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Streit über die "Bayreuther Erklärung"

Die Unikanzler haben sich in einem Positionspapier für den Erhalt der besonderen Befristungsmöglichkeiten an Hochschulen ausgesprochen. Jetzt reagiert die GEW.

ES WAR DER VERSUCH, aus der Defensive herauszukommen. Im Frühjahr lief die Kampagne "Frist ist Frust" an, initiiert unter anderem von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die mehr Dauerstellen für den Mittelbau verlangt. Das Bundesforschungsministerium wiederum hat im Hochschulpakt-Nachfolgeprogramm "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken" mehr unbefristete Stellen zu einem zentralen Kriterium gemacht. Zeit zum Gegenhalten, fanden die Universitätskanzler offenbar. Und so beschloss die Vereinigung der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten Deutschlands bei ihrer Jahrestagung im September die sogenannte "Bayreuther Erklärung". 

 

Darin enthalten ist ein umfangreiches Bekenntnis zu 

Zeitverträgen an Universitäten – und die Betonung, dass Universitäten "Qualifizierungssysteme" seien. Die Kanzler fordern die Anerkennung dieser "besonderen Rolle und Aufgabe" von Universitäten und "den Erhalt und die Entwicklung von Befristungsmöglichkeiten für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen entsprechend den angestrebten Qualifizierungszielen". 

 

Die GEW kritisiert die "Bayreuther Erklärung" jetzt heftig. "Die Kanzlerinnen und Kanzler haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt", sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller. Eisern hielten sie an der Vorstellung fest, dass nur eine befristet beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiterin eine gute wissenschaftliche Mitarbeiterin sei. "Das ist anachronistisch.“

 

Kanzler: Zu viele Entfristungen würden Förderung
des wissenschaftlichen Nachwuchses lahmlegen

 

Die Unikanzler argumentieren in ihrem Positionspapier: Die Aufgabenstellung der Universitäten mache es notwendig, dass die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse für wissenschaftliches Personal überwiege. "Nur so ist es möglich, dass kontinuierlich Absolventinnen und Absolventen für Aufgaben in Wissenschaft, Wirtschaft oder Verwaltung ausgebildet werden können und dabei während der Qualifizierungsphase auch in Zukunft über sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verfügen." Und diese Art von Beschäftigungsverhältnissen könne im Falle umfassender Entfristungen für den akademischen Mittelbau nicht sichergestellt werden. 

 

Die von den Gewerkschaften erhobene Forderung "Gute Arbeit heißt entfristete Arbeit" könne deshalb nicht in dieser Form für die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses gelten. "Vielmehr würde sie die kontinuierliche Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses lahmlegen und insofern diese besondere Funktion des Wissenschaftssystems unterlaufen."

 

Die Kanzler unterstützten "nachdrücklich die Zielrichtung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes", heißt es weiter in der "Bayreuther Erklärung". In der Begründung des Gesetzes durch die Bundesregierung werde festgestellt, dass die für die Wissenschaft erforderliche Dynamik und Flexibilität durch das Befristungsrecht nicht beeinträchtigt werden sollten.

 

GEW-Vize Keller forderte in seiner Reaktion, die Kanzler sollten sich ihrer Verantwortung für faire Beschäftigungsbedingungen und verlässliche Karrierewege in der Wissenschaft stellen. Sie seien die Personalchefs ihrer Universitäten und hätten es in der Hand,  "durch eine nachhaltige Personalentwicklung und eine verantwortungsbewusste Anwendung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes für mehr Dauerstellen zu sorgen". Keller betonte: "Nicht einmal die GEW ist der Auffassung, dass wir 100 Prozent Dauerstellen im akademischen Mittelbau brauchen. Was wir brauchen, ist ein angemessenes Verhältnis von befristeten und unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen." Ein Verhältnis von 9 zu 1 befristet zu unbefristet sei alles andere als angemessen.

 

GEW: Die Hochschule ist nicht
primär ein Qualifizierungssystem

 

Keller widersprach der Aussage der Unikanzler, dass die Hochschule primär ein Qualifizierungssystem sei. Das sei sie eben nicht.  "Eine Hochschule ist vor allem ein Lehr- und Forschungssystem, dessen Betrieb ohne die über 200.000 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammenbrechen würde. Gute Lehre und gute Forschung setzen gute Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen voraus." 

 

Auch in den Sozialen Medien verursachte die sogenannte "Bayreuther Erklärung" der Uni-Verwaltungschefs Widerspruch und aufgeregte Diskussionen. "Kanzler*innen rechtfertigen Befristungswahnsinn in der Wissenschaft", kommentierte die Berliner Psychologieprofessorin Jule Specht, die Gründungsmitglied im "Netzwerk Wissenschaftspolitik von Sozialdemokrat*innen" ist. Ebenfalls auf Twitter schrieb Martin Grund, der Mitgründer des Doktorandennetzwerks N², die Erklärung der Kanzler lese sich "wie eine Bankrotterklärung des deutschen Wissenschaftsmanagement. Wo bleibt die Erklärung zur Personalstruktur/-entwicklung für die Wissenschaft des 21. Jahrhunderts?"

 

An einer Stelle immerhin dürfte die "Bayreuther Erklärung" auch bei ihren Kritikern auf Zustimmung gestoßen sein. Die Kanzler forderten eine nachhaltige Finanzierung der Universitäten "zum Erhalt und zur Förderung verlässlicher und planbarer Qualifizierungschancen der nächsten Generationen."

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Kommentare: 14
  • #1

    Josef König (Dienstag, 08 Oktober 2019 14:29)

    Bei allem Verständnis für das Dilemma, also den Forderungen der GEW und das Gegenhalten der Kanzler/innen, darf man nicht vergessen, dass die strengen Befristungen ein „Relikt der Mitte bis späten 80er“ des letzten Jahrhunderts sind - eine Folge, dass zunehmend „Mittelbauer“ zuhauf sich in Dauerverträge eingeklagt haben, dass habilitierte „übergeleitet“ wurden und ab Ende der 80er die Universitäten gleichsam bewegungslos waren, zumal damals auch noch die große Kürzungswelle durch sie lief. Das nur zu geschichtlichen Einordnung.
    Notwendig seitens der Universitäten sind sicher auch hier und da mehr Dauerstellen, aber gleichwohl haben Kanzler und Wissenschaftler mit Personalverantwortung auch die undankbare Aufgabe, jemanden klar rechtzeitig (!) mitzuteilen, er/sie möge sich anderswo und in anderen Berufen umschauen, weil vielleicht trotz guter Qualität dieser auf Dauer nicht reicht für die Professur. Es hat an dieser Wahrnehmung der Verantwortung häufig genug in allen Bereichen der Unis, also sowohl der Forschung/Lehre wie der Verwaltung gefehlt, so dass Menschen erst kurz vor Auslaufen ihres Vertrages noch mit der Hoffnung besänftigt wurden, die von ihren Vorgesetzten letztlich nicht erfüllt wurde. Auch das ist Verantwortung tragen!

  • #2

    M. Lenzki (Dienstag, 08 Oktober 2019 14:45)

    Wie wäre es damit: Mehr Dauerstellen in der Verwaltung streichen ! Verwaltung ist an den Uni's zur Unterstützung von Lehre und Forschung da, nicht umgekehrt.
    Man lasse Revue passieren, wieviel Stabsstellen im Verlauf der Zeit zur Verwaltung von Irgend-Etwas geschaffen wurden. Beispiele: "Verwaltung des Bachelor-Master Systems" oder der irrsinnige Kampf um den Exzellenz-Wahn.

  • #3

    Björn Brembs (Dienstag, 08 Oktober 2019 15:01)

    Wenn es tatsächlich so wäre, dass der Mittelbau realiter eine Qualifizierungsphase wäre (und nicht durch Befristungen künstlich dazu gemacht würde), bräuchte es aus personalstrategischer Sicht keine Befristung, denn die einmal qualifizierten würden ja danach von selbst auf die besser dotierten Stellen wechseln.

    Dumm nur, dass es niemanden gibt, der sagen kann, wann diese Qualifizierung denn erreicht ist, sondern diese künstliche Befristung heranziehen muss.

    Wer die Befristung will, muss diese auch objektiv rechtfertigen können und konsequenterweise die Habilitation als Nachweis der Qualifizierung wieder einführen. Alles andere ist Personalpolitik nach Gutsherrenart: Qualifiziert ist wessen Befristung abgelaufen ist. Q.e.d.

  • #4

    Th. Klein (Dienstag, 08 Oktober 2019 15:44)

    @Lenzki: auch in der Verwaltung und in den Stabsstellen sind viele Personen befristet beschäftigt, gerade die Exzellenz-Mittel sind ja Drittmittel, aus denen man bequem auch Verwaltungspersonal/Wiss.-Management befristen kann.
    In den Stäben, die ich kenne, sind gut die Hälfte der Leute befristet beschäftigt. Über die spricht übrigens niemand, obwohl es sich hier nicht um eine Qualifikation handelt, sofern man diese Argumentation aufnehmen möchte, sondern in vielen Fällen um Daueraufgaben.

  • #5

    YueHan (Dienstag, 08 Oktober 2019 17:08)

    Es nützt doch keiner*m etwas, verschiedene Gruppen gegeneinander auszuspielen, die prekär beschäftigt sind. Die Mitarbeiterin im International Office, die den internationalen Doktoranden betreut und ihn unterstützt, dass er sich auf sein Forschungsprojekt konzentrieren kann ohne Stress mit der Ausländerbehörde. Beide werden in befristeten Verträgen gehalten.
    Befristete Verträge gibt es auch in Zulassungsabteilungen. Natürlich kann man jetzt sagen: Wozu Zulassungen - Unis ohne Studis wäre doch bessen, dann kann man sich auf Forschung konzentrieren.
    Fakt ist, dass sich an den Hochschulen viele Menschen in Forschung, Lehr oder Verwaltung in prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden und das ist ein Unding. Die Qualität der Arbeit wird dadurch nicht besser. Allein die Tatsache, dass sich die Leute ein halbes Jahr vor Ablauf des Vertrages mehr darauf konzentrieren eine neue Stelle zu finden, statt ihrer eigentlichen Arbeit zu 100% nachzugehen, macht doch den Wahnsinn deutlich. Kein anderes Unternehmen, keine ausseruniversitäre Forschung geht so mit Ressourcen um. Ja - Uni bildet aus und es ist auch Sinn der Sache, dass ein Großteil der Menschen diesen "Ausbildungsbetrieb" irgendwann verlassen, doch Uni muss Menschen, die bleiben auch Perspektive geben. Es gibt Menschen, bei denen klar ist, dass sie bleiben wollen und sollen, die bis 50 in Zeitverträgen hängen - Zukunft, Familie, ...?
    Nicht jede*r wird Prof., aber in anderen Wissenschaftssystemen gibt auch im Mittelbau Forscher*innen, die auf Dauerstellen sitzen und sehr gute Forschung betreiben. Unser professorales System hat den "Dauermittelbau" fast abgeschafft. Wo sind denn die Akad. Räte* bis Akadem. Direktor*innen? Solche Dauerstellen benötigen wir, ebenso wie Dauerstellen in der Verwaltung, die Forschung und Lehr unterstützt und auch die "störenden" Studis managt.

  • #6

    Mediävist (Dienstag, 08 Oktober 2019 21:12)

    Bei allem Verständnis für die Lage sollte man einfach einmal darauf hinweisen, dass die eigentliche Forschung immer weniger an den Universitäten stattfindet (DFG-Programme, Forschungsinstitute). Der Sinn und Zweck einer Uni besteht nicht darin, zu "qualifizieren", sondern darin, Spezialwissen zur Verfügung zu stellen bzw. die Fähigkeit zu erhalten, solches zu generieren.

    Deutsche Unis entsprechen dieser Aufgabe heutzutage immer weniger. Der Wissenschaftsbetrieb ist zu sehr auf die Lehrstuhlinhaber zugeschnitten. Professoren sind z.T. viel zu sehr mit dem Lehrbetrieb beschäftigt, andererseits aber auch in externen Entscheidungsgremien viel zu "mächtig", um einen Überblick darüber haben zu können, was wichtig ist und wer für die Forschung real Innovatives leistet. Da werden viele "untergebracht" bzw. Projekte hochgepuscht, die zweitklassig sind. Für das Gros der Jungwissenschaftler sind "feste Stellen" so oder so unerreichbar. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Stellen wiederum eigentlich gar nicht so erstrebenswert, da der heutige Unibetrieb hochklassige Forschung eher verhindert als fördert. Was der Karriere nützt, muss wissenschaftlich betrachtet gar nicht so erstrebenswert sein. Andererseits versprechen sie natürlich Unabhängigkeit (trotz der Belastung durch Verwaltungsaufgaben, Lehre usw.).

    Meine Meinung: Akademiker mit "Familie, Politbesetzungen usw. Titel gibt es genug. Verschont uns mit "Qualifikationsmerkmalen", lest lieber unsere Aufsätze und Forschungsbeiträge! Viel wesentlicher wäre es, wenn Anträge deutlich rascher bewilligt würden, wenn Lehrstuhlinhaber bei Antragen für eigene Stellen nicht zwischengeschaltet würden und wenn man Jungwissenschaftler tatsächlich als Ich-AGler behandeln würde und nicht nur als hörige Manövriermasse für etablierte Lehrstuhlinhaber. Was nützt es mir, wenn ich Projektmitarbeiter bin und kurz vor der Einstellung fallengelassen werde, weil irgendwer vorgezogen werden soll? Was nützt es mir, wenn ich einen Eigenantrag stelle, aber 3 Monate warten muss, bis mir ein Lehrstuhlinhaber eine Arbeitsplatzzusage gibt, die Grundbedingung ist für eine Bewerbung bei der DFG?

    Der Fehler liegt darin, dass man sich nicht entscheiden will, was man sein möchte: Freier Markt oder institutionalisierter Lehrbetrieb. Einen freien Markt gibt es nicht, weil die Lehrstuhlinhaber die Karrieren faktisch bestimmen, eine institutionalisierte Lehre darf es aus dem selben Grund nicht geben: Sie würde Unabhängigkeit bedeuten. Insofern sehe ich hier schon Krokodilstränen am Werk ...

    Wie man es dreht und wendet: Die eigentliche Forschung spielt schon längst keine Rolle mehr!

  • #7

    Jan-Martin Wiarda (Dienstag, 08 Oktober 2019 21:14)

    @Mediävist: Ich habe einen Halbsatz aus Ihren Kommentar entfernt, da er nicht dem Diskussionsstil entsprach, den ich gern in meinem Blog gepflegt sehen möchte. Sie können mich gern per Mail kontaktieren, wenn Sie den Halbsatz in anderer Formulierung wieder ergänzen möchten. Dieser Hinweis soll der Transparenz dienen.

  • #8

    Christina Reinhardt (Mittwoch, 09 Oktober 2019 17:12)

    Was ich als wenig hilfreich empfinde in der Debatte ist die Ungenauigkeit, insbesondere bei der Verwendung des Begriffs „Mittelbau“. Niemand wird bezweifeln, dass die Befristung von Promotionsstellen in der Regel adäquat ist, wohingegen die Lage problematischer wird, je nachdem über welchen Zeitraum nach der Promotion man spricht.

    Entscheidend ist es aus meiner Sicht, das man die befristeten (und die unbefristeten) Beschäftigungsverhältnisse mit Hilfe einer umfassenden Personalentwicklung fair gestaltet. Da ist die Universität als Institution gefragt, genauso wie die Professor*innen und andere Leitungskräfte, die Führungsverantwortung tragen.

    Ich schlage also vor, die Debatte etwas genauer und unaufgeregter zu führen.

  • #9

    Elstir (Donnerstag, 10 Oktober 2019)

    Die Gewerkschaften haben 2005 mit der Zustimmung zum TV-L einer gigantischen Sparmaßnahme zugestimmt. Diese betraf vor allem die nach 2005 Eingestellten. Die Sparmaßnahmen des TV-L sind nicht analog auf den Beamtenbereich übertragen worden. Dass genau die GEW sich jetzt für eine 'Entfristungsoffensive' einsetzt, ist sprachlich genauso daneben wie es sozialpolitischer Populismus ist. Das erinnert mich an die sozialdemokratische Wissenschaftspolitik, die auch nichts mehr davon wissen will, dass sie erstens für den Exzellenzwahn und zweitens für die Einführung der W-Besoldung Verantwortung trägt, die ja man als auch radikale Sparmaßnahme beschreiben kann.

  • #10

    Mascha Hansen (Donnerstag, 10 Oktober 2019 16:29)

    Hier eine schöne Antwort auf die "Bayreuther Bankrotterklärung" (so die Autor*innen) durch das Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft: https://mittelbau.net/

    Bemerkenswert außerdem, wie offen die Mängel in der Personalführung zu Tage treten: welches Unternehmen, welche Institution wirft den eigenen unbefristeten Mitarbeitenden öffentlich vor, sie blockierten nur die Stellen für andere? Wie kann man dauerhaft Beschäftigte, von denen es an den Universitäten doch so einige gibt, noch gezielter demotivieren? Wie den befristeten Beschäftigten deutlicher klar machen, dass sie unerwünscht sind, egal was sie leisten, da ihre Arbeit ja offenbar nur der eigenen Qualifizierung dient? Das wird die nächste Weihnachtsansprache so schnell nicht wieder wett machen.
    Es geht aber, so scheint mir, bei den Forderungen nach Befristungen vor allem auch um Geld: Drittmittelsummen würden oft drastisch geringer ausfallen, wenn das Uni-finanzierte unbefristete Personal die anstehenden Projektaufgaben übernehmen könnte und einzuwerbende Personalkosten damit überflüssig würden.

  • #11

    Luzia (Freitag, 11 Oktober 2019 08:28)

    @ Elstir: Ja, wir, die GEW, halten leider seit Jahren an einer rückständigen und teuren Beamtenpolitik fest, die zu Lasten auch der Angestellten in der eigenen Organisation geht, da Beamte nicht streiken dürfen. Sie kämpft aber auch seit Jahrzehnten gegen unsinnige Befristungen und prekäre Beschäftigungen im Hochschulbereich. Die Umstellung von BAT auf TV-L hätten wir, die GEW, nur mit einem sehr viel höheren Organisationsgrad im Wissenschaftsbereich wie er beispielsweise in anderen europäischen Ländern zu finden ist, verhindern können. Tarifauseinandersetzungen kann man nur mit Menschen, die bereit sind, sich für ihre Interessen langfristig und organisiert einzusetzen, gewinnen. Wenn die GEW trotzdem kämpft hat dies nichts mit Populismus zu tun. (Im Übrigen fand die Umstellung der C-Besoldung auf die W-Besoldung im Beamtenbereich statt.)

  • #12

    McJ (Freitag, 11 Oktober 2019 09:47)

    @Christina Reinhardt: Ihre Forderung nach Fairness in der Gestaltung der post-doktoralen Phase kann ich bekräftigen.
    Das ist doch letztlich das Dilemma: Die deutsche Universität, die sich nur als Qualifikationsinstitution versteht, gräbt sich kontinuierlich diese mühsam aufgebauten Qualifikationen wieder ab. Jede/r Promovierte ist voll wissenschaftlich ausgebildet, hat Expertise im Umgang mit Projekten, Laboren, Methoden, auch Lehre, Hochschuldidaktik etc. pp. - und dann setze ich diese ganze (auch kostspielig erworbene) Kompetenz weit überwiegend wieder vor die Tür und fange mit der nächsten Kohorte an Doktoranden/-innen wieder von vorne an.
    Solange es bei der (quantatitiven wie qualitativen) wenigen festen Professuren und dem sich erst noch qualifizierenden, zahlreichen Nachwuchs bleibt, wird das nix, weder mit Weltklasse-Forschung noch mit guter Lehre.

  • #13

    Edith Riedel (Freitag, 11 Oktober 2019 10:59)

    Das Grundproblem liegt doch darin, dass an der Anzahl der aus der Grundfinanzierung bestreitbaren festen Stellen vorbei ausgebildet wird. Die Zahl der Promovierenden wird, gerade durch die enorme Bedeutung der Drittmittel, immer höher, feste Stellen sind jedoch nicht vorgesehen. Es gibt inzwischen Exzellenzcluster, deren Namen beim lokalen Arbeitsamt ein Begriff sind, eben weil die Promovierenden nach einer 36-monatigen Förderzeit keine Perspektive haben. Wenn man an dem System von niedriger Grundfinanzierung und hoher Drittmittelquote festhalten möchte, müssen belastbare Konzepte für Drittmittelkarrieren erarbeitet werden. Der Bedarf an qualitativ hochwertiger Forschung besteht heute mehr denn je, das sollte Motivation genug sein, ein solches Unterfangen anzugehen.

  • #14

    Elstir (Dienstag, 15 Oktober 2019 17:25)

    @Luzia: Wenn die Beamten streiken wollen (was Sie durchaus tun können sollten), dann müssten sie aber im Gegenzug auch auf vielerlei Privilegien verzichten (Besoldungsfortzahlung ohne Abzüge im Krankheitsfall, Rente statt Pension etc.) Man kann nicht immer alles wollen: Der Beamte ist kein Arbeitnehmer. Zum TV-L: Da ich im Zuge der Diskussion um den TV-L mit den Kolleginnen und Kollegen intensiv gesprochen habe und in unterschiedlichen, auch gewerkschaftlichen Kontexten auf das Risiko einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im ÖD hingewiesen habe, die durch den TV-L eingeführt wird, es aber keinerlei Agenda gab, das zu verhindern, bin ich ausgetreten. Die Problematik, die Sie schildern, hat nichts mit dem nicht sehr hohen Organisationsgrad des wissenschaftlichen Dienstes zu tun (der sehr hoch sein kann), sondern vielleicht auch damit, dass man sich nicht vertreten fühlt. In Frankreich bspw. ist der Organisationsgrad sehr hoch; das ist gut, sehr gut. Hier gibt es aber auch eine Gewerkschaft, die wirklich nur die Interessen der Wissenschaft vertritt. Man müsste analog in Deutschland eine Wissenschaftsgewerkschaft gründen. Es geht ja auch leider darum, dass die Interessen immer partikularer werden. Monothematik hilft da weiter, manchmal.