Die Union hat auch ihre parlamentarischen Staatssekretärinnen und Staatssekretäre benannt – mit überraschenden Personalien, offenen Fragen zur Fachkompetenz und deutlichen Signalen zur strategischen Neuausrichtung.

Bild KI-generiert.
LOGISCHERWEISE wurde am Tag der Nominierungen vor allem auf die künftigen Bundesminister von CDU und CSU geschaut. Bevor voraussichtlich am Mittwoch die SPD-Liste folgt, lohnt sich ein kurzer Blick in die zweite Reihe der Unions-Regierungsmitglieder, auf die designierten parlamentarischen Staatssekretäre und die voraussichtlichen Staatsminister. Von den letzteren könnte einer besonders wichtig sein für Bildung und Forschung. Dazu später mehr.
Zunächst zu den parlamentarischen Staatssekretären. Mit denen ist das so eine Sache. In der internen Hierarchie des BMBF spielten sie über viele Legislaturperioden hinweg eine untergeordnete Rolle, waren vor allem für die Kommunikation des Ministeriums ins Parlament hinein und für öffentliche Repräsentationsaufgaben zuständig. Das änderte sich erst, nachdem die damalige Ministerin Anja Karliczek (CDU) im Sommer 2018 die langjährige und mächtige beamtete Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen in den einstweiligen Ruhestand versetzt hatte. In der Folge verschoben sich die Gewichte von den beamteten Staatssekretären zu den parlamentarischen, umso stärker, nachdem auch der erfahrene Georg Schütte im Sommer 2019 das von Karliczek geführte Ministerium verließ, um Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung zu werden.
Profiteur war zunächst vor allem der erfahrene Strippenzieher Michael Meister, der nach fünf Jahren als parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium im März 2018 in gleicher Funktion ins BMBF wechselte, als Karliczek Ministerin wurde. Er galt in der Folgezeit als strategischer Kopf, der die Geschicke des Ministeriums zunehmend mitbestimmte – zulasten seiner beamteten Kollegen.
Bleibt die herausgehobene Rolle der
parlamentarischen Staatssekretäre?
Bei allen Brüchen in der Amtszeit der auf Karliczek folgenden FDP-Ministerin Bettina Stark-Watzinger blieb die neue Machtbalance zugunsten der parlamentarischen Staatssekretäre bestehen. Zunächst Thomas Sattelberger und dann Mario Brandenburg und die ganze Zeit über Jens Brandenburg – alle teilten ein Amtsverständnis, das mehr an die Rolle von Nebenministern erinnerte als an die lediglich von Vermittlern der Ministeriumspolitik ins Parlament und in die Öffentlichkeit hinein. Die spannende Frage: Bleibt das im neuzugeschnittenen Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) von Doro Bär so? Und wie entwickeln sich die Machtverhältnisse im Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) von Karin Prien?
Für eine Antwort müsste man zunächst wissen, welche Pläne die beiden Ministerinnen für ihre "Beamteten" haben. Im BMFTR sind beide, Stephan Ertner und Karl Eugen Huthmacher, von Interimsminister Cem Özdemir bewusst nur vorübergehend eingesetzt worden, hier steht also definitiv eine doppelte Veränderung an. Welche Persönlichkeiten setzt Bär ein? Eher Typ Quennet-Thielen oder Typ Judith Pirscher, die von Stark-Watzinger als Verwaltungsexpertin ohne Kenntnis der Forschungslandschaft berufen wurde?
Davon wird abhängen, welche Rolle den beiden neuen parlamentarischen Staatssekretärinnen im BMFTR zukommt.
Fachfremd und überraschend: Die Personalien
in Doro Bärs BMFTR
Fest steht: Das CSU-Parteivorstandsmitglied Silke Launert, von Beruf Richterin, ist bislang der Forschungspolitik ferngeblieben. Die 48-Jährige aus Bayreuth war Obfrau im Familienausschuss, zuletzt gehörte sie dem Ausschuss für Inneres und Heimat und dem Haushaltsausschuss an. Ihre Berufung zur parlamentarischen Staatssekretärin scheint sie selbst überrascht zu haben. Etwas unbeholfen kommentierte sie am Montag auf ihrer Website: "In ganz Deutschland, aber insbesondere auch in Oberfranken, gibt es zahlreiche wissenschaftliche Einrichtungen, die eine starke und verlässliche Politik in diesem Bereich verdienen.Voraussichtlich werde ich im Wissenschaftsbereich tätig sein – ein Themenfeld, das mir persönlich sehr am Herzen liegt. Da ich selbst promoviert habe und schon immer eine besondere Vorliebe für wissenschaftliches Arbeiten hatte, freue ich mich umso mehr auf diese Aufgabe." Das klingt zunächst eher nach regionalem als nach konzeptionellem Anspruch.
Der 47 jähre alte Matthias Hauer (CDU) aus Essen ist ebenfalls Jurist und Experte für Finanzfragen. Bevor er jetzt als parlamentarischer Staatssekretär im BMFTR nominiert wurde, fiel er als Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Wirecard-Untersuchungsausschuss auf, in der vergangenen Legislaturperiode war er Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Finanzausschuss. Sein Interesse an Forschungspolitik? Hat er bislang ebenfalls eher für sich behalten. Seine letzte Bundestagsrede hatte das Thema "Cum-Ex-Geschäfte".
Thematisch passende
Staatssekretäre für Karin Prien
In Karin Priens künftigen Großministerium BMBFSFJ steht erst seit Juli 2024 Grüne Anja Stahmann als beamtete Staatssekretärin im Organigramm. Ihre Zukunft? Wird man sehen. Als parlamentarische Staatssekretäre sind Mareike Wulf und Michael Brand, beide CDU, vorgesehen. Bei der Diplom-Sozialwissenschaftlerin Wulf, Jahrgang 1979, zeigt sich eine hoffnungsvoll stimmende bildungspolitische Kompetenz. Sie war Bildungsreferentin bei den Unternehmerverbänden Niedersachsen (UVN), später Leiterin für Bildung und Gesellschaftspolitik. 2021 in den Bundestag eingezogen, gehört sie aktuell unter anderem dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an. Das könnte also gut passen.
Der 51 Jahre alte Michael Brand, seit 2005 im Bundestag, ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe in der CDU und Mitglied im Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. In seiner politischen Karriere hat er sich unter anderem mit Frage der Sterbebegleitung und für den Ausbau der Palliativmedizin und Hospizversorgung eingesetzt. Für das breite Spektrum des BMBFSFJ bringt er politisches Profil in Bereichen mit, die für die designierte Ministerin Prien bislang nicht im Fokus standen.
In der Gesamtschau sieht es so aus, als seien die künftigen parlamentarischen Staatssekretäre im BMBFSFJ näher dran an den Themen ihres Ministeriums als ihre Kollegen im BMFTR, was bei letzteren noch euphemistisch formuliert ist. Umso aufschlussreicher wird es zu sehen, was das für die Dynamiken in beiden Ministerien bedeutet.
Alte Bekannte in
neuen Positionen
Aus Sicht von Bildung und Forschung ist derweil die Berufung von Thomas Jarzombek, 52, zum Staatssekretär im neuen Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung von besonderem Interesse. Bis zum Gang der Union in die Opposition 2021 Regierungskoordinator für Luft- und Raumfahrt sowie Beauftragter des Wirtschaftsministeriums für Digitale Wirtschaft und Startups, hatte sich Jarzombek anschließend in nur einer Legislaturperiode zum sichtbarsten Forschungs- und Bildungspolitiker der Unions-Bundestagsfraktion entwickelt. Was ihn antreibt, habe ich vor der Wahl in einem Porträt beschrieben. Nun kehrt er in sein angestammtes Metier der Digitalpolitik zurück, doch sein Hang zur Raumfahrt und sein inzwischen tiefes Verständnis für die Zusammenhänge in Forschung und Bildung könnten sich als großes Pfund beim Aufbau des neuen Ministeriums erweisen: für Jarzombek selbst, aber auch für die Belange von BMFTR und BMBFSFJ, etwa wenn es um die finalen Verhandlungen und die Umsetzung des Digitalpakts 2.0 geht.
Und dann ist da noch einer, auf den es zu schauen gilt. Ein alter Bekannter. Michael Meister, inzwischen 63, soll Staatsminister für Bund-Länder-Zusammenarbeit werden. Eine potenziell einflussreiche Position in einer Regierung, die sich, den Vorschlägen einer Expertengruppe folgend, der Beschleunigung des Föderalismus widmen will. Und wenig Politikfelder stehen so sehr für die Eigenheiten des deutschen Föderalismus wie Bildung und Forschung. So, wie Meister die Rolle des parlamentarischen Staatssekretärs im BMBF strategisch neu definierte, wird er es sicher auch mit seinem neuen Amt tun. Und dabei, soviel steht fest, Bildung und Forschung fest im Blick behalten.
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