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140.900.000.000

Hamburgs Finanzbehörde errechnet erstmals den kompletten Bau- und Sanierungsbedarf für die Hochschulen der Hansestadt – und leitet daraus eine Schätzung für ganz Deutschland ab. Der Betrag ist enorm – und seine Veröffentlichung strategisch gesetzt.

Foto: Pexels/Ibrahim Boran, CC0.

ES SIND GEWALTIGE ZAHLEN, und sie stellen alle bekannten Schätzungen zum Bau- und Sanierungsbedarf an deutschen Hochschulen noch einmal in Schatten. Hamburgs Finanzbehörde hat auf der Grundlage des eigenen Hochschulbauplans berechnet, welcher Betrag nötig wäre, um bis Ende der 30er Jahre bundesweit alle Hörsäle, Seminar-, Verwaltungs- und Laborgebäude aus der Baufälligkeit zu befreien oder zu ersetzen. Der Betrag ist zwölfstellig, seine Berechnung liegt dem Wiarda-Blog exklusiv vor: 141 Milliarden Euro. 

 

Zuletzt hatte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Walter Rosenthal, den Sanierungsbedarf an den Hochschulen auf 74 Milliarden Euro beziffert, nur gut halb so viel.

 

Hamburg habe einen Hochschulbauplan bis Ende der 30er erarbeitet "und im Rahmen einer Bestandsuntersuchung durch unseren eigenen Hochschulbaudienstleister erstmals den kompletten Bau- und Sanierungsbedarf ehrlich analysiert", sagt Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), der die Landesfinanzminister im Wissenschaftsrat und in der Gemeinsamen Wissenschaftkonferenz (GWK) vertritt. "Dabei kommen wir auf, Stand jetzt, 6,1 Milliarden Euro." Bei rund 580.000 Quadratmeter Nutzfläche an den Hamburger Hochschulen.

 

Rechnet man das auf die – ohne Hamburg – etwa 11,7 Millionen Quadratmeter aller Hochschulstandorte in Deutschland hoch, komme man auf knapp 135 Milliarden Euro – "zuzüglich der Hamburger Bedarfe mithin auf über 140 Milliarden", sagt Dressel und fügte hinzu: Es sei wichtig, diese Bedarfe jetzt "frühzeitig und ehrlich" festzustellen und für eine "zwingend notwendige Reform" der Schuldenbremse nach der Bundestagswahl vorzumerken. "Wir brauchen eine Öffnung der Schuldenbremse für echte Zukunftsinvestitionen – zum Beispiel mit einem Sondervermögen Infrastruktur, mit dem über eine Dekade diese Investitionen in machbaren Bauprogrammen abgerufen werden können."

 

Wissenschaftsminister
beschließen Forderungspapier

 

Der Vorstoß des Hamburger Finanzsenators kommt nicht zufällig gerade jetzt. Die Wissenschaftsministerkonferenz (Wissenschafts-MK) beschloss am Freitag ein Papier mit zwölf Forderungen an die nächste Bundesregierung. Ein Schwerpunkt war dabei der Umgang mit dem Sanierungsstau an den Hochschulen. Im Interview mit dem Wiarda-Blog hatte Wissenschafts-MK-Präsidentin Bettina Martin (SPD) am Donnerstag gesagt, der Bund müsse wieder in die Mitfinanzierung beim Hochschulbau. "Ja. Die Herausforderungen sind enorm, da brauchen wir eine gemeinsame Kraftanstrengung, um den Sanierungsstau aufzulösen."

 

Der deutschlandweite Sanierungsstau an den Unis sei gewaltig, sagte Hamburgs grüne Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank am Freitag. Zwar habe Hamburg in den vergangenen Jahren "einen Wissenschafts-Turbo" angeworfen und seit Anfang der 2010er Jahre massiv in die Hochschulgebäude investiert. Doch wenn allein in Hamburg in den nächsten ein bis zwei Dekaden 6,1 Milliarden Euro nötig seien, könnten die Länder das nicht alleine tragen. "Es braucht deshalb eine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern für Wissenschaft, Forschung und Innovation, um Deutschland auch in Zukunft einen Platz an der Weltspitze zu sichern. Damit wir diesen Schub entfalten können, brauchen wir eine ehrliche Bedarfsberechnung wie bei uns in Hamburg für ganz Deutschland – und dann einen echten Investitionsschub." Deshalb, betonte Fegebank, hätten die Wissenschaftsministerinnen und -minister am Freitag eine Bund-Länder-Offensive für den dreistelligen Milliardenbedarf im Hochschul- und Forschungsbau beschlossen. 

 

Die bundesweite Kostenschätzung von inklusive Hamburg 140,9 Milliarden Euro setzt sich zu rund 20 Prozent aus Kosten für Instandsetzungen, fünf Prozent machen energetische Einzelmaßnahmen aus, 25 Prozent Sanierungen auf den Stand der Technik ohne Nutzungsänderung und etwa 50 Prozent die Errichtung von Ersatzbauten. Und es kommt noch dicker: Verteile man die Kosten gleichmäßig auf 20 Jahre mit einer angenommenen Baukostensteigerung von vier Prozent, so die Hamburger Finanzbehörde, belaufe sich der Bedarf auf 218,2 Milliarden Euro für alle deutschen Hochschulen.

 

Die Baubedarfe in den verschiedenen "Asset-Klassen" von den Autobahnbrücken über die Schienenwege bis eben zum Hochschulbau müssten "ehrlich summiert werden", fordert Finanzsenator Andreas Dressel. "Die Hausnummer, die wir aus Hamburg jetzt vorlegen, kann hilfreich sein: Es gibt wohl wenig Investitionen, die so zukunftsgerichtet sind, wie der moderne Hochschulbau für exzellente Wissenschaft."



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Kommentare: 5
  • #1

    Timo (Montag, 03 Februar 2025 11:48)

    "Nur durch Wiegen wird das Schwein nicht fett" ließe sich gut auf den Hochschulbau übertragen. Ein schönes Ablenkungsmanöver aus Hamburg vom eigenen Versagen beim Geomatikum, wo Millionen in den Sand gesetzt wurden. Mit dieser Rechnung provoziert man die Frage, ob wir uns soviel Infrastruktur in Hochschulen noch leisten können. Wenn der Bund schon in die Mitverantwortung gerufen wird, dann sollte er auch die Verantwortung für einen Gesamtplan "Hochschulbau" erhalten, denn die Addition der Länderwünsche ist noch keine an den finanziellen Realitäten ausgerichtete Bedarfsplanung. Die Hochschulen hätten mehr Seriösität verdient als eine Hamburger Hochrechnung.

  • #2

    Nereus (Mittwoch, 05 Februar 2025 17:58)

    Wenn es ums Geld, betteln die Länder den Bund an. Wenn es um Bildungspolitik geht, verbittet man sich jede Einmischung. Wenn das Geld vom Bund dann kommt, werden gerne die Länderhaushalte um einen Betrag entlastet, der vielleicht nicht ganz den Überweisungen aus Berlin entspricht, aber es fehlt ja an allen Ecken und Enden. Vielleicht überlegt man mal, ob man die ganzen Hochschulen und Lehrstühle in diesen Dimensionen überhaupt noch benötigt? Die Studierendenzahlen gehen zurück. Technologie macht es möglich, Basisfächer auch hochschulübergreifend zu lehren. Es erschließt sich mir nicht, warum alle Fächer an jeder Hochschule unterrichtet werden müssen. Die Basics vieler Studienfächer sollten in Bayern oder Schleswig Holstein nicht wahnsinnig unterschiedlich sein. Das spart Stellen und Räume. Und dann werden die Hochschulen auf das fokussiert, was wirklich unterscheidbar und wichtig ist.

  • #3

    Arne Burda (Donnerstag, 06 Februar 2025 14:17)

    Den Vorrednern muss ich entschieden widersprechen:

    1. Investitionen in Hochschulen rechnen sich, und zwar weitaus mehr als nahezu alle Alternativen. Dazu präzise empirische Zahlen zu erheben, ist kein Ablenkungsmanöver, sondern der erste wichtige (und seriöse) Schritt.

    2. Ja, die Studierendenzahlen stagnieren. Mit sinkenden Zahlen zu rechnen und Infrastruktur abzubauen verkennt aber, dass wir nur mit gleich bleibenden oder steigenden Absolventenzahlen unseren Wohlstand werden halten oder steigern können. Wir brauchen auch hier noch mehr Internationalisierung und wir sind gut beraten, die besten Köpfe auch in Deutschland auszubilden.

    3. Die Länderzuständigkeit in der Bildung ist aus historischen Gründen in der Verfassung verankert, das macht es aktuell auch bei diesem Thema schwer. Eine zentralstaatliche Steuerung von Fächerstrukturen macht es aber nicht unbedingt besser, zumal Universitäten nicht nur lehren, sondern auch forschen, und das durchaus kooperativ. Das Hamburger Hochschulsystem ist zudem wohl das am stärksten komplementär ausgelegte, die Hochschulen des Landes haben nahezu keine Dopplungen sondern kooperieren in besonderer Weise.

    4. Bei den in Hamburg ermittelten Bedarfen handelt es sich zuvorderst nicht um "Länderwünsche" nach dem Motto: "Schön wäre noch...". Es handelt sich um ein baufachliche Inventur sämtlicher Hochschulgebäude, indem die Bausubstanz, Reparatur- und Sanierungsbedarf sowie die technischen Anlagen (Lüftung, Brandschutz etc.) bewertet wurden. Das Ergebnis ist der wirtschaftlichste Preis dafür, den Bestand auf eine Durchschnitssnote von ca. 2,5 zu bringen. Also keine Wunschträume, sondern Herstellen eines Normalzustands.

    Ich bin zuversichtlich, dass die Erkenntnis dieser Notwendigkeit eine breite Mehrheit unter den Parteien der demokratischen Mitte finden wird. In Hamburg regiert eine grün geführte Wissenschaftsbehörde mit einer SPD-geführten Finanzbehörde. Die FDP wird für ihr selbstbewusstes Ziel "Weltbeste Bildung" ein entsprechendes Sondervermögen mittragen können. Auch die Union hat mit ihrem "Ja zu Forschung, Innovationen und neuen Technologien" ebenfalls ein Bekenntnis im Wahlprogramm dokumentiert. Nicht zuletzt leistet Bildung ja auch einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der Demokratie. Das wissen wohl auch die, die Lehrstühle und Stellen zusammenstreichen wollen?

  • #4

    Timo (Freitag, 07 Februar 2025 17:04)

    Hat die Hamburger Finanzbehörde wirklich alle Daten aller Hochschulgebäude erhoben, Wie es Arne Burda behauptet:"Es handelt sich um ein baufachliche Inventur sämtlicher Hochschulgebäude, indem die Bausubstanz, Reparatur- und Sanierungsbedarf sowie die technischen Anlagen (Lüftung, Brandschutz etc.) bewertet wurden. Das Ergebnis ist der wirtschaftlichste Preis dafür, den Bestand auf eine Durchschnitssnote von ca. 2,5 zu bringen." Das ist seriös kaum vorstellbar. Es ist eine politische Hochrechnung, die mehr Fragen provoziert als dass sie den Hochschulen nützt.

  • #5

    Django (Montag, 10 Februar 2025 14:22)

    zu #7: Haben Sie denn Hinweise, dass die Finanzbehörde diese Daten nicht erhoben, sondern sich aus den Fingern gesogen hat? Aus eigener Erfahrung, wenn auch in einem anderen Bundesland, weiß ich, dass Hochschulen durchaus wissen, in welchem Zustand ihre Gebäude sind und was daran aktuell oder perspektivisch zu tun ist.
    Insgesamt sieht es an den Hochschulen nicht anders aus als bei den Straßen und Schienen, bei Schulen und Krankenhäusern: Es wurde in den vergangenen Jahren zu wenig investiert.