Totgesagte leben nicht länger
Mit der DAFG will Dorothee Bär das DATI-Erbe antreten – doch darf sie nicht die gleichen Fehler erneut machen.
Bild: freepik.
EIGENTLICH HATTE DOROTHEE BÄR in einer dpa-Anfrage auf Offensichtliches hingewiesen. Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung aus CDU/CSU und SPD "sieht keine DATI mehr vor", sagte die CSU-Bundesforschungsministerin. Doch in der öffentlichen Darstellung wurde daraus die "endgültige Absage" der von der Ampel geplanten, aber nicht umgesetzten Bundesagentur für Transfer und Innovation. Und einige nutzten die Gelegenheit für einen erneuten – letzten – Abgesang.
Dass nun auch in der SPD Krokodilstränen geweint wurden, wundert allerdings schon – hatten ihre Vertreter doch die DATI-Beerdigung in den Verhandlungen mitgetragen und auch, dass im entsprechenden Kapitel des Koalitionsvertrags stattdessen die Gründung einer Deutschen Anwendungsforschungsgemeinschaft (DAFG) angekündigt wird. Die DATI war also schon lange tot. Und dass Thüringer Politiker Bärs Interview nutzten, um medienwirksam Kompensation zu verlangen, weil die DATI doch im Freistaat sitzen sollte, ist genau der Stil Politik, der Politikverdrossenheit fördert.
Auf den Zahn fühlen sollte man der Forschungsministerin an anderer Stelle. Was genau soll diese DAFG denn eigentlich werden? Und wer soll glauben, dass der Wechsel von der DATI zur DAFG keine Abwertung bedeutet, wenn gleichzeitig der entsprechende Haushaltstitel schrumpft? "DATI weg – überall nur Stillstand?", heißt es in einer Mitteilung der hlb-Bundesvereinigung, des Berufsverbands der HAW-Professorinnen und -Professoren.
Gerade weil die Ampel die DATI-Gründung so lang verschleppt hat, bis sie ausfiel, müsste Dorothee Bär jetzt umso mehr Tempo machen, um ein ähnliches Debakel von vornherein auszuschließen. Doch stattdessen will man wie bei der DATI gemächlich loslegen – mit einem Stakeholder-Prozess.
Neuer Name, altes Problem
Die passenden Worte fand ausgerechnet der Vorsitzende der DATI-Gründungskommission. Die Agentur hätte "eine der großen Lücken unseres Innovationssystems" schließen sollen: "den fehlenden Brückenschlag zwischen exzellenter Forschung und erfolgreicher Anwendung", postete Stefan Gross-Selbeck auf LinkedIn.
Doch statt über eine Missachtung der eigenen Arbeit zu klagen, schrieb Gross-Selbeck: Ja, er bedaure das DATI-Aus. "Nicht, weil sie ohne Rücksprache mit der Kommission getroffen wurde – das ist zu verschmerzen. Sondern weil bis heute völlig offen bleibt, wie dieses strukturelle Problem nun gelöst werden soll."
Statt Fortschritt habe es über Monate ein Gerangel zwischen BMBF und BMWK gegeben – "mit dem Ergebnis, dass die seit Jahren geforderte Bündelung der Kompetenzen im Bereich Transfer nun doch nicht kommt." Die geteilte Zuständigkeit der Ministerien bleibt die Sollbruchstelle der deutschen Transferlandschaft. "Und das kann sich Deutschland eigentlich nicht leisten."
Es ist jetzt nicht die Zeit für Krokodilstränen und gespielte Empörung. Es ist aber auch nicht die Zeit, die Gründung der DAFG anzugehen wie einst die Gründung der DATI. Ministerin Bär muss jetzt handeln und sagen, was genau die DAFG und die im Koalitionsvertrag ebenfalls in aller Schwammigkeit angekündigte Dachmarke "Initiative Forschung & Anwendung" bedeuten sollen. Die Vereinigung der Zuständigkeiten für Transfer und Innovation in ihrem Ministerium mag an Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) gescheitert sein. Jede Verzögerung bei der Frage, was anstelle der DATI kommt, verantwortet Bär allein.
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Kommentare
#1 - Eine volkswirtschaftlich katastrophale Entwicklung
Egal wie die Struktur letztlich politisch benannt wird (eine "Agentur" macht ja in der Tat weniger Sinn als eine sprachliche Anlehnung an die DFG): Angesichts der volkswirtschaftlichen Dauerkriese Deutschlands ist die erneute Verschiebung die bisher schlimmste Nachricht für den Wirtschaftsstandort in 2025. Das Potenzial wäre immens, durch mehr vorwettbewerbliche angewandte Forschung jene PS auf die Straße zu bringen, die unsere in vielen Disziplinen weltweit führende Grundlagenforschung eigentlich bereitstellt. Diese Lücke wegen politischer Machtspiele nicht zu schließen, ist ökonomisch unverantwortlich und erodiert das Vertrauen in die Große Koalition immer weiter. Ein wirklich schlechter Tag für unser Land. Warum bloß macht der Kanzler dieses Thema nicht endlich zur Chefsache? Angeblich ist der Koalition doch nachhaltiges Wirtschaftswachstum so wichtig... :-(
#2 - Die richtige Entscheidung
Gibt es wirklich eine Lücke? Warum nicht bestehende und nachweislich funktionierende Systeme und Programme weiterentwickeln und stärken? Hierauf ist jetzt der Fokus zu legen und das ist der richtige Weg, da er unmittelbar wirkt. Und wir sollten ehrlich sein, die Initiative war doch von Anfang als Förderprogramm für eine spezifische Gruppe geplant.
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