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Wer macht was wo?

Der Organisationserlass der neuen Bundesregierung sortiert die Zuständigkeiten in Bildung, Forschung und Innovation – und offenbart die Bruchlinien der Machtverschiebung.
Bunte Schach- und Brettspielfiguren stehen auf rotem Grund vor blauem Hintergrund.

Foto: Ylanite Koppens / Pixabay.

FÜR FRIEDRICH MERZ und sein Kabinett ist das Zittern jetzt erstmal vorbei. Alles Gerede, die Regierung starte geschwächt, dürfte schnell vergessen sein, wenn die schwarz-rote Koalition wirklich liefert: allem voran gutes Handwerk, nicht zu viel öffentlichen Streit und das hartnäckige Verfolgen realistisch gesetzter Ziele. Und statt Rechtsaußen-Rhetorik in der Migrationspolitik eine Besinnung auf die Mitte.

Karin Prien gibt hoffentlich die Richtung vor, wenn sie ihr neu zusammengesetztes XXL-Ressort in der Kommunikation nach außen "Ministerium für Bildung und gesellschaftlichen Zusammenhalt" nennen will. Ein Name, der wie berichtet schon seit einigen Tagen kursiert. Gesellschaftlicher Zusammenhalt, das dürfte klar sein, geht nur, wenn nicht nur die Lautesten, sondern ALLE mitgedacht werden – unabhängig von ihrer sozialen und geografischen Herkunft und Familiengeschichte. Und die Bildung steht dafür in der Priorität ganz oben, von Anfang an ein Leben lang. Klingt jedenfalls besser als Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit dem unaussprechlichen Kürzel BMBFSFJ.

Was wohin wandert –
und was nicht

Mit als erstes hat das neue Bundeskabinett den sogenannten Organisationserlass von Friedrich Merz behandelt, der die Geschäftsbereiche der Bundesministerien festlegt und nicht nur in Priens Ministerium mit Spannung erwartet wurde. Schafft er doch zumindest ein Stückweit Klarheit, was wo hinkommt.

"Dem Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend werden aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt die Zuständigkeiten für die allgemeine, schulische und berufliche Bildung, das lebensbegleitende Lernen sowie die dazugehörige Bildungsforschung und -finanzierung übertragen."

Also vor allem die bisherige von Johanna Börsch-Supan geleitete BMBF-Abteilung 3.

Endgültig aufatmen werden die Hochschulen. Denn obwohl die schwarz-roten Chefverhandler im Hintergrund stets keinen Zweifel daran gelassen hatten, dass die bisherigen Zuständigkeiten für Forschung und Lehre nicht aufgeteilt werden sollten, hielten sich die Zweifel aus irgendwelchen Gründen doch hartnäckig.

Und in Sachen Bildungsfinanzierung, bislang in der BMBF-Abteilung 4 angesiedelt und, siehe oben, Umzugskandidat, bleibt eine Restunsicherheit: Was ist mit dem BAföG oder den Begabtenförderwerken? Die sind doch auch – ganz überwiegend – Hochschule, also im Sinne des Organisationserlasses nicht "dazugehörig", oder?  Bleiben sie im BMFTR? Und wenn wir schon dabei sind, dasselbe müsste dann, Stichwort Bildungsforschung auch für die Wissenschafts- und Hochschulforschung und, explizit, für das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) gelten? 

Umfangreich, aber keineswegs umfassend fällt indes die Neuordnung zugunsten des bisherigen BMBF aus. Im Erlass heißt es: "Dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt werden übertragen

1. aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie die Zuständigkeiten für Raumfahrt einschließlich des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, Grundsatzfragen der nationalen und internationalen Innovations- und Technologiepolitik, der Entwicklung digitaler Technologien, für die Hightech-Agenda sowie für Gigafactories, SPRIND und Games;

2. aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr die Zuständigkeiten für die Förderung von U-Spaces und Advanced Air Mobility, Erdbeobachtung, Satellitennavigation und -kommunikation sowie die Deutsche Galileo-PRS-Behörde. Die Zuständigkeiten für Quantentechnologien und Kernfusion verbleiben beim Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt."

Gerangel hinter den Kulissen

Die Zuständigkeiten für Schwergewichter wie das DLR und SPRIND sind damit künftig (allein) im BMFTR angesiedelt. Ansonsten aber sind angesichts der Größe und Verzweigtheit der vorrangig  betroffenen bisherigen Abteilung VI des Wirtschaftsministeriums, "Digital- und Innovationspolitik", auch hier längst nicht alle organisatorischen Fragen abschließend beantwortet. Klar ist, dass die EXIST-Programme nicht ins BMFTR kommen. Ebenfalls nicht explizit als Umzugskandidaten genannt werden das Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) und weitere wichtige Innovationsprogramme. Aber kann das wirklich sein?

Um letztere hatte es schon in den vergangenen Tagen und Wochen offenbar heftiges Gerangel innerhalb der Koalition in spe gegeben, die Unsicherheit in den betroffenen Ministerien war groß. Fest stand lediglich, dass das umgetaufte BMBF von Doro Bär wichtige Technologiereferate aus dem Wirtschaftsministerium erhalten sollte. Und dass der Logik des Koalitionsvertrages folgend eigentlich auch große Teile der Innovations- und Transferförderung mit müssten. Schließlich versprachen Union und SPD: "Wir schaffen eine Dachmarke 'Initiative Forschung & Anwendung'". Unter die sie alles packen wollten: die Programme ZIM, IGF und INNO-KOM, die bisher im BMWK angesiedelt waren,  dazu als "Transferbooster" die Transfer-Programme des BMBF "inklusive DATI-Pilot unter Konsortialführerschaft der HAW" und der DATI-Ersatz "Deutsche Anwendungsforschungsgemeinschaft" (DAFG) mit den Programmen "Forschen an HAW" und "FH Personal".

Ein Technologieministerium, eine Innovations-Dachmarke und weiter auf zwei Ministerien verteilte Zuständigkeiten, noch dazu auf zwei Ministerien, die traditionell ihre Rivalität pflegen? Das würde wenig Sinn ergeben. Genau aus diesem Grund wurde ja nun auch die SPRIND komplett ins BMFTR umgehoben.

Nur wird Robert Habecks bisheriges Superministerium BMWK schon durch die eindeutigen Vorgaben des Organisationserklasses von allen Ministerien am stärksten zusammengestutzt – auch zugunsten des Umweltministeriums (Abgabe der Zuständigkeiten für Klimaschutz und Klimapartnerschaften) und, sehr umfangreich, des neuen Ministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung. Freiwillig dürfte Katherina Reiche (CDU), die neue Chefin des jetzt als Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) firmierenden Hauses, daher von den per Organisationserlass nicht eindeutig geklärten Zuständigkeiten so wenig wie möglich hergeben.

In Merz' Anordnung steht: "Weitere Einzelheiten des Übergangs werden zwischen den beteiligten Mitgliedern der Bundesregierung geregelt und dem Chef des Bundeskanzleramtes bis zum 1. August 2025 mitgeteilt." Bis dahin müssen sich die Ministerinnen Bär und Reiche mit ihren Häusern also einig werden.

Erfreulich ist demgegenüber für Prien und Bär, dass ihre Häuser an Dritte fast nichts abgeben müssen, auch keine Digitalzuständigkeiten ans Digitalministerium. Einzige Ausnahme: Die Verantwortlichkeit für die Engagementpolitik geht aus dem BMBFSFJ ins Kanzleramt.

Abschließend noch eine spannende Personalie, über die Research.Table am Morgen zuerst berichtete. Die bisherige Regionalbischöfin für den Sprengel Hannover der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Petra Bahr, soll beamtete Staatssekretärin werden in Priens Ministerium. Sie war acht Jahre lang Kulturbeauftragte des Rates der Evangelische Kirche in Deutschland und leitete danach von 2014 bis 2016 die Hauptabteilung Politik und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Als Regionalbischöfin, schreibt Research Table, habe sie unter anderem die Kindergärten in ihrem Sprengel verantwortet.

Vorher war bereits bekannt geworden, dass Mareike Wulf und Michael Brand parlamentarische Staatssekretäre werden sollen und Ingo Behnel, bislang Abteilungsleiter im Gesundheitsministerium, der zweite beamtete Staatssekretär. Priens langjähriger Pressesprecher David Ermes ist neuer Leiter ihres Leitungsstabes, wie er selbst neulich bekanntmachte.

 

Nachtrag am 07. Mai um 11.15 Uhr:

Amtsübergabe von Özdemir an Bär

Am Vormittag übergab der bisherige BMBF-Chef Cem Özdemir (Grüne) die Amtsgeschäfte offiziell an die neuen Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt, Dororothee Bär. Am Berliner Sitz des Ministeriums erklärte Özdemir: "Ich habe zu Beginn meiner Zeit als Bundesminister für Bildung und Forschung das Ziel formuliert, dass das Ministerium gut dasteht, wenn die neue Bundesregierung antritt. Gemeinsam haben wir alle im BMBF in wenigen Monaten Vieles vorangebracht." Als Beispiele nannte er die Grundsatzeinigung mit den Ländern zum Digitalpakt 2.0, den beschlossenen Bau des Forschungsschiff Polarstern II und die Positionierung mit der Allianz der Wissenschaftsorganisationen zur Wissenschaftsfreiheit. "Es war mir eine Ehre und Freude, dieses Haus mit seinen hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den letzten Monaten zu leiten und gemeinsam voranzubringen. Ich wünsche Dorothee Bär als Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt von Herzen viel Erfolg."

Die neue BMFTR-Chefin Bär sagte: "Für eine gute Zukunft für unser Land, für Wachstum und Wohlstand, brauchen Forschung und Technologie einen größeren Stellenwert in Deutschland." Wichtig und richtig sei dafür, dass Raumfahrt ins Forschungsministerium zurückkehre. "Wie wir im Koalitionsvertrag betonen, hat die Luft- und Raumfahrt eine strategische Rolle für unseren Wirtschaftsstandort. Daher werden wir massiv in Forschung und Entwicklung investieren."

Das mit dem "massiv investieren" dürfte noch interessant werden. 

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Kommentare

#1 -

#IchBinTina | Do., 08.05.2025 - 07:28
"Das mit dem "massiv investieren" dürfte noch interessant werden." Bremen has entered the chat. (NICHT VERÖFFENTLICHEN! Aber Bayern, Bremen, Länderfinanzausgleich, OHB, Horner Spitze, Zivilklausel, KI, Whistleblowerschutz, Matthias Hauer als Staatssekretär, ... - bei manchen Schreiben aus den letzten beiden Jahren kann ich noch sehen, ob sie runtergeladen werden und ein bestimmtes Schreiben geht seit den Koalitionsverhandlungen durch die Decke.)

#4 -

#Bonn | Mi., 14.05.2025 - 13:54
Ich wüßte gerne: Was bedeuten die Umstrukturierungen in den Ministerien denn für die Lehrer:innenbildung? Von außen betrachtet, ist diese ja von der Trennung der Bildung von Forschung und universitärer Lehre in besonderer Weise betroffen...

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