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Doktortitel nur gegen Gendersternchen?

Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume will gegen den "Genderzwang" an den Hochschulen vorgehen – und berief sich dabei unter anderem auf die Beschwerde einer Promovendin. Was genau ist ihr passiert? Und was sagt ihr Fall tatsächlich aus?

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Artikelbild: Doktortitel nur gegen Gendersternchen?

Bild: Gerd Altmann / Pixabay.

GLEICHSTELLUNGSBEAUFTRAGTE, Gewerkschaften und Frauenvertretungen sprachen per Offenem Protestbrief von einer Verletzung des Allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, Studierendenvertreter kritisierten, sie hätten noch nie Beschwerden zu einem "Genderzwang" an ihren Hochschulen erreicht. Anlass war die Ankündigung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Dezember, das Gendern in Schulen und Verwaltungen untersagen zu wollen.

Sein Wissenschaftsminister Markus Blume (ebenfalls CSU) sagte, er wolle zu diesem Zweck eine Klarstellung ins Bayerische Hochschulinnovationsgesetz einbauen. "Die generelle Leitplanke wird sein: Geschlechtersensible Sprache: Ja. Sprachliche Künstlichkeit und erzieherische Tendenzen: Nein. Man könnte auch sagen: Genderfreiheit statt Genderzwang", erläuterte Blume vergangene Woche hier im Blog. Und Blume ergänzte: "Mich erreichen immer wieder Zuschriften von Studierenden, die sich einem gefühlten Druck oder tatsächlichen Vorgaben ausgesetzt sehen, in einer Art und Weise zu formulieren, wie es von der amtlichen deutschen Rechtschreibung eben gerade nicht gedeckt ist."

Gibt es wirklich ein Problem an den Hochschulen oder, wie ihrer Kritiker vor allem in den sozialen Medien Söder und Blume vorwerfen, behaupten sie nur ein Problem, um in populistischer Manier eine Lösung zu präsentieren, für das sie von rechter Seite beklatscht werden?

Nach konkreten Beispielen gefragt, sagte Blume im Blog-Interview, man führe keine Statistiken über solche Fälle, auch würden die meisten Konflikte schon an den Hochschulen gelöst. Dann aber berichtete er: "Jüngst meldete sich die Promovendin, der die Verleihung des Doktorgrades verwehrt wurde, solange sie sich weigerte, auf dem Titelblatt das Gendersternchen zu verwenden. Was sogar in der Promotionsordnung so vorgeschrieben ist." Das, so der Minister sei "ein klarer Fall von sprachlicher Übergriffigkeit". Dasselbe Beispiel hatte Blume zuvor schon in der WELT genannt.

"Prüfer*in" statt "Prüfer", "Doktorin" statt "Doktor"

Jetzt wird bekannt, auf welchen Fall der Minister sich bezogen hat. Es handelt sich um eine Promovendin der Technischen Universität München (TUM), die sich beim Ministerium schriftlich beschwert hatte. Für eine Stellungnahme war sie zunächst nicht zu erreichen. Nach Angaben des Ministeriums sei die Publikation der Doktorarbeit der Promovendin abgelehnt worden, da das Titelblatt nicht den Gender-Richtlinien entsprochen habe.

Tatsächlich gilt an der TUM seit Oktober 2021 eine neue Promotionsordnung, die in Anlage 1 – "Titelblatt der Dissertation" – ein Muster vorgibt. Dort steht auch das Wort "Prüfer*innen".

Neben dieser Schreibweise "Prüfer*innen" statt "Prüfer und Prüferin" ging es auch noch um den Titel "Doktor", den sich die Promovendin statt "Doktorin" gewünscht habe, doch habe die Univerwaltung auf der weiblichen Form bestanden.

Auf Anfrage bestätigt TUM-Pressesprecher Ulrich Meyer: "Es gab den Fall, dass sich die Veröffentlichung einer Dissertation wegen Diskussionen um Formulierungen auf dem Titelblatt der Dissertation verzögerte." Die Promovendin habe ihre Prüfungen zuvor bereits erfolgreich bestanden, daran habe es keinen Zweifel gegeben. Dass die Promovendin sich zudem gewünscht habe, den Titel "Doktor" als Bezeichnung des generischen Maskulinums zu erhalten statt "Doktorin", sei der erste derartige Fall seit Inkrafttreten der Neufassung der Promotionsordnung gewesen, "deshalb war eine Klärung in der Verwaltung erforderlich."

Einsichtiger, als es die Promovendin es empfunden hat

Was freilich deutlich proaktiver und einsichtiger klingt, als die Promovendin, die sich hilfesuchend ans Ministerium wandte, es offenbar empfunden hat. Das Ergebnis der Klärung beschreibt Meyer so: "Da wir an der TUM möglichst große individuelle Freiheiten bezüglich geschlechterspezifischer Bezeichnungen gewähren, haben weibliche Promovierende die Möglichkeit, den akademischen Grad 'Doktor' oder 'Doktorin' zu wählen, so auch in diesem konkreten Fall."

Dass auch dieser, von Blume angeführte Fall innerhalb der Universität geklärt wurde, hatte der Minister in der WELT von Anfang an miterwähnt. In seinem Interview hier im Blog wurde dieser Nachsatz auf Bitten des Ministeriums nachträglich ergänzt.

Wie aber ist das Ganze jetzt zu bewerten? Zunächst dieses: Es ist kritikwürdig, dass eine Promovendin von der Verwaltung einer der bekanntesten deutschen Universitäten unter Druck gesetzt wurde, in einer Weise zu gendern, wie sie dies nicht wollte – und ihr bei Nichterfüllung zumindest zeitweise die Verleihung des Doktorgrades verweigert worden ist. Da braucht es schon viel Energie, um wie die Promovendin die Sache bis zu einem aus ihrer Sicht positiven Ende durchzufechten.

Auch ist nicht akzeptabel, wenn eine Promotionsordnung so gelesen kann, dass sie scheinbar starr bestimmte Formulierungen vorgibt und somit verpflichtend macht. Dass die TUM mitteilt, es sei derzeit "in Abstimmung, ob die Promotionsordnung ergänzt werden soll, um die möglichen Optionen noch besser darzustellen und Missverständnissen vorzubeugen", ist das Mindeste, was an Konsequenz an der Universität erwartet werden kann. Deutlich besser wäre es, wenn nicht der Eindruck entstünde, dies geschehe erst jetzt.

Ein und dasselbe

inzwischen gelöste Fallbeispiel

Umgekehrt muss man trotzdem fragen, inwieweit der besagt Fall tatsächlich für ein verbreitetes Problem an Hochschulen in Bayern (und anderswo) steht – erst recht wenn ein Staatsminister in verschiedenen Interviews auf ein und dasselbe Beispiel verweist, das noch dazu inzwischen gelöst ist. Außerdem hatte Ministerpräsident Söder sein "Genderverbot" angekündigt, bevor die Promovendin ihre Beschwerde einreichte. Aufgrund welcher Fälle, diese Frage beantwortet insofern auch Blumes Beispiel nicht.

Das, was der Minister konkret im Gesetz ändern will, klingt übrigens – entgegen der markigen Worte gegen den "Genderzwang" – recht nüchtern und wenig aktionistisch. Forschende könnten in ihren Arbeiten weiter so formulieren, wie sie wollten, erklärte Blume im Interview, also auch inklusive Gendersternchen und Co. Denn auch die Staatsregierung weiß: Hier sind Wissenschaftler von der Wissenschaftsfreiheit im Grundgesetz geschützt.

"Wir werden aber klarstellen, dass keine Dinge von Studierenden gefordert oder bewertungsrelevant sein dürfen, die nicht der amtlichen deutschen Rechtschreibung entsprechen", sagte der Minister weiter. "Und dort, wo eine Hochschule als staatliche Einrichtung auftritt, bei amtlichen Bescheiden, Zeugnissen und Formularen etwa, werden wir festhalten, dass die amtlichen Vorgaben zur Rechtschreibung eingehalten werden müssen."

Ohne die markigen Worte aber wäre eine solche Klarstellung womöglich gar keinem aufgefallen.


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Kommentare

#1 -

nemo | Di., 12.03.2024 - 20:45
Das Anliegen zu übergriffiger Deckblatt-Regulierung in allen Ehren, aber wo genau widerspricht es nun der amtlichen Rechtschreibung, wenn Universitäten ihre Promovendinnen zu Doktorinnen promovieren?! - Es ist ja auch nicht unbedingt sprachliche Normalität, mit einem generischen Maskulinum ganz spezifische Feminina zu beschreiben; und nicht jede akademische "Tradition" aus dem 18. Jh. ist gleichsam ein Gewohnheitsrecht.

#2 -

Prof. im Un)ru… | Mi., 13.03.2024 - 09:09
In meinem Berufsleben hatte ich mehr als 30 Doktoranden in Erstbetreuung, davon 1/3 Frauen. Es gibt inzwischen derart viele Maßnahmen zur "Qualitäts-Sicherung" bei Promotionen. Man sollte sich auf die wirklich wesentlichen Dinge der Betreuung konzentrieren und den hier beschriebenen Unfug mit der deutschen Sprache in die Mottenkiste verbannen. Daraus entsteht das Gegenteil von Exzellenz,

#3 -

Heinrich | Do., 14.03.2024 - 12:28
Blume und auch dieser Artikel erzeugen natürlich einen falschen Eindruck. Wer dem Link folgt, sieht, dass es bei dem inkriminierten "Titelblatt" um einen Vordruck geht, wie er in Institutionen üblich ist. Es wurde also von der Doktorandin NICHT verlangt, eine bestimmte Schreibung zu verwenden - sie war mit einer Schreibung in einem auszufüllenden Formular nicht einverstanden. Das ist natürlich großes Kino: von nun ab müssen wir damit rechnen, dass die Ministerien mit Beschwerden aller Art zu amtlichen Vordrucken überhäuft werden, die dann von Ministern in Talkshows breitgetreten werden.

#4 -

Theresa | Do., 14.03.2024 - 12:57
Dass das Deckblatt genauso zu gestalten ist, wie in der Promotionsordnung vorgesehen, egal, wie quatschig, hässlich oder was auch immer die Vorlage ist, erfuhr ich schon bei der Anmeldung eines Dissertationsvorhabens. Puh, warum so viel Wind? Es ist ein Deckblatt, dass bei Veröffentlichung nach Rücksprache auch gern entfernt werden kann. Mehr nicht.
Im Duden werden mehrere Formen geschlechtergerechterer Sprache aufgeführt, hätte sie also gern "Prüfer/-in" dudenkonform geschrieben?
Wer hätte gedacht, dass Promotionsordnung "bevormunden". Klar, das ist deren Ziel, zur Vereinheitlichung, um Gleichbehandlung zu sichern. Das tun die Standards wissenschaftlichen Arbeitens auch, sie "bevormunden" insofern, als sie vorgeben, in welcher Art ein Text verfasst sein muss, um als wissenschaftlich anerkannt zu werden.
Warum wird daraus eine rezipierte Meldung? Das ist aus meiner Sicht eine wirklich spannende Frage.

#5 -

McFischer | Fr., 15.03.2024 - 14:24
Danke für die interessante, detaillierte Aufarbeitung. Der Blick in die verlinkte Promotionsordnung ist hilfreich: Dort gibt es im Anhang u.a. auch eine Betreuungsvereinbarung, der Stehtext ist dort auch mit Gender* vorgegeben. Und das ist natürlich etwas völlig anderes, als wenn in der eigentlichen Dissertationsschrift eine Schreibweise vorgegeben wird. Also geht es hier letztlich nur um den Streit über Behördenformulare (von der Frage "Doktor" vs. "Doktorin" abgesehen). Diese sollte man in der Regel einfach akzeptieren, auch wenn sie einem in Form, Umfang oder Formulierung nicht gefallen. Wer ganz viel Zeit und Geld hat, kann natürlich auch dagegen vorgehen; hat aber mit der wiss. Leistung nichts zu tun.

#6 -

Hanna | Fr., 15.03.2024 - 22:42
Lieber Herr Blume, bitte erst Zahlen, Daten und Fakten liefern (ZDF), die belegen, dass es ein politische Regelung braucht. Mir kommt vor, das Thema wird mal wieder als identitätspolitischer Populismus aufgeblasen, weil man in anderen Politikbereichen nichts anzubieten hat.

Die amtliche Rechtschreibung gilt ja ohnehin bereits in amtlichen Kontexten. Was ist jetzt neu an Ihrem Vorschlag? Sollen Rechtschreibverstöße härter bestraft werden? Vielleicht mal lieber mehr Geld in die Lehramtsausbildung und gute Schulen stecken, mit mehr unbefristeten Stellen mehr Stabilität in die Lehramtsausbildung bringen. Was ist der Plan von Herrn Blume zum WissZVG? Stattdessen billiger Stimmenfang. Schade, dass die Wissenschaftspolitik der Union auf diesem Niveau angekommen ist.

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