Direkt zum Inhalt

Weniger schlecht – aber nicht gut

Zugeständnisse beim Geld, Entlastung bei Versorgungslasten, Reformversprechen: Das neue Angebot an die Berliner Hochschulen soll Vertrauen zurückgewinnen – doch der Bruch der Hochschulverträge bleibt spürbar. 
Bewölkter Himmel über Berlin

Bewölkter Himmel über Berlin. Foto: Chris Kyba, CC BY-SA (Ausschnitt).

ALS JULIA VON BLUMENTHAL vergangene Woche das Angebot des Berliner Senats zur Anpassung der Hochschulverträge kommentierte, muss sie sich so ähnlich gefühlt haben wie ein paar Tage später EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, als diese gute Miene zum Zoll-Deal mit den USA machen musste.

"Der Bruch der Hochschulverträge hat Vertrauen zerstört", sagte von Blumenthal, Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität und zugleich Sprecherin der Landeskonferenz der Rektorinnen und Präsidentinnen der Berliner Hochschulen (LKRP). "Wir müssen uns nun darauf verlassen können, dass der vorliegende Entwurf für geänderte Hochschulverträge für das Handeln von Regierung und Parlament verbindlich sein wird."

Tatsächlich war es ein wissenschaftspolitisch einzigartiger Vorgang. Wenige Monate, nachdem Berlins Landesregierung und Hochschulen ihre über fünf Jahre geltende Finanzierungsvereinbarung geschlossen hatten, und nur Wochen, nachdem der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zum wiederholten Male deren Weitergelten versichert hatte, kündigten Haushaltspolitiker der schwarz-roten Landeskoalition die Vereinbarung einseitig auf – und ließen Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra und ihren Staatssekretär Henry Marx (SPD) in Erklärungsnöten zurück.

"Das Wesentliche bleibt die Zahl fünf", hatte Letzterer noch im Januar 2024 im Gastbeitrag hier im Blog verkündet. "Jedes Jahr steigern wir die Globalzuschüsse an die staatlichen Berliner Hochschulen und die Charité um fünf Prozent. Das bedeutet, dass wir die Grundfinanzierung von insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2024 auf über zwei Milliarden 2028 steigern werden."

Statt fünf Prozent plus gab es 2025 3,5 Prozent minus, macht eine Lücke von fast 150 Millionen Euro, und 2026 sollte es womöglich noch schlimmer kommen. Die Hochschulen drohten wegen der gebrochenen Hochschulverträge mit Verfassungsklage, Wissenschaftssenatorin und Staatssekretär bemühten sich um Schadensbegrenzung. Und konnten vergangene Woche einen Erfolg vermelden.

Trendsetter der anderen Art

Der da gerade bekannt gewordene Entwurf des Berliner Doppelhaushalts 2026/27 sieht doch nicht ganz so finster aus wie zuvor befürchtet. Und auch der Spardruck auf die Wissenschaftspolitik verringert sich – etwas. "Ich bin sehr erleichtert und froh, dass wir in diesen schwierigen Zeiten weitere Einschnitte bei den Hochschulen verhindern konnten und es geschafft haben, dass die Mittel ab 2026 wieder ansteigen", sagte Czyborra.

Und Marx ergänzte: "Wir haben mit großem Einsatz dafür gesorgt, dass es ab 2026 nicht zu weiteren Kürzungen kommt und haben innerhalb sehr kurzer Zeit ein deutlich verbessertes Paket geschnürt. Mit dem Verhandlungsergebnis stabilisieren wir die Hochschulen in Berlin und machen sie fit für die Zukunft." Trotzdem: Das Jahr 2025 werde für die Berliner Hochschulen ein sehr schwieriges Jahr. Was für eine andere Tonlage als die im Gastbeitrag vor anderthalb Jahren, als Marx erklärt hatte, die verabredeten Steigerungen der Hochschulbudgets seien "bundesweit einmalig, und ich bin stolz darauf, dass Berlin hier Trendsetter ist."

Stattdessen wurde Berlin in der bundesweiten Wahrnehmung zum Trendsetter bei den Hochschulkürzungen – eine Rolle, aus der Czyborra und Marx gern wieder herauswollen.

Was die beiden den Hochschulen anbieten: 2026 soll es keine weiteren Kürzungen geben, stattdessen sollen die Budgets 2026 bis 2028 aufwachsend um jährlich 31 Millionen Euro zulegen, als "Tarifvorsorge", also als (Teil-)Ausgleich für zu erwartende Gehaltssteigerungen. Plus nochmal jeweils 31 Millionen obendrauf für 2027 und 2028.

Außerdem übernehme das Land Berlin vom 1. Januar 2026 an "sämtliche Versorgungslasten" der Hochschulen. Tatsächlich war es eine Besonderheit, dass das bislang anders war. Für die nächsten drei Jahre ergebe das "Erleichterungen von 120 Millionen Euro".

Die wahre Bedeutung dieser Entlastung wird aber auch in den Jahren danach spürbar werden, wenn die Boomer in Scharen in den Ruhestand gehen.

Hört sich nicht so schlecht an – und bedeutet in der Summe einen Aufwuchs von 3,5 Prozent im kommenden Jahr, 3,8 Prozent 2027 und 0,7 Prozent 2028. Allerdings wird erst 2026 überhaupt wieder der Stand von 2024 erreicht. Was den Abstand zu der "fünf mal fünf"-Formel dann doch allzu deutlich macht.

Zumal die Hochschulen gleichzeitig einen großen Teil ihrer Rücklagen, der "nicht rechtlich gebunden" ist, zur Abfederung der Einsparungen für 2025 hergeben müssen, und rund 156 Millionen Euro sollen in den Jahren 2026 bis 2028 in einem "Solidarmodell" verwendet werden, um insbesondere die kleinen Hochschulen finanziell stärker zu stützen.

Ein Angebot mit Lücke

Vergleicht man das Gesamtpaket, das Czyborra und Marx den Hochschulen vergangene Woche sichtlich erleichtert präsentierten, mit dem Gesamtvolumen der gebrochenen Hochschulverträge, zeigt sich, wozu die Hochschulen "Ja" sagen sollen.

Nach Angaben der Senatsverwaltung hätten die eigentlichen Hochschulverträge, bereinigt um die Versorgungslasten, zwischen 2025 und 2028 knapp 7,49 Milliarden Euro umfasst, die sogenannten Änderungsverträge laufen auf 6,70 Milliarden raus. 786 Millionen Euro – 10,5 Prozent – weniger.

Gleichzeitig soll allein im kommenden Jahr der Berliner Landeshaushalt um fast zehn Prozent auf 43,8 Milliarden Euro steigen, hauptsächlich, betont Finanzsenator Stefan Evers (CDU), wegen gestiegener Personalkosten "sowie einem massiven Plus bei Sozialausgaben", auf das Berlin keinen Einfluss habe. So sehr Czyborra und Marx für die Interessen der Hochschulen gekämpft und trotz allem, was sie herausgeholt haben, nüchtern betrachtet muss man festhalten: Der Anteil der Hochschulfinanzierung am Berliner Landeshaushalt sinkt – die behauptete Priorisierung von Bildung und Forschung in der Krise muss man da schon zwischen den Tabellen lesen.

Kein Wunder, dass HU-Präsidentin von Blumenthal, als sie vergangene Woche in einer Reihe mit Czyborra und Marx vor der Presse saß, keinerlei Anlass für "irgendeine Art unangemessener Feierstimmung" sah und stattdessen Sätze sagte wie diese: "Vor uns liegen schmerzhafte Einschnitte, und ich halte es für absolut notwendig, an dieser Stelle nochmal zu sagen: Wir als Hochschulen halten es für falsch, dass in diesem Ausmaß in diesem Jahr an der Wissenschaft gekürzt wird." Wenn zudem die Rücklagen der Hochschulen eingesetzt würden, dann seien diese spätestens im Jahr 2028 weg. "Und das heißt auch: Wenn sich dann noch größere Risiken realisieren, haben wir keine Puffer mehr, um Risiken zu übernehmen, die sich einstellen können." Von Blumenthal fügte hinzu: "Wir werden uns weiterhin politisch dafür einsetzen, dass wir keine Studienplätze abbauen müssen, insbesondere keine, für die es Studierendennachfrage gibt, und dass wir gute Beschäftigungs-, Ausbildungs- und Forschungsbedingungen bieten können."

Bis zu 14 Prozent der rund 170.000 Studienplätze an den staatlichen Berliner Hochschulen sollen laut Henry Marx abgebaut werden – aber keine Lehramtsplätze.

Umgekehrt hob von Blumenthal "diese gewisse finanzielle Konsolidierung" hervor, die erreicht sei, und die "Verringerung der Leistungserwartungen", die mit den Kürzungen einhergehe. Ebenfalls wichtig sei die Übernahme der Versorgungslasten durch das Land Berlin, sie gebe den Hochschulen mehr finanzielle Sicherheit.

Auf der Habenseite laut von Blumenthal ist auch die aktuelle Änderung des Hochschulgesetzes, zu der die Abkehr vom umstrittenen Postdoc-Entfristungsparagrafen und die Exzellenz-Berufung gehört. "Das ist wirklich eine substanzielle Veränderung." Und was die vom Senat versprochene Hochschulbaugesellschaft angehe: "Dann haben wir auch begründete Aussicht darauf, dass das ganze Thema Bauen in Berlin endlich vorangebracht wird."

Nicht genug Geld, dafür aber mehr Reformen und gesetzliche Erleichterungen für die Hochschulen: Das ist ein Weg, den nicht erst seit der Haushaltskrise auch andere Länder gehen. So hat zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern ein bundesweit vorbildliches Medizindaten-Gesetz eingeführt.

Analyse kommt zu spät

Alle elf staatlichen Berliner Hochschulen, teilte die LKRP mit, müssten "nun individuell intern in den Präsidien und mit ihren Gremien entscheiden, ob sie dem vorliegenden geänderten Vertragsentwurf zustimmen, der extreme finanzielle Belastungen bedeutet" – oder ob sie doch die Einhaltung der im Februar 2024 unterzeichneten Hochschulverträge einklagen. Was theoretisch jede Hochschule einzeln tun könnte.

Julia von Blumenthal wollte vergangene Woche den übrigen Hochschulen keine Empfehlungen geben, kündigte aber an, dass die Präsidien der Hochschulen schon im August ein Signal Richtung Senat schicken wollen. Das Präsidium der Freien Universität hat sich inzwischen geäußert und dem FU-Senat und dem Kuratorium die Zustimmung empfohlen. "Wir sind überzeugt: Die Zustimmung zu den Verträgen stärkt unsere Handlungsfähigkeit in einer nach wie vor schwierigen Lage", sagte FU-Präsident Günter M. Ziegler. "Sie ist ein Signal für Dialogbereitschaft und Verantwortung – gegenüber der Stadtgesellschaft, gegenüber der Politik und für die Zukunft der Freien Universität."

Anfang September soll der Beschluss zu den veränderten Hochschulverträgen dann in den Senat eingebracht werden. Danach ist das Berliner Abgeordnetenhaus dran, die parlamentarischen Beratungen werden fast zur gleichen Zeit laufen wie die Begutachtung des Berliner Exzellenzverbunds BUA durch internationale Experten Anfang November.

Keiner kann und will sich das Szenario vorstellen, dass die Hochschulen jetzt zähneknirschend zustimmen und dann das Parlament ablehnt.

Parallel zu ihrem Angebot an die Hochschulen kündigte Senatorin Czyborra an, dass sie "in Beratschlagung" mit der LKRP eine unabhängige Expertenkommission einsetzen will, die das Berliner Hochschulsystem in den kommenden Jahren analysieren und Empfehlungen für Umstrukturierungen ab 2029 vorlegen wird – also für den Geltungszeitraum der nächsten Runde der Hochschulverträge. So richtig das ist – für die aktuell anstehende Kürzungsrunde kommt das um Jahre zu spät. Die Gefahr, dass statt Strategie an den Hochschulen der Rasenmäher zum Einsatz kommt, ist nicht gebannt.

Hinweis: In einer früheren Version stand, dass bis zu 14.000 Studienplätze abgebaut werden sollen. Tatsächlich sollen es bis zu 14 Prozent der rund 170.000 Studienplätze sein. Ich bitte um Entschuldigung!

Neuen Kommentar hinzufügen

Ihr E-Mail Adresse (wird nicht veröffentlicht, aber für Rückfragen erforderlich)
Ich bin kein Roboter
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.

Vorherige Beiträge in dieser Kategorie


  • Screenshot von der Startseite des Startup Factories Bundeswettbewerbs.

Glanz, Gruppenbild, Gründergeist

Der "Startup Factories"-Wettbewerb inszenierte sich schillernder als die Exzellenzstrategie – mit einem Bruchteil des Budgets. Warum die Erwartungen größer sind als die Fördersummen.


  • Social Media Post geschnitten

Hessischer Hochschulpakt bedeutet laut Hochschulen einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit

Land und Hochschulen unterzeichnen Einigung bis 2031.  Die Hochschulleitungen rechnen mit Milliardendefizit und warnen vor Stellenabbau und Studiengangschließungen.


  • Simone Fulda bei ihrer Amtseinführung im Oktober 2020.

DFG rügt Simone Fulda – und stellt sich gegen zwei Universitätsgutachten

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft sieht grobe Fahrlässigkeit in mehreren Publikationen. Der Fall um die zurückgetretene Kieler Universitätspräsidentin wirft Fragen über Standards, Verfahren und öffentlichen Druck auf.