Direkt zum Inhalt

Was genau ist eigentlich das Kooperationsverbot?

Seit der Föderalismusreform von 2006 begleitet uns dieses seltsame Wort, von dem Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) beharrlich sagt, ein solches Verbot existiere gar nicht. Vor zehn Jahren hatten SPD und Union – neben vielen anderen – auch die Artikel 91 und 104 des Grundgesetzes geändert. >>


SONDIERUNGEN:

Bildungsrat ja – aber richtig!

Union und SPD wollen offenbar eine neue Institution schaffen für mehr Abstimmung und Planung in der Bildungspolitik. Ein faszinierender Plan – aber nur, wenn sie von der Vergangenheit lernen.

(12. Januar 2018)


>> Der neue Artikel 104b sollte ursprünglich regeln, dass der Bund den Ländern gar keine Finanzhilfen mehr für Bereiche geben sollte, für die nach der Logik des Grundgesetzes ausschließlich die Länder zuständig sind. Wozu zentral die Schulen und Hochschulen gehören. Im Laufe der Verhandlungen fügte die damalige Große Koalition auf Druck der Sozialdemokraten Ausnahmen ein, und zwar indem sie den Grundgesetz-Artikel 91b neu formulierten.

Insofern existierte ein totales Kooperationsverbot nach der Verfassungsänderung von 2006 tatsächlich nicht, weil der Bund mit den Ländern bei internationalen Bildungsvergleichen wie Pisa und Timms weiter zusammenarbeiten durfte und im Bereich der Hochschulen so genannte "Vorhaben" (also zeitlich befristete Projekte und Programme) unterstützen durfte. Das war unter anderem die Brücke für die Exzellenzinitiative. Ansonsten galt: Keine Dauerhilfen für die Hochschulen und gar keine Förderprogramme mehr für die Schulen. Beschlossen wurde die Verfassungsänderung übrigens gegen den Widerstand der Grünen, der Linken und auch der FDP.

Nach jahrelangen Diskussionen wurde das Kooperationsverbot 2014 gelockert, doch wie schon 2006 über den Artikel 91b und erneut nur für den Bereich der Wissenschaft. Weiter wollte die Union damals nicht gehen. Bis heute. Der SPD-Bildungexperte Ernst-Dieter Rossmann sagte in der zugehörigen Bundestagsdebatte, die Grundgesetzänderung zu 91b sei "nicht das ganze Stück". Denn wir wollen, dass der Geist der gemeinsamen Förderung nicht auf die Hochschulen begrenzt ist."


12. Januar 2018:

Union und SPD haben sich in ihren Sondierungsgesprächen darauf verständigt, erneut eine Änderung beim Kooperationsverbot vorzunehmen. Konkret soll der erst 2017 eingefügte Grundgesetzartikel 104c (siehe Chronologie unten) "angepasst" werden, heißt es im Ergebnispapier – mit der Folge, dass der Bund künftig den Ländern "Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen" ALLER Gemeinden und nicht nur wie bisher der FINANZSCHWACHEN "im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren" kann. Auf dieser Grundlage wollen Union und Sozialdemokraten "eine Investitionsoffensive" für die Schulen starten, insbesondere für "Ganztagsschul- und Betreuungsangebote, Digitalisierung und berufliche Schulen".

Komplett abgeschafft ist das Kooperationsverbot mit der gefundenen Einigung nicht, denn eine dauerhafte Finanzierung schulischer Einrichtungen durch den Bund (also vor allem die Übernahme von Personalkosten) ermöglicht auch der neue Wortlaut nicht. Und wie die Sondierer betonen: "Die Kultushoheit bleibt Kompetenz der Länder."

Zusammen mit einem wie oben skizzierten Bildungsrat könnte sich die gefundene Lösung indes als kluges Konsensmodell herausstellen, dem alle zustimmen könnten – und das die ewigen Debatten ums Kooperationsverbot ein für alle Mal beendet. So die Hoffnung.

Wenige Stunden nach Veröffentlichung des Ergebnispapiers begann allerdings schon wieder der übliche Symbolstreit zwischen Union und SPD, ob denn nun das Kooperationsverbot erledigt ist oder doch nicht. Der Berliner SPD-Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach verkündete per Twitter: "Ende Kooperationsverbot in der Bildung". Auch der sozialdemokratische Bildungsexperte Ernst Dieter Rossmann sagte laut Spiegel Online: "In der Substanz wird das Kooperationsverbot abgeschafft." Der CDU-Bildungsexperte Stefan Kaufmann meinte dagegen er verstehe die Änderung lediglich "als Erweiterung der Möglichkeiten des Bundes, die Länder im Bildungsbereich noch stärker zu unterstützen".

Die Einigung in den Sondierungen ist die neuste Nachricht in einer jahrelangen Debatte um die Mitwirkungsrechte des Bundes in der Bildung, die zuletzt im Herbst 2016 an Fahrt gewonnen hatte. Eine Chronologie in Artikeln:

o BADEN-WÜRTTEMBERGS CDU-KULTUSMINISTERIN SUSANNE EISENMANN WILL KMK STÄRKEN, UM DER DISKUSSION UM MEHR BUNDESEINFLUSS IN DER BILDUNG ETWAS ENTGEGENZUSETZEN (08. JANUAR 2018)

o GELD, SONST NICHTS: MINISTERPRÄSIDENTEN WOLLEN ZUSÄTZLICHE MILLIARDEN VOM BUND – OHNE GEGENLEISTUNG (13. NOVEMBER 2017)

o WAS IST VON DER NATIONALEN BILDUNGSALLIANZ ZU HALTEN, DIE KANZLERKANDIDAT SCHULZ VORSCHLÄGT? EINE ANALYSE. (28. AUGUST 2017)

o KOOPERATIONSVERBOT UND WAHLKAMPF: WO GELD IST, IST AUCH EIN WEG (25. AUGUST 2017)

o STEFAN KAUFMANN: DIE DEBATTE UMS KOOPERATIONSVERBOT: EINFACHER KANN MAN SCIH POLITIK NICHT MACHEN (21. JUNI 2017)

o E. D. ROSSMANN: DA IST SIE WIEDER, DIE BILDUNGS-MERKEL (07. JUNI 2017)


o INTERVIEW MIT SPD-KANZLERKANDIDAT MARTIN SCHULZ: "ELTERN, DIE DIE KLASSENRÄUME IHRER KINDER SANIEREN SOLLEN, INTERESSIEREN SICH NICHT FÜR DIE FEINHEITEN DES FÖDERALISMUS." (29. MAI 2017)

o E. D. ROSSMANN: DIE SPD HAT SEHR WOHL EINE KLARE POSITION ZUM KOOPERATIONSVERBOT (12. JANUAR 2017)

o DIE SPD UND DAS KOOPERATIONSVERBOT: ÖFTER MAL EIN NEUER DEUTUNGSVERSUCH (05. JANUAR 2017)

o EINIGUNG: BUND DARF KÜNFTIG IN SCHULEN INVESTIEREN – DOCH STREIT UMS KOOPERATIONSVERBOT GEHT WEITER (09. DEZEMBER 2016)

o INTERVIEW MIT HUBERTUS HEIL: IST DAS KOOPERATIONSVERBOT NUN WEG ODER NICHT?
(28. NOVEMBER 2016)

o GEPLANTE GRUNDGESETZÄNDERUNG: LASST UNS MAL KURZ DAS KOOPERATIONSVERBOT ABSCHAFFEN? (15. OKTOBER 2016)

Neuen Kommentar hinzufügen

Ihr E-Mail Adresse (wird nicht veröffentlicht, aber für Rückfragen erforderlich)
Ich bin kein Roboter
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.

Vorherige Beiträge in dieser Kategorie


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Geplante Grundgesetzänderung: Lasst uns mal kurz das Kooperationsverbot abschaffen?

Am Freitagnachmittag gegen halb vier herrscht plötzlich Verwirrung. Eine Pressemitteilung aus dem Büro von Hubertus Heil (SPD) jubelt: "Das Kooperationsverbot für Schulen ist Geschichte!" Die Koalition habe sich mit den Ländern auf eine Grundgesetzänderung geeinigt, mit der künftig der Bund in kommunale Bildungseinrichtungen investieren könne.


  • (Digitale) Bildung: Wer bietet mehr?

(Digitale) Bildung: Wer bietet mehr?

Heute verkündet Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU), was seit ihrem BamS-Interview vom Wochenende schon alle wissen: Ein neues Programm mit dem Namen DigitalPakt#D soll Deutschlands Schulen endlich flächendeckend in die digitale Moderne katapultieren.


  • Artikelbild: Bildungsfinanzierung: Warum der Bund nicht die Lösung ist. Und das Reden darüber sogar zum Gegenteil führen könnte

Bildungsfinanzierung: Warum der Bund nicht die Lösung ist. Und das Reden darüber sogar zum Gegenteil führen könnte

Es gibt zwei Irrtümer, die einem immer wieder begegnen in der Debatte um die Zukunft der Bildungsfinanzierung. Jeder von beiden ist für sich genommen gefährlich. Zusammen schaffen sie eine vermeintliche Stimmigkeit, die zu völlig falschen Schlussfolgerungen und damit zu kontraproduktiven politischen Entscheidungen führen könnte.


Nachfolgende Beiträge in dieser Kategorie


  • Kooperationsverbot: Denkt doch mal an was Anderes! Ein Kommentar.

Kooperationsverbot: Denkt doch mal an was Anderes! Ein Kommentar.

Haben sie nun oder haben sie nicht? Es ist eine eigenartige Debatte, die am Wochenende die bildungspolitisch interessierten Gemüter erregte. Am Freitag haben Bund und Länder die Reform des Länderfinanzausgleichs beschlossen. In diesem Zusammenhang haben sie eine Reihe von Grundgesetzänderungen vereinbart, die teilweise auch die Bildung betreffen sollen.


  • Artikelbild: Die Grünen haben ein Orientierungsproblem

Die Grünen haben ein Orientierungsproblem

SPD-Vizefraktionschef Hubertus Heil über den Streit ums Kooperationsverbot und die Frage, ob es denn nun abgeschafft wurde oder nicht


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Pisa: Der schwierige Umgang mit einer uneindeutigen Studie

Nahezu identische Leistungen beim Lesen, ein leichter, aber statistisch nicht signifikanter Abfall in den Naturwissenschaften und in Mathematik: Nach den vermeintlich so unspektakulären Ergebnissen der Pisa-Studie von gestern Vormittag (eine gute Zusammenfassung finden Sie im Artikel meines Kollegen Armin Himmelrath) hat jeder mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen.