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Lose machen klug

Eine neue Lotterie geht an den Start, Ziel: die Förderung von Bildungschancen. Eine Idee mit doppeltem Boden.

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Artikelbild: Lose machen klug

DA IST ES ALSO, das seit Jahren diskutierte Bildungslotto. In einem Interview mit dem Handelsblatt hat Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbands, den Start der "Bildungs-Chancen-Lotterie" verkündet. Ab sofort können über die Website www.bildungslotterie.de Lose gekauft werden – und nur dort. "Das klassische Lotteriegeschäft stagniert, online geht es gerade los", sagt Schlüter. Wöchentlich soll es Ziehungen geben, die Preise gehen in die Millionen.

Hinter den Kulissen wurde die Idee seit 2012 von verschiedenen Organisationen und potenziellen Partnern als Gedankenspiel betrieben. Anfangs hatte sich besonders der damalige Vizepräsident der Leuphana-Universität, Holm Keller, für eine solche Lotterie eingesetzt. Keller gilt als einer der kreativsten, aber auch umstrittendsten Köpfe in der Bildungsszene. Nachdem der Stifterverband 2013 sein grundsätzliches Interesse signalisiert hatte, vergingen fünf weitere Jahre, bis Experten die wirtschaftliche Tragfähigkeit untersucht hatten, Partner (die SOS-Kinderdörfer weltweit und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung) gefunden waren und mutige Geldgeber die nötigen 20 Millionen Euro Startkapital zur Verfügung gestellt hatten.

Schon an der Summe kann man erkennen, dass die Bildungslotterie eine große Nummer werden könnte. 100 Millionen Euro Umsatz hat Schlüter als Ziel ausgegeben, 30 Millionen Euro könnten dann jährlich in Bildungsprojekte investiert werden.

Aber kann das klappen in einem Land, das Bildung vorrangig für eine staatliche Aufgabe hält? Das ebenfalls vom Stifterverband (wenn auch nur rhetorisch) unterstützte Deutschlandstipendium sollte ursprünglich acht Prozent der Studenten mit 300 Euro im Monat unterstützen, zur Hälfte privat finanziert. Sieben Jahre nach dem Start liegt die Quote jetzt bei rund einem Prozent – weil die privaten Spender Mangelware bleiben. Über den Sinn eines solchen Stipendiums sagen die Zahlen nichts aus, sehr wohl aber über die Barrikaden, die es auch für die Lotterie zu überwinden gilt.

Wobei die Idee einen entscheidenden Vorteil hat: den Spieltrieb der Leute. Verbunden mit dem Gefühl, für den Nachwuchs etwas Gutes zu tun. Auch insofern ist die Partnerwahl des Stifterverbandes klug: Besonders die SOS-Kinderdörfer liefern die Geschichten und Bilder, die es braucht, um eine abstrakte Geldverteilungsmaschine emotional ansprechend zu machen.

Eine Lotterie kennzeichnet, dass man zum Gewinnen selbst nichts beitragen kann, allein das Glück entscheidet. Hat man diesen Gedanken im Kopf, wird plötzlich die ganze symbolische Bedeutung der Bildungslotterie deutlich: Sie soll Bildungschancen fördern in einem Land, in dem Schulkarrieren und soziale Herkunft enger miteinander verknüpft sind als Leistung und Belohnung. So traurig das ist: Für viele Kinder ist der Start in Kita und Schule immer noch der wahre Beginn der Bildungslotterie.

Allein aufgrund dieser Doppelbödigkeit möchte man dem Stifterverband und seinen Partnern viel Erfolg wünschen.

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