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DFG rügt Simone Fulda – und stellt sich gegen zwei Universitätsgutachten

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft sieht grobe Fahrlässigkeit in mehreren Publikationen. Der Fall um die zurückgetretene Kieler Universitätspräsidentin wirft Fragen über Standards, Verfahren und öffentlichen Druck auf.
Simone Fulda bei ihrer Amtseinführung im Oktober 2020.

Simone Fulda bei ihrer Amtseinführung im Oktober 2020.Foto: CAU, Flickr. CC BY-NC-SA 2.0

DIE DEUTSCHE FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT (DFG) hat gegen Simone Fulda und Klaus-Michael Debatin eine schriftliche Rüge ausgesprochen und gegen Fulda zusätzlich einen einjährigen Ausschluss von der DFG-Antragsberechtigung verhängt.

Der Beschluss fiel im Hauptausschuss von Deutschlands größter Forschungsförderorganisation. Acht der elf untersuchten Publikationen mit DFG-Förderbezug, an denen die frühere Kieler Universitätspräsidentin Fulda zwischen 2001 und 2019 beteiligt war, in einem Fall als Hauptautorin, seien "objektiv fehlerbehaftet", teilte die DFG am Freitagvormittag mit. Abbildungen seien entweder unerlaubt dupliziert oder etwa durch die Einsetzung einzelner Teile verändert worden, um wissenschaftliche Ergebnisse zu belegen. Bei den übrigen drei Publikationen hätten sich die Vorwürfe auf objektiver Ebene als nicht begründet erwiesen.

Im Zusammenhang mit fünf der Publikationen stellte der Ausschuss "hinsichtlich der subjektiven Vorwerfbarkeit" zudem "grobe Fahrlässigkeit" fest, davon handelte es sich in vier Fällen um den "Tatbestand der Mitautorschaft an einer fälschungsbehafteten Veröffentlichung" und in einem Fall um den "Tatbestand der Manipulation einer Darstellung oder Abbildung". Wichtig ist die Formulierung "subjektive Vorwerfbarkeit", bedeutet sie doch im Umkehrschluss, dass die DFG keinen Vorsatz bei Fulda festgestellt hat.

15 Monate sind vergangen, seit Fuldas Rücktritt für Schlagzeilen sorgte. Nur drei Tage, nachdem die Kieler Lokalpresse erstmals über Vorwürfe der Datenmanipulation und gefälschter Abbildungen in Publikationen von Fulda und weiteren Wissenschaftlern, darunter ihr früherer Mentor Klaus-Michael Debatin, berichtet hatte. "In Verantwortung für die Universität und schweren Herzens gehe ich diesen Schritt", erklärte die damals 56-Jährige am 10. Februar 2024, nachdem sich in Rekordzeit die Dekane aller acht Fakultäten und die übrigen Präsidiumsmitglieder öffentlich von ihr abgewandt hatten. Jegliche Datenmanipulation bestritt Fulda hingegen vehement.

Von der Online-Plattform in die Schlagzeilen

Das Bemerkenswerte an dem Fall war, dass die Vorwürfe gegen Fulda bereits Wochen zuvor erhoben worden waren, auf der Online-Plattform "PubPeer" und dann mit Verweis auf "PubPeer" durch den Blog "For Better Science" des Lebenswissenschaftlers Leonid Schneider. Ihren Weg in die Presse fanden sie jedoch erst, unmittelbar nachdem die Universität bei der Exzellenzcluster-Vorauswahl mit allen drei Skizzen für Neuanträge durchgefallen war.

In der Folge liefen mehrere Verfahren gegen Fulda und Debatin. Als erstes stellte im Januar 2025 die Goethe-Universität Frankfurt ihre Ermittlungen ein: Die Vorwürfe der Datenmanipulation seien "unbegründet", man habe kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten Fuldas festgestellt und das Verfahren der Medizinerin "wegen Geringfügigkeit"eingestellt. Im Mai folgte die Universität Ulm: Weder Fulda noch Debatin habe grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden können – und damit auch kein wissenschaftliches Fehlverhalten.

Allerdings sah die Ulmer Untersuchungskommission in beiden Fällen einen Verstoß gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis als erwiesen an. Formulierungen, die nach einem Freispruch zweiter Klasse klangen und Fragen im Umgang mit einer Frau aufwarfen, die mit ihrem Rücktritt unter dem Druck von Vorverurteilungen schon einen denkbar hohen Karrierepreis gezahlt hatte.

Mit entsprechender Spannung wurde das Ergebnis der DFG-Untersuchung erwartet. In der Pressemitteilung zum Verfahrensausgang findet sich nun ein interessantes Detail: Die Vorwürfe seien der DFG "um den Jahreswechsel 2023/24 angezeigt worden", also noch vor der Veröffentlichung in Schneiders Blog. Ursprünglich hätten dabei mehr als 25 Publikationen seit den 1990er-Jahren in Rede gestanden, an denen Fulda, Debatin und zum Teil weitere Wissenschaftler beteiligt gewesen seien.

Die DFG bewertet die Lage anders

Nach einer Vorprüfung habe sich der DFG-Ausschuss zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens unter der Leitung von Generalsekretärin Heide Ahrens mit den Vorwürfen befasst, "auf der Grundlage von mehreren gutachterlichen Stellungnahmen sowie persönlichen Anhörungen von Fulda und Debatin". Das Ergebnis der Untersuchung war dann dem Hauptausschuss vorgelegt worden, der die konkreten Sanktionen beschloss.

Debatin sei an neun der untersuchten Publikationen als Mitautor beteiligt gewesen, bei sechs davon habe der Ausschuss "auf objektiver Ebene" Fehler festgestellt. In Bezug auf zwei dieser Publikationen sah die DFG bei Debatin grobe Fahrlässigkeit und in einem Fall den "Tatbestand der Mitautorschaft an einer fälschungsbehafteten Veröffentlichung".

Zu ihrer Verteidigung hatte Fulda laut DFG-Pressemitteilung argumentiert, dass zu vielen der Vorwürfe die Primärdaten aufgrund der abgelaufenen zehnjährigen Aufbewahrungsfrist nicht mehr vorlägen – weshalb nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar sei, ob Darstellungsfehler vorlägen. Was übrigens exakt der Grund war, weshalb laut Universität Ulm bei der dortigen Untersuchung weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit habe nachgewiesen werden können.

Doch die DFG bewertete die Lage anders: Der Ausschuss sei "in Teilen bereits allein aufgrund der verfügbaren Abbildungen, Publikationsdaten und Erkenntnisquellen" zu der Überzeugung gelangt, dass die Abbildungen fehlerhaft seien. Ein Zustandekommen der Duplikate sei unter Wahrung guter wissenschaftlicher Praxis nicht deshalb ausgeschlossen. Dies sei nach Einschätzung des Ausschusses feststellbar gewesen, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Primärdaten bedurfte. Nur: Wie sollte Fulda ohne Vorliegen der Primärdaten umgekehrt ihre Unschuld noch beweisen können? Gilt denn die zehnjährige Aufbewahrungsfrist nicht in beiden Richtungen als Absicherung eines fairen Verfahrens?

Aufklärung und öffentlicher Druck

Noch ein weiteres Argument Fuldas verwarf der Ausschuss. Hatte sie lediglich von "versehentlichen Verwechslungen" ähnlich aussehender, rein "repräsentativer Beispielabbildungen" gesprochen, die, sobald zwischenzeitlich festgestellt, unverzüglich gegenüber den jeweiligen Verlagen angezeigt worden seien, befand die DFG, "dass es in den Konstellationen, in denen objektive Verstöße gegen Tatbestände wissenschaftlichen Fehlverhaltens festgestellt wurden, nicht nachvollziehbar sei, wie die Duplikate unerkannt bleiben konnten". Diese hätten sich im genannten Umfang "als so offensichtlich" dargestellt, dass Fulda und Debatin sie auch in ihren Rollen als Senior- oder Korrespondenzautoren zwingend hätten erkennen müssen.

Wobei sich auch hier Fragen stellen: Hätten angesichts der von der DFG festgestellten Offensichtlichkeit dann nicht auch die Gutachter in Frankfurt und Ulm zwangsläufig zum selben Ergebnis kommen müssen – und wenn sie das nicht taten, kann dann die DFG trotzdem noch von einem solchen Automatismus zwingender Erkennbarkeit ausgehen? Die wiederum Voraussetzung ist für die festgestellte "grobe Fahrlässigkeit"?

Debatin hatte sich seinerseits noch auf eine Verjährung der Vorwürfe berufen, weil die aktuell gültige DFG-Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten (VerfOwF) diese festlege. Doch, wie die DFG dagegenhielt, sei für sein Verfahren der Stand der VerfOwF ausschlaggebend, der zum Zeitpunkt der jeweiligen DFG-Förderung gegolten habe – noch ohne Verjährungsbestimmungen. Was wiederum eine Frage aufwirft: Wenn man später die Hinzunahme einer Verjährungsregel für sinnvoll hielt, vielleicht geschah dies aus einem guten Grund? 

"Der Beschluss beendet die DFG-Untersuchung von Vorwürfen, die in einem hohen Maße auch mediale und öffentliche Aufmerksamkeit gefunden hatten", steht in der Pressemitteilung. Nicht beendet sein dürfte die Debatte über den angemessenen öffentlichen Umgang mit Beschuldigten, bevor die Vorwürfe eingehend untersucht worden sind. Wie im Fall Fulda: Das Timing der Berichterstattung und das atemberaubende Tempo, wie sie anschließend von entscheidenden Akteuren fallengelassen wurde, ließ sofort fragen, inwiefern es tatsächlich um den Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens ging – oder ob dieser lediglich zum Anlass wurde, um eine aus anderen Gründen unbeliebte Unipräsidentin loszuwerden.

Fulda äußert sich erstmals selbst öffentlich

Zu hinterfragen ist auch der Druck auf Hochschulen und Förderinstitutionen. Gerade weil in der Vergangenheit mit wissenschaftlichem Fehlverhalten in Deutschland oft zu lax umgegangen wurde (und an vielen Stellen immer noch wird), will besonders in prominenten Fällen keine Untersuchungskommission als zu unbedarft oder nachsichtig dastehen. Was aber macht dies dann mit Grundsätzen wie "im Zweifel für den Angeklagten"?

Fulda selbst hatte sich bislang offiziell nicht zu den Ermittlungen gegen sie geäußert. Dies tut sie nun erstmals hier im Wiarda-Blog. Sie sei erleichtert, schreibt sie in einer Erklärung, "dass nach weit über einem Jahr nun auch das Verfahren der DFG abgeschlossen wurde". In Einzelfällen sei es in der Tat zu Verwechslungen in komplexen Abbildungen ihrer Arbeiten gekommen, die jedoch durchweg unbeabsichtigt gewesen seien. "Beispielsweise habe ich beim Korrekturlesen der Druckfahne nicht bemerkt, dass ein Verlag eine Abbildung versehentlich doppelt verwendet hat, obwohl ich die richtigen Abbildungen an den Verlag geschickt hatte." 

Sie wolle betonen, dass sie zu keinem Zeitpunkt Daten manipuliert habe, fügt Fulda hinzu. "Natürlich bedauere ich diese Darstellungsfehler und habe sie unverzüglich in den betreffenden wissenschaftlichen Zeitschriften korrigiert. In keinem Fall – und das ist mir wichtig - haben aber die Verwechslungen die Forschungsergebnisse verfälscht oder die wissenschaftlichen Aussagen der Publikationen verändert."

Seit ihrem Rücktritt nimmt die Kinderonkologin wieder eine Professur wahr: in der medizinischen Fakultät der Universität Kiel.

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Kommentare

#1 -

Leonid Schneider | Fr., 04.07.2025 - 16:59

"ein interessantes Detail: Die Vorwürfe seien der DFG "um den Jahreswechsel 2023/24 angezeigt worden", also noch vor der Veröffentlichung in Schneiders Blog."

Uhm, das war doch ich, sorry.

Ich kann es mit meiner Email vom 28 Dezember 2023 beweisen.

https://forbetterscience.wordpress.com/wp-content/uploads/2025/07/screenshot-2025-07-04-at-16-57-15-your-papers-on-pubpeer-leonid.schneider40gmail.com-gmail.png

#2 -

Leif Johannsen | Sa., 05.07.2025 - 16:23

Nehmen wir mal bestenfalls an, dass nur die Illustrationen in den jeweiligen Publikationen etwas aufgehuebscht wurden, um die Studienergebnisse eindeutiger zu praesentieren, die Rohdaten aber nach dem Motto "im Zweifel fuer die Angeklagte" nicht manipulation wurden, dann ist der Tatbestand der "Manipulation" der Figuren nichtsdestotrotz hochnot peinlich. Es ist dabei ebenso egal, ob man "nur" Koautor/Koautorin war oder, dass der Tatzeitpunkt inzwischen verjaehrt ist. Die Kernfrage fuer mich ist vielmehr: weshalb macht jemand das? welche Umstaende noetigen einen zu schlechter wissenschaftlicher Praxis? Ueberhaupt sich von "seinen" Daten einfach so zu trennen, weil 10 Jahre vergangen sind, halte ich fuer unprofessionell bzw. im aktuellen Kontext mit "Geschmaeckle". Vielleicht haben die Datentraeger in der Zwichenzeit versagt, aber keine Wissenschafler_in trennt sich so einfach von ihren Daten fuer die sie Schweiss, Blut und Traenen vergossen haben. Ich vermute die DFG sah es so aehnlich und 1 Jahr Antragsperre ist in diesem Sinne ein mildes Urteil.

#3 -

Anonymus | So., 06.07.2025 - 18:11

Simone Fulda ist als Präsidentin der CAU fallengelassen worden, weil ihr Führungs- und Kommunikationsstil von allen wichtigen Akteuren der Universität als ungenügend wahrgenommen wurde. Der Vorwurf der Datenmanipulation und das desaströse Abschneiden der CAU im Exzellenzwettbewerb waren die Instrumente, mit deren Hilfe man die ungeliebte Präsidentin loswerden konnte, zumal diese bei ihrem Antritt versprochen hatte, ihre guten Kontakte zu nationalen Entscheidern für die Exzellenzanträge der CAU fruchtbar machen zu können. 

Mir sind die Vorgänge an der CAU deshalb vertraut, weil ich dort Dekan war, als Frau Fulda zur Präsidentin gewählt wurde.

#4 -

Tom Hughes  | Di., 08.07.2025 - 16:17

Leider gibt es eine Reihe weiterer Arbeiten von Fulda und Debatin, die derzeit von der dfg geprüft werden. Dabei handelt es sich um die vervielfältigte Publikation praktisch identischer Arbeiten. Dies ist praktisch für die Publikationsliste ergo Karriere. Eines von vielen Beispielen 

https://pubpeer.com/publications/3ADA585008CDA94D95BC2A471A2A96

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