem Fokus auf multiprofessionelle Teams den Weg in die richtige Richtung.

O Vielleicht am wichtigsten sind Investitionen in die Lehrkräfteaus-, -fort- und -weiterbildung. Die Nutzung digitaler Technik allein ist kein Fortschritt. Ein schlechtes Arbeitsblatt ist kein gutes, nur weil es digitalisiert wurde. Lehrkräfte müssen zielgerichtet aus- und fortgebildet werden, auch gerade im Umgang mit Künstlicher Intelligenz, die längst angekommen ist im Klassenzimmer. Lehrerinnen und Lehrer sollten eine kritische Auseinandersetzung mit Medienangeboten und dem eigenen Medienverhalten erlernen und weitergeben können. Der Umgang mit Hass im Netz und Desinformation gehört ebenfalls in die Curricula.

O Eine "Experimentierklausel" im Pakt könnte Freiräume für innovative Konzepte und deren Transfer ermöglichen. Denn alle Herausforderungen kann und wird der Digitalpakt 2.0 allein nicht lösen, und das muss er auch nicht. Er ist eine Ergänzung zu den vielen guten, bestehenden Programmen der Länder.

Mittelfristig die Schuldenbremse, langfristig den Bildungsföderalismus reformieren

Investitionen in digitale Bildung sind Zukunftsinvestitionen. Kurzfristig müssen Bund und Länder die Verhandlungen zum Digitalpakt 2.0 zum Erfolg führen. Mittelfristig gehört die Schuldenbremse reformiert, um weitere Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen. Langfristig ist eine Debatte über eine Reform des Bildungsföderalismus nötig. In meinen Augen ist die Finanzierung der digitalen Bildungsinfrastruktur eine Daueraufgabe, die einer besseren Lösung bedarf, als in ein paar Jahren nach dem Auslaufen des Digitalpakts 2.0. schon wieder von vorn anfangen zu müssen.


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