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Startchancen: Länder einigen sich auf einen Kompromiss und feiern sich selbst

Fünf Prozent der Bundesmittel sollen vorab in einen Solidartopf fließen. Auf die von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger geforderte Einrichtung einer "Taskforce Team Bildung" reagierten die Kultusminister unterdessen ausweichend.

ES WAR DIE GROSSE ÜBERRASCHUNG auf der Sitzung der Kultusministerkonferenz (KMK). Nach dem teilweise öffentlich ausgetragenen Länderstreit über den Verteilungsschlüssel des geplanten "Startchancen-Programms" einigten sich die Kultusminister auf eine gemeinsame Position gegenüber dem Bund. 

 

KMK-Präsidentin Astrid-Sabine Busse (SPD) sagte, alle 16 Länder würden fünf Prozent aller Mittel, die sie vom Bund erhalten, in einen Solidartopf einzahlen, aus dem nur denjenigen Ländern mit einem besonders hohen Anteil bildungsbenachteiligter Schüler ein "Solidaritätszuschlag" überwiesen werde. Das sei "ein klares Modell". Der Hamburger Schulsenator Ties Rabe, der die SPD-Bildungspolitik der Länder koordiniert, sagte, dadurch werde zum Beispiel das Bundesland Bremen bis zu 25 Prozent mehr Geld erhalten – was nur angemessen sei, weil dort fünfmal so viele Schüler aus bildungsfernen Familien stammten wie in den meisten anderen Bundesländern. Er und seine beteiligten Ministerkollegen hätten für dieses Ergebnis den Großteil der Nacht zu Donnerstag durchverhandelt. 

 

Die Ampel-Parteien hatten in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, rund 4000 Schulen besonders zu fördern: über zusätzliche Baumaßnahmen, die Finanzierung pädagogischer Schulbudgets und bis zu 4000 Stellen für die Sozialarbeit. Das Drei-Säulen-Programm soll über zehn Jahre laufen. Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) hatte zuletzt eine Milliarde Euro Bundesgeld in Aussicht gestellt, zugleich aber eine Beteiligung der Länder in derselben Höhe verlangt. Dazu wollten sich Busse, Rabe und auch Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU), der die Unions-Bildungspolitik koordiniert, auf Nachfrage am Freitag nicht konkret äußern. Rabe sagte, man müsse zunächst darüber reden, wie bereits in Eigeninitiative geleistete Unterstützungsprogramme der Länder bei der Kofinanzierung angerechnet werden könnten.

 

95 Prozent der Mittel sollen
weiter per Gießkanne fließen

 

So groß die Begeisterung der Kultusminister über die gefundene Lösung war, bedeutet diese eben auch, dass 95 Prozent der Mittel auch diesmal per Gießkanne auf die Bundesländer verteilt werden sollen. Zumal Alternativmodelle, einzelne Bestandteile des Programms komplett über Sozialindizes zu verteilen, damit offenbar vom Tisch sind. Ob man das als den Paradigmenwechsel bezeichnen kann, als die grundlegende Abkehr vom sogenannten Königstein Schlüssel, wie sie von vielen Bildungswissenschaftlern gefordert wurde, erscheint fraglich. Immerhin ist der Umverteilungseffekt jetzt offenbar etwas stärker als in einem Anfang des Jahres von mehreren Landes-Bildungsstaatssekretären vorgelegten Konzept. Profitieren werden neben Bremen voraussichtlich in stark unterschiedlicher Stärke die übrigen Stadtstaaten Berlin und Hamburg sowie Nordrhein-Westfalen und Hessen.

 

Dessen Kultusminister Lorenz sprach von einem "Kompromiss". Senator Rabe sagte wiederum, der Solidaritätsfonds habe "einen charmanten Vorteil": Wenn dem Bund die fünf Prozent nicht reichten, könne er den Fonds ja jederzeit auffüllen.

 

Die Kultusminister forderten den Bund auf, die Verhandlungen um die genaue Ausgestaltung des Programms und die Verteilung der Gelder auf die einzelnen Säulen jetzt zügig bis zum Sommer abzuschließen, damit die Startchancen 2024 starten könnten – womit die KMK sich noch einmal offiziell auf den von Stark-Watzinger angekündigten Startzeitraum einließ, obwohl etwa die SPD-Bundestagsfraktion gefordert hatte, bereits 2023 loszulegen.

 

Unmittelbar nach Bekanntgabe der KMK-Einigung meldete sich das BMBF zu Wort. Ein Sprecher sagte: Mit dem Programm sollten diejenigen Schüler gezielt unterstützt werden, die es besonders schwer hätten. "Es ist daher ein gutes Signal, dass die Länder zu einem veränderten Schlüssel bei der Verteilung der Gelder bereit sind. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat bereits mehrfach betont, dass das Prinzip Gießkanne der Vergangenheit angehören muss."

 

Stark-Watzinger hatte am Donnerstag die Ministerrunde besucht, unter anderem um für die von ihr vorgeschlagene "Taskforce Team Bildung" zu werben – als ein neues Gesprächsformat zwischen Bund, Ländern, Kommunen, Zivilgesellschaft und Bildungswissenschaft. Dabei scheint sie sich allerdings einen Teil-Korb abgeholt zu haben.

 

KMK-Präsidentin: Eine neue 
Gremienstruktur ist nicht nötig

 

KMK-Präsidentin Busse sagte, eine neue Gremienstruktur sei nicht nötig. Auf Nachfrage wollte sie dies aber nicht direkt als Absage an die "Taskforce" verstanden wissen. Man müsse sich ja nicht an dem Namen festhalten. "Wir werden in Gespräche gehen, die aber nicht in einem festen Korsett stattfinden werden." Zunächst, wie Busse sagte, in "allerkleinstem Kreis" – was nicht dem Konzept der von Stark-Watzinger vorgeschlagenen Taskforce entsprechen würde. Die KMK-Präsidentin fügte allerdings hinzu, was sich aus diesen ersten Gesprächen ergebe, "wird man dann sehen". 

 

Senator Rabe gab sich noch etwas offener. "Wir wollen ja mit dem Bund reden und brauchen auch eine andere Gesprächskultur." Man werde eine vorbereitende Arbeitsgruppe einsetzen.Was für eine Gesprächsebene dabei herauskomme, lasse sich noch nicht sagen. Klar sei aber, dass die Kommunen einbezogen werden müssten – was dann schon bedeute, dass ein neue Gesprächsebene eingeführt werde. Schließlich gebe es bislang keine regelmäßigen Gespräche unter Beteiligung aller Partner der föderalen Schulpolitik vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen.

 

Hessens Kultusminister Lorz sagte, er sei sehr angetan gewesen "von einem nicht unbedingt zu erwartenden sehr konstruktiven" Austausch mit der Bundesministerin. Der CDU-Politiker hatte beim BMBF-Bildungsgipfel am Dienstag, auf dem Stark-Watzinger ihren Taskforce-Vorschlag präsentierte, gefehlt und schon vorher in ihre Richtung die Spitze abgesetzt, tatsächlich finde der Bildungsgipfel nicht am Dienstag, sondern am Donnerstag statt. "Dann trifft sich die KMK und die Bundesbildungsministerin ist eingeladen und kommt auch."

 

Auch am Freitag wollte Lorz lieber über die Verdienste der Kultusministerkonferenz reden. "Wir lieben es, alle Lügen zu strafen", sagte er, die vorher gesagt hätten, die Länder seien aufgrund ihrer Egoismen nicht in der Lage, eine solidarische Lösung hinzubekommen. 




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Kommentare: 2
  • #1

    Uta (Montag, 20 März 2023 15:37)

    "Profitieren werden neben Bremen voraussichtlich in stark unterschiedlicher Stärke die übrigen Stadtstaaten Bremen und Hamburg"
    -> es soll vermutlich "die übrigen Stadtstaaten *Berlin* und Hamburg" heißen, oder?

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Montag, 20 März 2023 15:40)

    Besten Dank für den Hinweis! Ist korrigiert.