Deutschlands Wissenschaft braucht mehr als schöne Programmtitel
Mit dem "1000-Köpfe-Programm" wollte die Bundesregierung Spitzenforscher holen: Deutschland als internationaler Leuchtturm der Wissenschaftsfreiheit. Doch die magere Finanzierung riecht nach Symbolpolitik. Ein Gastbeitrag von Ayse Asar.

Ayse Asar ist Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion für Forschung, Technologie und Raumfahrt. Foto: Ayse Asar / Julia Imhoff.
US-VIZEPRÄSIDENT J.D. VANCE zitierte bereits im November 2021 Richard Nixon mit den Worten: "The professors are the enemy." Eine Vorahnung auf das, was kommen würde: Seit Amtsantritt der Trump-Regierung wird die unabhängige Wissenschaft immer wieder Zielscheibe politischer Angriffe. Kürzungen bei Forschungsgeldern, Manipulation wissenschaftlicher Daten oder der willkürliche Vergabestopp von Visa für internationale Studierende und Forschende sind Symptome eines gefährlichen Trends mit Auswirkungen auf wissenschaftliches Arbeiten weltweit.
Die Bundesregierung reagierte im Koalitionsvertrag mit der Ankündigung eines ambitionierten "1000-Köpfe-Programms". Die ursprüngliche Idee hinter diesem – leider etwas unglücklich gewählten – Label: Durch gezielte Abwerbung von Spitzenwissenschaftler*innen aus der Gruppe der 75 Prozent, die Umfragen zufolge die USA verlassen wollen, sollte der Wissenschaftsstandort Deutschland gestärkt werden. Man sprach von tausend Koryphäen. Der Titel war symbolträchtig und auf die schnelle Schlagzeile bedacht – wie gemacht für die neue Forschungsministerin und ihre später in dem Zusammenhang gemachten Versprechen von "Rundum-Sorglos-Paketen".
Doch der Blick in den Haushaltsentwurf offenbart: Die finanziellen Mittel reichen nicht im Ansatz aus, um die hochfliegenden Ziele zu erreichen. Statt unseren Standort nachhaltig als Leuchtturm der Wissenschaftsfreiheit zu stärken, droht Deutschland, im internationalen Wettbewerb nicht einmal ein müdes Blinken hinzubekommen. Dabei schweben der Regierung offenbar "Mini-Harvard"-Verhältnisse vor. Doch der Vergleich mit der Eliteuniversität ist absurd, bräuchte es dafür doch neben einer wirklich ehrgeizigen Programmfinanzierung vor allem eine nachhaltig wirksame Stärkung der Wissenschaft und verlässliche Karrierewege hierzulande. Um die jetzt im Haushalt 2025 hinterlegten Mittel von 27 Millionen Euro 2025 und die je 50 Millionen in den Folgejahren ins Verhältnis zu setzen: Alexander-von-Humboldt-Professuren werden mit jeweils einer Million Euro pro Jahr dotiert. Dieselbe Größenordnung wäre mindestens notwendig, um Forschende aus Ivy-League-Universitäten nach Deutschland zu holen. Die eingestellten Summen sind sehr weit davon entfernt, tausend dieser hochkarätigen Köpfe nach Deutschland zu locken. Vielleicht würde es für 50 reichen.
Inzwischen wurde an das ursprüngliche Programm ein "Plus" angehängt, wohl um die Zielgruppenerweiterung auf Studierende anzudeuten, aber ein Konzept dafür liegt laut einer Antwort der Bundesregierung auf meine parlamentarische Anfrage nach wie vor nicht vor. Es bleibt offen, in welchem Umfang sich das Vorhaben an die jeweiligen Karrierestufen richtet und welche bestehenden Programme der Mittler- und Wissenschaftsorganisationen ausgebaut werden sollen. Angesichts der sich überschlagenden Meldungen aus den USA wäre schnelles Handeln nötig, um Klarheit zu schaffen und Interessierten aus dem Ausland endlich konkrete Angebote machen zu können. Ein fatales Signal im Haushalt sind die parallel geplanten Kürzungen bei der Grundfinanzierung des DAAD und der AvH. Auch das zeigt die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit – ebenso wie die massiven Haushaltskürzungen bei den Hochschulen in zahlreichen Bundesländern.
Wissenschaftsfreiheit braucht mehr als schöne Worte
Deutschland ist nur dann attraktiv für deutsche und internationale Wissenschaftler*innen, wenn ein entsprechend attraktives Ökosystem geschaffen wird. Das BMFTR sollte neben der Stärkung von Gaming und Raumfahrt auch die nötigen strukturbildenden Ressourcen bereitstellen und eine langfristige Strategie verfolgen. Es braucht massive und nachhaltige Investitionen in das gesamte Wissenschaftssystem. Die notwendigen finanziellen Spielräume haben wir als grüne Opposition der Bundesregierung mit der Zustimmung zum Sondervermögen per Grundgesetz-Änderung eröffnet.
Konkret fordern wir deshalb in unserem Bundestagsantrag neben einem Nothilfe-Programm für betroffene Studierende ein Sofortprogramm zur Sicherung bedrohter Datensätze sowie Investitionen in die Rahmenbedingungen und die Resilienz unseres Wissenschaftssystems. Dabei darf die europäische Perspektive nicht fehlen: Deutschland kann gemeinsam mit den europäischen Partnern innerhalb der Europäischen Union viel mehr erreichen als allein.
Dazu gehören die Gründung europäischer Exzellenzuniversitäten, um Forschungsstärke und Spitzenforschung in einem grenzüberschreitenden Ökosystem zu bündeln und mit der neu geschaffenen kritischen Masse weltweit konkurrenzfähig zu werden. Wir brauchen eine umfassende Sanierungs- und Digitalisierungsoffensive für unsere Hochschulen, um die infrastrukturellen Defizite zu beheben und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Und es bedarf umfangreicher Schutzmaßnahmen gegen autoritäre Einflüsse, Cyberangriffe und ausländische Spionage.
Ein klares Signal für die Zukunft
In diesen unsicheren Zeiten ist es wichtiger denn je, aus einer Position der wissenschaftlichen Stärke heraus selbstbewusst auf internationalen Austausch und die Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit zu setzen. Dafür braucht es eine verlässliche Rechtsstaatlichkeit, eine echte Willkommenskultur und klare Perspektiven für diejenigen, die hier forschen und studieren wollen.
Die aktuelle Krise in den USA ist bei all ihrer Dramatik für die europäische Wissenschaft auch eine Chance: Sie schärft das Bewusstsein für den Wert von Wissenschaftsfreiheit und eröffnet Möglichkeiten, unser eigenes Wissenschaftssystem zukunftsfest zu machen – zum Nutzen aller Forschenden, Studierenden und der Gesellschaft insgesamt.
Neuen Kommentar hinzufügen