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Wie kann das sein?

Christian Heinze, 21, versteht nicht, warum in deutschen Schulen so viel schiefläuft. Darum engagiert sich der Student jetzt im neuen Bürgerrat "Bildung und Lernen".

Herr Heinze, Sie studieren im 6. Semester Elektrotechnik in Gera-Eisenach und machen nebenher mit beim Bürgerrat "Bildung und Lernen", der sich gerade zum ersten Mal konstituiert. Was ist denn der Bürgerrat?

Es ist, wie Sie sagen: Den gibt es noch gar nicht. Angefangen hat alles mit einem offenen Online-Forum, in dem Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus seit Oktober ihre Ideen für ein besseres Bildungssystem hinterlassen konnten. Als nächstes wurden 20 Menschen zufällig ausgewählt, zu denen ich gehörte, und die haben sich Ende März zu einem virtuellen Workshop getroffen, um die vielen eingegangenen Ideen zu diskutieren, zu ergänzen und in Leitfragen und Themenfelder zu sortieren. Und diese gingen dann in ein zweitägiges Online-Bürger- und Jugendforum mit rund wiederum zufällig ausgewählten 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, das vergangene Woche stattfand, da durfte ich auch wieder dabei sein.


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Und das ist dann der Bürgerrat?

Immer noch nicht ganz. Die 500 entwickeln die Ideen zu konkreten Vorschlägen, die dann in den Bürgerrat zur Weiterbearbeitung gehen. Der Bürgerrat besteht aus 100 Menschen. Ein Teil von ihnen hat schon im Bürgerforum mitgearbeitet. Die anderen sind neue zufällig ausgeloste Menschen. Und der Bürgerrat formuliert dann die finalen Empfehlungen für die Politik.


Ziemlich komplex und auf jeden Fall sehr basisdemokratisch. Und daraus soll ein besseres Bildungssystem entstehen?

Ich glaube, das kann nur so gehen. Und schon der erste Workshop hat großen Spaß gemacht. Die frischen Ideen müssen aus der Breite der Bevölkerung kommen, um zu funktionieren und auch akzeptiert zu werden. Und wie sich auf dem Weg zum Bürgerrat zeigt: Solche Ideen sind auch da in Hülle und Fülle. Es geht um Bildung für jung und alt, von der Kita- und Schulbildung über die Weiterbildung bis hin zu Lerngelegenheiten für ältere Menschen.

"Da kann die Politik nicht einfach drüber hinweggehen."

Ins Leben gerufen wurde der Bürgerrat von der Bonner "Montag Stiftung Denkwerkstatt". Was hat Sie motiviert, ja zu sagen, als die Stiftung bei Ihnen anfragte?

Mein eigenes Abi ist ja noch nicht so lange her, und seit ich raus bin aus der Schule, merke ich immer stärker, dass sich in unserem Bildungssystem einiges ändern muss. Wie kann es zum Beispiel sein, dass das Abitur, das ich in einem Bundesland mache, ganz anders gemessen wird und weniger oder mehr wert ist als in einem anderen Bundesland? Und was muss passieren, damit der Lehrerberuf attraktiver wird und man im Lehramtsstudium angemessen auf die Schule von morgen vorbereitet wird? Oder auch: Wie kann es sein, dass Schulen in der Corona-Zeit zwar jede Menge neue Technik erhalten, aber dann mit Betrieb und Wartung komplett im Stich gelassen werden? Diese Frage treibt mich persönlich besonders um. Vielleicht liegt das ja daran, dass ich Elektrotechnik studiere.

Haben Sie eine Lösung?

Ich habe den Vorschlag eingebracht, dass jede Schule einen professionellen IT-Service braucht, wie er in Unternehmen normal ist. Denn kein Informatik Lehrer oder ein technikbegeisterter Lehrer kann mal so nebenbei eine komplette IT-Abteilung ersetzten. Dieser IT-Service sollte die Administration der Geräte beinhalten und die Schulungen für Schüler und Lehrer. Und wenn nötig, muss er vor Ort technische Probleme lösen. Mal gucken, was das Bürgerforum zu der Idee sagt. Es ist auch nur eine von vielen.

Was passiert denn mit den Empfehlungen, die der Bürgerrat am Ende erarbeitet?

Er bestimmt Repräsentanten aus seiner Mitte, Bürgerbotschafter nennen wir die, die sich dann mit der Politik zu einem Bürgergipfel treffen und dort die Empfehlungen des Bürgerrats vorstellen. Und zwar im Herbst, direkt nach der Bundestagswahl, wenn die Koalitionsverhandlungen im Bund anlaufen.

Glauben Sie, dass die Politik beherzigen wird?

Zumindest glaube ich, dass so, wie die Empfehlungen des Bürgerrats entstehen, die inhaltliche und gesellschaftliche Legitimation maximal ist. Da kann die Politik nicht einfach drüber hinweggehen.

Dieses Interview erschien zuerst in meinem Newsletter.

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