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Lehrermangel: Denkt den Bachelor neu!

Es war zur Abwechslung mal eine ruhige Woche für die Hochschulen. Aller Eifer bildungspolitischer Debatten konzentrierte sich auf die Schulen, nachdem das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) vergangenen Freitag den neuen Bundesländer-Vergleich veröffentlichte. Vor allem die mauen Schülerleistungen beim früheren Klassen-Primus Baden-Württemberg, aber auch in Berlin oder Bremen führte zu heftigen Auseinandersetzungen über die Frage, ob die Bildungspolitik den Schulen zu viele überflüssige (Struktur-) Reformen verordnet habe. 



Hat alles nix mit den Hochschulen zu tun? Oh doch. Als wichtigster Garant guten Unterrichts gilt, wenig überraschend, die Lehrkraft, und wo kommen all die Lehrerinnen und Lehrer her? Richtig. Wobei sie eben nicht kommen. Viele Schulen fast überall im Land haben ein gewaltiges Nachwuchsproblem, da nicht genügend Lehramtsabsolventen aus den Universitäten strömen. Die Zahl der Quereinsteiger steigt, was die gezielte Qualifikation der Pädagogen von morgen weiter erschwert. 



Die Lösung ist eigentlich einfach. Sie heißt: polyvalenter Bachelor. Die Idee: Erst nach dem Bachelor fällt die Entscheidung, ob jemand Lehrer werden möchte oder nicht. Über Praktika im Bachelor können sich die Studenten an die Frage herantasten und sie am Ende qualifizierter beantworten als Erstsemester, die direkt von der Schule kommen. Umgekehrt können sie später und kurzfristiger auf die Aufs und Abs im Arbeitsmarkt reagieren, sprich: Wenn wie zurzeit in vielen Fächern Lehrerstellen frei sind, geht man in den Lehramtsmaster – und sonst eben nicht.

Das Problem: Laut Monitor Lehrerbildung boten 2014 nur 28 von bundesweit 67 befragten, in der Lehrerbildung aktiven Hochschulen solche polyvalenten Bachelor an. Und das ist sogar ein Rückgang von zwei Hochschulen gegenüber 2012. Hinzu kommt, dass etliche unter den 67 noch nicht mal auf die gestufte Studienstruktur umgestellt haben, auch weil manche Bundesländer wie Bayern oder Sachsen dies gar nicht erlauben.

Die Debatte über Unterrichtsqualität hat alles mit der Qualität der Lehrer und viel mit dem gegenwärtigen Mangel an qualifizierten Lehrern zu tun. Höchste Zeit, nochmal über die Lehrerbildung nachzudenken. Und ja: über Reformen.

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEITChancen Brief.

Kommentare

#1 -

NN | Mo., 07.11.2016 - 11:18
Der polyvalente Bachelor ist bei einer mit nahestehenden Hochschule eine uralte Kamelle und aus meiner Sicht gescheitert, zumindest bei den MINT-Fächern, wo ich mich auskenne.

Es fängt mit der Frage an, ob Lehrer weiterhin 2 Fächer unterrichten können sollen. Aus Sicht des Schulbetriebs dürfte das kaum verzichtbar sein. Dann halbiert sich das Studienvolumen des einzelnen Fachs. Die Qualifikationsziele eines Lehres sind daher substantiell anders als die eines Profis. Daher wiederum kann man nicht einfach die erste Hälfte des "Profi"-Curriculums nehmen und beide Gruppen in die gleichen Lehrveranstaltungen stecken, worin die Lehramtsstudenten dann permanent die Verlierer sind und ein schlechtes Image bekommen, sondern muss von vorneherein auf weniger relevante fachliche Vertiefungen verzichten.

Zweitens hat die Ausbildung eines Lehrers viel mit der Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Letztlich muss sie oder er vor der Klasse bestehen. Die Frage ist, ob man das überhaupt lernen kann oder ob es nicht überwiegend Talent ist. Ein Großteil der Lehramtsstudenten scheint vor allem von dem späteren sicheren Beamtenstatus und dem guten Verdienst bei (scheinbar) wenig Arbeit angelockt zu sein und ansonsten pädagogisch nicht sehr talentiert zu sein. Solange die Unis nicht sieben dürfen, sondern für hohe Abbrecherquoten bestraft werden, wird eben jedes schwache Talent durchgeschoben.

Ein Hauptgrund für schlechte Lehrer ist die schlechte Ausbildung als Pädagoge. Wenn ich die Klagen diverser Studenten und praktizierender Lehrer ernst nehme, sind die meisten Dididaktik-Fächer komplett wertlos für den späteren Beruf. Unter anderem weil der Lehrkörper großenteils aus Personen besteht, die selber nie oder nur sehr kurz als Lehrer gearbeitet haben und die vor allem ihrer ideologischen Phantasie freien Lauf lassen, gerne unterstützt von Bildungspolitikern (s. das Desaster in Baden-W.). Wenn man Glück (und Talent) hat, kommt man im Referendariat zu einem guten erfahrenen Lehrer, der einem die praktisch relevanten Dinge beibringt. Es gibt also viele Gründe, die Lehramtsausbildung zu verbessern, die laufen aber alle gegen einen polyvalenten Bachelor.

#2 -

Jakob Schmidt-Hieber | Di., 08.11.2016 - 10:56
Ich konnte die Statistik zum polyvalenten Bachelor auf die Schnelle leider nicht finden. Ich vermute dahinter eine Mogelpackung. Der lehramtsbezogene Bachelor soll beispielsweise in NRW polyvalent sein, ist aber mit bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Anteilen so voll gestopft, dass ein Wechsel in einen Fachmaster praktisch nicht möglich ist.

Ohne nennenswerte bildungswissenschaftliche Anteile im Bachelor geht es aber auch nicht, jedenfalls nicht in den Lehramtsbereichen Primarstufe und Sekundarstufe I. Dort übersteigt der bildungswissenschaftliche, fachdidaktische und schulpraktische Anteil (glücklicherweise) den für einen Masterstudiengang zur Verfügung stehenden Umfang an 90 bis 100 ECTS-Punkten (ohne Masterarbeit).

Vielleicht muss man sich wirklich bundesweit darauf verständigen, dass der bildungswissenschaftliche Anteil im Bachelor auf ein Minimum gedeckelt wird und auch die MINT-Fächer müssten (interdisziplinäre) Masterangebote einführen. Ein Zurück zu einstufigen Lehramtsstudiengängen erscheint mir in der Tat keine gute Lösung, da dann jede Mobilität nach Neigung im Studienverlauf ausgeschlossen wäre.

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