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Wettbewerb um Studierende?

Die neuen Studierendenzahlen überraschen positiv. Doch der Trend hängt an Sondereffekten, internationalen Studierenden und zu starren Studienstrukturen.
Gruppe junger Menschen auf dem Boden sitzend mit Buechern, Heften, Laptops und Smartphones.

Foto: lookstudio / freepik.

AM FREITAGMORGEN hat das Statistische Bundesamt die vorläufigen Ergebnisse zu den bundesweiten Studierendenzahlen im Wintersemester 2025/26 veröffentlicht. Nachdem die bereits bekannten Rückmeldungen einzelner Bundesländer uneinheitlich gewesen waren, zeigt sich: Der Bundestrend fällt überraschend stabil aus.

Die Gesamtzahl der Studierenden ist leicht gestiegen, auf 2,876 Millionen, ein Plus von 12.800 oder 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dabei entwickelt sich das Bild nach Hochschularten unterschiedlich: Die Universitäten verlieren weiter leicht (-0,6 Prozent), die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) dagegen wachsen kräftiger (+2,1 Prozent auf 1,113 Millionen Studierende), genau wie die Kunsthochschulen (+2,1 Prozent). Die Verwaltungshochschulen wiederum verzeichnen ein Minus (-1,9 Prozent).

Im Vorfeld hatten bereits Länder wie Hessen einen leichten Aufwärtstrend bei den Erstsemestern und nur noch einen moderaten Rückgang bei der Gesamtstudierendenzahl gemeldet. Auch Schleswig-Holstein berichtete ein paar zusätzliche Studienanfänger – nach Jahren rückläufiger Gesamtzahlen. Und Bayern, das wegen der Rückkehr zu G9 in diesem Jahr kaum Abiturientinnen und Abiturienten hatte, feierte, bei der Gesamtstudierendenzahl nur zwei Prozent unter dem Rekordniveau von 2024 zu liegen.

Bundestrend stabiler als erwartet

Daneben gab es quer durchs Land die Erfolgsnachrichten einzelner Hochschulen, wobei sich die Schlagzeilen ähnelten: "Bundesweit gehen die Studierendenzahlen zurück – in Ludwigshafen nicht". Oder: "Gegen den Bundestrend: Mehr Studienanfänger an drei Thüringer Hochschulen".

Nun zeigt sich: Der Bundestrend ist keineswegs negativ. Im Gegenteil: Die Erstsemesterzahlen sind im Wintersemester 2025/26 sogar zum vierten Mal in Folge leicht gestiegen – auf 491.700, ein Plus von 0,3 Prozent (1.100 Personen). Schwächer als 2024/25 (+1,7 Prozent), aber auf den ersten Blick trotzdem beachtlich vor dem Hintergrund, dass in Bayern 10.700 Erstsemester (-13 Prozent) fehlen. Umgekehrt verzeichnet Sachsen aufgrund der Umwandlung der Berufsakademie zur dualen Hochschule 4.700 zusätzliche Studienanfänger (+24 Prozent). Und das ist dann der zweite Blick: Ohne diesen technisch bedingten Anstieg wäre es bundesweit doch leicht bergab gegangen mit den Erstsemestern.

Die Kultusministerkonferenz prognostizierte zuletzt im September, dass es dieses und nächstes Jahr bei den Erstsemestern nochmal runtergehen sollte, um über sechs Prozent, vor allem wegen besagter Abijahrgangausfälle zunächst in Bayern, dann in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Aber schon von 2027 an soll die Richtung wieder aufwärts sein – und Mitte der 30er Jahre neue Rekorde anstehen. Realistisch – oder auch ein bisschen Showzahlen für die Haushaltspolitiker, damit die jetzt nicht zu sehr die Hochschulfinanzierung runterschrauben (was sie vielerorts ja längst tun)?

Dass es nun sogar dieses Jahr ein paar mehr Studienanfänger und Studierende insgesamt gab, kommentiert HRK-Präsident Walter Rosenthal als "doppelt positive Entwicklung". Die Kultusministerkonferenz sei im September noch von nur 465.000 Erstsemestern ausgegangen – tatsächlich sind es nun rund 27.000 mehr.

Wer treibt den Anstieg – und wer bremst?

Offen bleibt vorerst, in welchem Maße internationale Studienanfänger den Anstieg erneut getragen haben. Dazu veröffentlicht Destatis erst im Sommer 2026 Zahlen. Dass ihr Beitrag erheblich ist, hatte zuletzt "Wissenschaft weltoffen" erneut gezeigt. Fest steht: Neue Studierende, vor denen sich die deutschen Hochschulen über viele Jahre kaum retten konnten, sind wieder begehrt geworden, und jede Hochschulleitung verfolgt aufmerksam-besorgt die Entwicklung der Zahlen. 

Verwunderlich ist vor dem Hintergrund allerdings, wie langsam sich viele Hochschulen – trotz banger Blicke auf die Erstsemester – auf die Lebensrealitäten ihrer Studierenden einstellen. 88 Prozent aller Bachelor- und 97 Prozent aller Masterangebote werden laut einer aktuellen CHE-Auswertung weiterhin als Vollzeitstudium angeboten.

Der Anteil der Programme, die auch in Teilzeit studierbar sind, ist zwischen 2019 und 2024 nur um sechs Prozentpunkte gestiegen – auf jetzt 19,9 Prozent. Und das, obwohl zwei Drittel der Studierenden im Präsenzstudium nebenbei arbeiten, durchschnittlich 15 Stunden pro Woche. Acht Prozent studieren mit Kindern, weitere knapp zwölf Prozent pflegen Angehörige.

Unis unbeweglicher, HAWs flexibler

Am unbeweglichsten zeigen sich die staatlichen Universitäten, während die HAWs flexibler sind – vor allem durch duale und berufsbegleitende Programme. Ob direkter Zusammenhang oder nicht: Spannend ist vor diesem Hintergrund schon, wie laut Statistischem Bundesamt die Entwicklung der Studierendenzahlen zwischen den Hochschularten auseinanderläuft.

Und die privaten Hochschulen? Haben sogar die Hälfte ihrer Bachelor-Studiengänge berufsbegleitend oder als Fernstudium konzipiert, wobei man an dieser Stelle auch das zu Recht kritisch diskutierte Wachstum der "IU Internationale Hochschule" nicht unterschlagen sollte. Und die Flexibilität kostet. Im Falle von weiterbildenden Studiengängen um die 15.000 Euro, berichtet das CHE, bei privaten wie bei staatlichen.

Und dennoch: Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass vor allem abseits der Metropolen jene Hochschulen erfolgreich sein werden – bei einheimischen wie internationalen Studierenden –, die sich beim Thema Teilzeit und flexible Studienmodelle deutlich stärker bewegen als bislang.

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