Jetzt ist mal gut
Die Politik gründet ein angebliches Spitzen-Forschungsinstitut für Digitalisierung nach dem anderen. Die Folgen sind teilweise absurd.
ES IST JA GUT, dass die Politik aufgewacht ist. Aber wie! In den vergangenen zwei Jahren hat die Bundesregierung folgende Forschungsinstitute und –verbünde angeschoben oder angekündigt: Das Deutsche Internet-Institut. Bundesweit vier Kompetenzzentren für maschinelles Lernen. Ein "öffentlich verantwortetes Zentrum für künstliche Intelligenz" zusammen mit Frankreich. Ein Zentrum für digitale Innovationen in der Systemforschung mit Polen. Eine Agentur für Cybersicherheit. Und, ganz frisch, ein neues Helmholtz-Zentrum – für Informationssicherheit. Ich behaupte nicht, dass diese Liste vollständig ist. Zumal viele Bundesländer parallel eigene Initiativen vorantreiben. Ich behaupte aber, dass es dann irgendwann auch mal gut ist.
Mit aller Macht wollen die Forschungspolitiker aller Parteien demonstrieren, dass sie endlich kapiert haben, woraus Zukunft gemacht wird. Mit viel Geld wollen sie das Digital-Entwicklungsland Deutschland nach vorn katapultieren.
Es gibt dabei allerdings zwei Probleme. Erstens stand die Bundesrepublik in Sachen Highend-Forschung zu KI und Digitalisierung im internationalen Vergleich schon bislang ziemlich gut da. Was fehlte, war ein Staat, der konsequent in den Ausbau der digitalen Infrastruktur investiert. Was fehlte, waren Schulen, die endlich die Bildung für die digitale Welt vorantreiben. Ein Bildungssystem, das die Gesellschaft vorbereitet auf die tiefgreifenden Veränderungen, die längst begonnen haben. Was fehlte, waren auch Konzerne, die den Mut haben, ihre bestehenden Geschäftsmodelle zu überdenken.
Zweitens folgt der aktuelle Förderhype einer politischen, keiner forschungsimmanenten Logik. Es soll möglichst schnell möglichst viel entstehen. Ob dadurch Doppelstrukturen wachsen, ob die Mitnahmeeffekte am Ende größer sind als die Innovationswirkung, ist offen. Die Politik spricht wolkig von der "Vernetzung" der neuen mit den bestehenden Instituten und mit der Wirtschaft, vom Aufbau nationaler Forschungskonsortien und Plattformen.
Klar: Man kann, man darf darauf hoffen, dass das allmählich ziemlich beeindruckende Aufgebot einschlägiger Forschungseinrichtungen mittelfristig einen Run von Spitzenforschern aus dem Ausland nach sich zieht. Doch reichen die im öffentlichen Dienst gezahlten Gehälter dazu? Spielen Berlin, Karlsruhe oder das Saarland wirklich schon in einer Liga mit dem Silicon Valley oder Israels Hightech-Szene?
Solange sie es nicht tun, entsteht ein teilweise absurder Wettbewerb um die nicht gleichermaßen über Nacht gewachsene Zahl geeigneter Wissenschaftler. Jede neue Einrichtung braucht ein paar wohlklingende Namen auf ihrer Liste, schon um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass sie das Geld wert ist. Und so kommt es, dass einige der Wissenschaftler, die besonders gut im Geschäft sind, gleich bei drei oder vier der neuen Projekte gleichzeitig unter Vertrag genommen werden. Man könnte auch sagen: verschlissen werden.
Ob all das zur Effizienz beiträgt oder doch eher zur Schaufensterpolitik, ist eigentlich nicht mal mehr eine rhetorische Frage.
Dieser Kommentar erschien heute in einer kürzeren Version zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.
Kommentare
#1 - Ich würde mir wünschen, dass unterschieden würde…
#2 - Auch wenn Großbritannien nicht mehr so richtig en vogue…
#3 - Ich persönlich sehe das nicht so kritisch, weil gerade in…
Ich singe da also lieber das "Lob der Verschwendung" (Gernot Grabher, 1994, Sigma Verlag)
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