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Corona-Studierendenhilfe: Keine Auszahlung vor Juli

Die Studierendenwerke beginnen nochmal vier Tage später mit der Bearbeitung – bislang gingen 54.000 Anträge von Studierenden ein.

DIE ÜBERBRÜCKUNGSHILFE für Studierende kommt noch einmal mindestens vier Tage später als bislang angekündigt. Das Deutsche Studentenwerk (DSW) teilte heute auf Anfrage mit, dass die Bearbeitung der seit vergangenem Dienstag eingegangenen Anträge erst am Montag, den 29. Juni beginnen wird. Bislang hatten DSW und das Bundesbildungsministerium von Anja Karliczek (CDU) den 25. Juni als voraussichtlichen Start der Antragsbearbeitung genannt, weil vorher noch die dazu nötige Software fertiggestellt werden musste.

Nun sagt DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde: "Nach dem aktuellen Planungsstand sollen die Studenten- und Studierendenwerke am 29. Juni 2020 mit der Bearbeitung der für Juni eingereichten Anträge und anschließend der Auszahlung beginnen." Bis Ende dieser Woche liefen die internen Schulungen dazu.

Damit ist praktisch ausgeschlossen, dass selbst die ersten Antragsteller noch im Juni die ersten Euro Nothilfe auf ihrem Konto haben werden – und es bewahrheitet sich eine Sorge, die im Kreis der Landeswissenschaftsminister intern seit Wochen geäußert wurde: dass es vor Juli nichts wird mit der Auszahlung. In den vergangenen Wochen hatten BMBF und DSW erst den Antragsstart und jetzt den Beginn der Auszahlung Stück für Stück immer weiter nach hinten geschoben.

Das DSW selbst wollte sich heute nicht auf den Tag festlegen, an dem die erste Überweisung auf dem ersten Studentenkonto ankommt. Man könne pauschal keinen Zeitpunkt nennen. "Das hängt davon ab, wie viele Anträge bei einem Studenten- oder Studierendenwerk eingegangen sind, und wie arbeitsintensiv die Prüfung der Anträge ausfällt." Auch wie lange es dauern wird, sämtliche für Juni gestellten berechtigten Anträge zur Auszahlung zu bringen, könne man "heute nicht sagen".

Unzählige Studierende haben durch die Corona-Pandemie zumindest vorübergehend ihren Job und damit einen wesentlichen Teil ihrer Einkunft verloren. Geraten sie dadurch in finanzielle Not und haben keine andere Abhilfe, können sie für maximal drei Monate jeweils neu einen Antrag auf staatlichen Zuschuss stellen. Für die Monate Juni, Juli und August gibt es dann je nach Kontostand zwischen 100 und 500 Euro. Wer bei Antragstellung über 500 Euro auf dem Konto hat, geht leer aus.

In den ersten 24 Stunden nach Öffnung des Online-Beantragungsportals hatten 31.200 Studierende einen Antrag auf Überbrückungshilfe gestellt. An den folgenden sechs Tagen bis heute sind weitere knapp 23.000 Anträge hinzugekommen, berichtete das DSW heute. Würden alle diese 54.000 Anträge genehmigt, müssten dafür knapp 23 Millionen Euro ausgezahlt werden. Insgesamt stehen 100 Millionen Euro für die Überbrückungshilfe zur Verfügung.

Rund 60 Prozent der Studierenden hätten 500 Euro beantragt, 20 Prozent 400 Euro und weitere 20 Prozent 300 Euro oder weniger. Bis wann der Topf reicht, könne man aus der bisherigen Antragsstatistik nicht ableiten, heißt es aus dem DSW, da man nicht von "einem linearen oder progressiven Verlauf" der Anträge aus gehen könne.

Dass die Antragsteller nun noch ein paar Tage länger auf ihre Hilfe warten müssen, ist auch für das DSW bitter. Es hatte seit Anfang Mai nur wenige Wochen Zeit, die nötigen Software-Tools in Auftrag zu geben, nachdem Bundesbildungsministerin Karliczek zuvor anderthalb Monate gebraucht hatte, um einen Überbrückungs-Zuschuss politisch überhaupt auf den Weg zu bringen. Doch den Frust über die Verzögerungen und auch die technischen Probleme beim zwischenzeitlich unter der Bewerberlast eingeknickten Online-Portal bekommen auch die Studierendenwerke zu spüren – obwohl DSW-Generalsekretär Meyer auf der Heyde zuletzt immer wieder Erwartungsmanagement betrieben hatte.

So hatte er beim (verspäteten) Start des Antragsportals vergangene Woche von eine "Operation am offenen Herzen" gesprochen, auf mögliche IT-Probleme in der Anfangsphase hingewiesen und lediglich gesagt, man "hoffe natürlich, noch im Juni auszahlen zu können". Aus dieser Hoffnung wird jetzt wohl nichts. Das DSW wiederholte heute noch einmal entschuldigend: "Das ganze Projekt stellt eine gigantische technische und organisatorische Herausforderung dar, die in kurzer Zeit zu bewältigen ist."

Die betroffenen Studierenden wird das wenig trösten, wenn sie die Stichtage zum Monatswechsel ohne Geld auf dem Konto bestreiten müssen. Die BMBF-Überbrückungshilfe ist und bleibt verkorkst.

Kommentare

#1 -

LetThemEatChaos | Mi., 24.06.2020 - 13:49
100 Millionen für 2,6 Millionen Studierende -
von Wegen!

Durch das unmoralische Abwälzen der zusätzlich anfallenden Verwaltungskosten auf die jeweiligen Studierenden- und Studentenwerke in Form einer Pauschale von 25 Euro, welche diese je bearbeiteten Antrag aus den ZUR VERFÜGUNG GESTELLTEN MITTELN beziehen können und zusätzlich durch die gesamte Abwicklung des IT-Tools aus den 100 Millionen Euro Überbrückungshilfe,
stehen defacto keine 100 Millionen Euro für Studierende zur Verfügung.

Diese Überbrückungshilfe ist keine Hilfe. Sie gleicht als Tropfen auf dem heißen Stein mehr einer nicht ernstzunehmenden Geste. Öffentlichkeits(un)wirksam, gerichtet an eine politisch zweitrangige Bevölkerungsgruppe.

Verzeihen Sie mir, aber unabhängig von Ihrer Arbeit kann ich diesen Sachverhalt nicht aufrichtig ernst nehmen.

#2 -

Jan-Martin Wiarda | Mi., 24.06.2020 - 17:26
@LetThemEatChaos: Zu dem Aspekt, dass von den 100 Millionen Euro auch die Studierendenwerke Bearbeitungspauschalen erhalten, hatte ich hier etwas geschrieben (siehe Kasten unten):

https://www.jmwiarda.de/2020/06/22/ein-fonds-für-die-hochschulen/

Viele Grüße! Ihr J-M Wiarda

#3 -

Daniel Klein | Do., 09.07.2020 - 13:35
Am 18.6 habe ich den Antrag gestellt und bis dato noch kein Geld erhalten.
Danke für die "Sofort"-hilfe!
Meine Freundin, die Selbständig ist, musste ganze 3 Tage auf 9000 Euro warten, aber die Studenten können ruhig noch ein paar Wochen warten...

#7 -

Michelle | Mi., 15.07.2020 - 03:02
Habe meinen Antrag am 16.06 gestellt. Es kam eine Rückfrage und bis heute nichts weiter. Status immer noch in Bearbeitung.
Mal ganz zu schweigen davon, dass ich auf Bafög auch seit Februar warte (ein einziges fehlendes Dokument hatte ich vor über einem Monat auch schon nachgereicht). Durch die zusätzliche Belastung der Studierendenwerke wird der Prozess wohl nicht beschleunigt..

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